Dobrindt: Karlsruhe durch geplatzte Richterwahl nicht beschädigt
BERLIN (dpa-AFX) - Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat Wertungen von SPD und Opposition widersprochen, dass die geplatzte Richterwahl das Bundesverfassungsgericht beschädigt habe. "Alles, was nicht zu einem ganz bestimmten Ergebnis führt, ist automatisch eine Beschädigung des Bundesverfassungsgerichts: Dieser Sichtweise kann ich mich nicht anschließen", sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk-"Interview der Woche". "Ich sehe auch überhaupt ein Bundesverfassungsgericht nicht beschädigt."
Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner sprach in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern davon, dass das Vertrauen in das höchste Gericht "fahrlässig beschädigt" worden sei. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch ging sogar noch weiter und warf dem Koalitionspartner "die bewusste Demontage unseres höchsten deutschen Gerichts und unserer demokratischen Institutionen" vor.
Dobrindt hätte kein Problem, die Linke anzurufen
Prinzipiell zeigte sich Dobrindt offen, in außergewöhnlichen Situationen das Gespräch auch mit der Linken zu suchen, so wie bereits nach der im ersten Anlauf gescheiterten Kanzlerwahl geschehen. Bei der Richterwahl ist die Linke abermals von Bedeutung, weil es einer Zweidrittelmehrheit bedarf, die die schwarz-rote Koalition und die oppositionellen Grünen allein nicht haben. Die Linke verlang ein eigenes Nominierungsrecht, die Union hat bisher mit ihr aber nicht gesprochen.
"In Situationen, die so außergewöhnlich sind - und das auf jeden Fall war eine außergewöhnliche Situation, wenn die Wahl eines Bundeskanzlers nicht stattfindet - dann braucht man auch pragmatische Lösungen, die über das hinausgehen, was man gelernt und geübt hat. Und ich finde, dass das zu einer ergebnisorientierten oder lösungsorientierten Politik auch gehört", erklärte Dobrindt. "Ich hätte auch in einem weiteren Fall, wenn es notwendig wäre, nicht das Problem, zum Telefon zu greifen und jemanden bei der Linkspartei anzurufen."
Innenminister sieht politischen Prozess mit vielen Einflüssen
Dobrindt bemühte sich um eine gelassenere Betrachtung der am Freitag eskalierten Entwicklung. Er stellte es als einen politischen Prozess dar, der vielen Einflüssen unterliegt und bei dem deshalb das ursprünglich beabsichtigte Ziel nicht zwingend dem letztlichen Ergebnis entspreche.
"Wenn man um höchste Ämter sich bewirbt, gewählt werden muss, dann wird man auch in der Öffentlichkeit betrachtet. Dann gibt es auch Diskussionen und Debatten dazu. Die können das Ganze auch mitbeeinflussen. Und dann läuft es eben nicht wie vorhergesehen. Oder dann muss man auch die Möglichkeit und die Kraft haben, mal etwas zu verändern", erklärte er. Dies relativiere nicht, "dass das nicht der normale Prozess war und dass man sich einen anderen Prozess oder ein anderes Ergebnis im Prozess gewünscht hätte".
Die Wahl zweier SPD-Richterkandidatinnen und eines von der Union nominierten Kandidaten war letztlich von der Tagesordnung abgesetzt worden, weil der unionsinterne Widerstand gegen die von der SPD benannte Potsdamer Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zu groß wurde. Zuvor hatte die Union sie im Richterwahlausschuss aber mit nominiert, die Unionsfraktionsführung hatte sich für ihre Wahl ausgesprochen und offensichtlich dem Koalitionspartner auch Unterstützung der Personalie zugesichert./and/DP/nas