Dax verbucht nach wilden Vortagen größten Tagesgewinn seit Jahren - Gold auf Rekordhoch

Der Dax hat am Donnerstag eine massive Erholung nach den desaströsen Verlusten der Vortage vollzogen. Angetrieben von rekordverdächtigen Gewinnen an der Wall Street eröffnete der Leitindex des deutschen Aktienmarkts mit einem Plus von rund acht Prozent, gab einen Teil der Gewinne im Handelsverlauf jedoch ab.
Nichtsdestotrotz schloss der Dax 4,55 Prozent höher bei 20.566 Punkten. Das ist das größte Plus an einem einzelnen Handelstag seit Mitte 2020. Damit krönt der Index volatile Vortage mit einem großen Erholungsgewinn.
An vier der fünf vorangegangenen Handelstagen verlor der Index jeweils mehr als drei Prozent. Anleger erleben aktuell eine einzigartige Volatilität. In sechs aufeinanderfolgenden Handelstagen hat sich der Dax nun mindestens 2,5 Prozent oder stärker in die eine oder andere Richtung bewegt. Immerhin: Mit dem heutigen Sprung ließ das Kursbarometer die langfristig wichtige 200-Tage-Linie wieder klar hinter sich.
Trump setzt Zölle überraschend aus
"Die Situation ist nicht chaotisch, sie ist verrückt", kommentierte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich bei der niederländischen Bank ING, mit Blick auf US-Präsident Donald Trump und die Finanzmärkte. Trump setzte am Mittwochabend die jüngst verhängten, länderspezifischen Sonderzölle für 90 Tage aus. Während dieses Zeitraumes greift nun ein pauschaler Zollsatz von 10 Prozent. Dagegen verschärfte Trump den Konfrontationskurs mit China, indem er die Zölle für chinesische Einfuhren weiter anhob.
Um die Mittagszeit erklärte die EU-Kommission, die ab kommender Woche geplanten Gegenzölle für US-Importe vorerst nicht in Kraft zu setzen. Auf die Aktienkurse hatte das allerdings keinen Einfluss. Gleiches galt für US-Preisdaten, die eine schwächer als erwartete Entwicklung der Inflation belegten.
Für den MDax der mittelgroßen Unternehmen ging es um 3,38 Prozent auf 25.705 Punkte hoch. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 machte mit einem Plus von 3,7Prozent ebenfalls ordentlich Boden gut.
Auch an den asiatischen Handelsplätzen hatten die Kurse kräftig angezogen. Selbst die wichtigsten Indizes der chinesischen Börsen sowie der Hang-Seng-Index der Sonderverwaltungszone Hongkong legten zu. An diesem Donnerstag traten auch die chinesischen Gegenzölle für US-Waren in Kraft. In New York zeichnen sich nach der Kursexplosion vom Vortag allerdings wieder Verluste ab.
Laut dem charttechnisch orientierten Wertpapieranalysten Marcel Mußler "ist nach gestern erst einmal Aufatmen angesagt". Ähnlich wie andere Experten sieht er aber keinen Grund zur Euphorie. Denn schließlich sei der Zollkrieg nicht beendet, sondern nur für Verhandlungen ausgesetzt worden. "Dabei wird Trump aber weiterhin nicht den Samariter geben", so Mußlers Prognose. "Er wird vielmehr weiter mit markigen Sprüchen die Stimmung anheizen. Und das Vertrauen in Trump bleibt zerstört." Dazu bedeute der anhaltende Handelskrieg mit China schwer zu kalkulierende Risiken.
Besonders betroffene Aktien werden nachgekauft
Am deutschen Aktienmarkt griffen die Anleger vor allem bei zuletzt gebeutelten Papieren zu. Aus dem Halbleitersektor sprangen Infineon 5,9 Prozent hoch. Im MDax belegten Wacker Chemie mit plus 6,2 Prozent und im Nebenwerte-Index SDax Süss Microtec und Elmos vordere Plätze. Gefragt waren auch Finanzaktien wie Deutsche Bank und deren Fondstochter DWS sowie Industrietitel wie Siemens und Siemens Energy.
Im SDax-Mittelfeld lagen die minimal stärkeren Aktien von ProSiebenSat.1, nachdem die US-Bank JPMorgan sie abgestuft hatte und nur noch ein neutrales Anlagevotum ausspricht. Analyst Daniel Kerven begründete dies mit dem Risiko, dass Media for Europe (MFE) seine Übernahmeofferte zurückziehen könnte.
Die Aktien des Medienkonzerns und ProSieben-Großaktionärs hätten enorm unter der Aussicht gelitten, im wirtschaftlich unsicheren Terrain auch noch die Schulden der Schulden seines Branchenkollegen stemmen zu müssen. Dieses Risiko könnte MFE zunächst zu hoch sein. Die Italiener könnten wieder auf den Plan treten, wenn der volumengewichtete Durchschnittskurs (VWAP) der ProSieben-Aktien deutlich gesunken sei. Hieran orientiert sich die Offerte.
VW-Aktien steigen trotz enttäuschender Quartalsergebnisse
Volkswagen-Aktien verteuerten sich nach vorläufigen Quartalszahlen um unterdurchschnittliche 1,6 Prozent. Der Autobauer verfehlte die Erwartungen, hält aber an seinen Jahreszielen fest. Die Papiere haben eine dreiwöchige Talfahrt hinter sich.
Für die zuletzt ähnlich gebeutelten Titel der Wettbewerber BMW und Mercedes-Benz ging es am Donnerstag um 2,5 beziehungsweise 2,0 Prozent hoch. BMW berichtete derweil für das erste Quartal einen Absatzrückgang - vor allem wegen des eingebrochenen China-Geschäfts.
Gold wieder gefragt - Preis höher denn je
Der Euro legte indes zu. Von der US-Zollwende am Mittwoch hat der US-Dollar nicht nachhaltig profitiert. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde am Nachmittag bei 1,1186 Dollar gehandelt. Dies ist der höchste Stand seit Ende September 2024. Im frühen Handel hatte der Euro noch rund einen Cent niedriger notiert. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1082 (Mittwoch: 1,1045) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,9023 (0,9053) Euro.
Bergauf ging es auch beim Edelmetall Gold, traditionell ein "sicherer Hafen" in turbulenten Marktphasen. Der Kurs für eine Feinunze (31,1 Gramm) verteuerte sich um 2,75 Prozent auf 3.166 Dollar. Im Handelsverlauf hatte der Preis sogar 3.174 Dollar und damit eine neue Bestmarke erreicht. Auch in Euro gerechnet stieg der Preis für die Krisenwährung. Zuletzt kostete eine Feinunze 2.830 Euro und damit 0,42 Prozent mehr als am Vortag.
(mit Material von dpa-AFX)