Zu viele Vorteile für USA

Kritik an EU nach Handelsabkommen mit Trump

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)
Quelle: Varavin88/Shutterstock.com

Berlin (Reuters) -Das vorläufige Handelsabkommen zwischen der EU und den USA ist in Europa auf deutliche Kritik gestoßen. Frankreich sprach von einer unausgewogenen Einigung mit viel mehr Vorteilen für die USA als für Europa. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban sagte, Großbritannien habe besser mit US-Präsident Donald Trump verhandelt als die EU. "Trump hat Kommissionspräsidentin (Ursula) von der Leyen zum Frühstück verspeist." Die EU muss künftig deutlich höhere Zölle als die USA zahlen, auf die meisten Produkte 15 Prozent. Die deutsche Wirtschaft sprach von einem fatalen Signal.

Der rechtsgerichtete und EU-kritische Orban sagte, Trump sei bei Verhandlungen ein Schwergewicht, von der Leyen dagegen ein Federgewicht. Frankreichs Europaminister Benjamin Haddad schrieb auf X, das Abkommen bringe zwar vorübergehende Stabilität, sei aber unausgewogen. Zu den Vorteilen zählten Ausnahmen für wichtige französische Wirtschaftszweige wie Spirituosen.

Die EU und die USA hatten ihren monatelangen Handelsstreit am Sonntag auf Trumps Golfplatz im schottischen Turnberry entschärft. Die EU zahlte dabei aber einen hohen Preis. Die 15 Prozent sind gemessen an den ursprünglichen Plänen - Null-Zölle auf alle Industriegüter und ein fairer Deal mit Vorteilen für beide Seiten - sehr viel. Die EU konnte aber pauschale Zölle von 30 Prozent abwenden, die Trump ansonsten ab Anfang August angedroht hatte. Außerdem kann die für Deutschland besonders wichtige Autobranche mit Entlastung rechnen.

Trotzdem äußerte sich der Branchenverband VDA wie auch andere Wirtschaftsvertreter skeptisch. Entscheidend werde nun sein, wie die Vereinbarung ausgestaltet und wie verlässlich sie werde. "Der Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent auch für automobile Produkte wird die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten und belastet sie inmitten der Transformation", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

ZUGESTÄNDNISSE VON NUR EINER SEITE

Der Industrieverband BDI wertete die Einigung als fatales Signal, weil die EU-Kommission schmerzhafte Zölle in Kauf nehme. Die EU hat sich zudem verpflichtet, über einen Zeitraum von drei Jahren US-Flüssiggas (LNG) im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. Die EU soll zudem 600 Milliarden Dollar in den USA investieren. Details dazu sind noch offen. Von der Leyen hatte am Sonntag eingeräumt, dass der Handel zwischen der EU und den USA neu austariert werden musste. Trump hatte wiederholt von einem großen Handelsdefizit seines Landes mit der EU gesprochen. Für ihn bringen die neuen Zölle aber auch hohe Sondereinnahmen, um in den USA Steuersenkungen zu finanzieren.

An der Börse in Frankfurt sorgte der Deal zunächst für steigende Kurse. Hier wurde eine im Raum stehende Eskalation befürchtet, hätte es bis Ende Juli keine Verständigung gegeben. Der Dax startete knapp ein Prozent höher in die Woche und lag bei 24.424 Punkten. Allerdings fürchten viele Ökonomen Nachteile für Deutschland und die EU. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt könnte jährlich um knapp 0,2 Prozent reduziert werden, rechnet die VP Bank vor.

Bis zu einem formellen Abschluss des Rahmenabkommens könnten Wochen oder Monate vergehen, sagte Frankreichs Industrieminister Marc Ferracci dem Radiosender RTL. Es müsse mehr getan werden, um die Handelsbeziehungen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

In Deutschland hinterließen die teilweise schon geltenden US-Zölle Spuren beim Ingolstädter Autobauer Audi. Allein im ersten Halbjahr kosteten diese 600 Millionen Euro. Bislang habe Audi die Abgaben von 27,5 Prozent nicht an die Kunden weitergegeben, sagte Finanzchef Jürgen Rittersberger am Montag bei Vorlage der Geschäftszahlen. Preiserhöhungen in den USA schloss er dabei nicht aus.

(Bericht von Christian Krämer mit Zuliferungen aus zahlreichen Reuters-Büros in Europa. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

onvista Premium-Artikel

Kolumne von Stefan Riße
Deutschland und die Schuldenregeln – ein peinliches Schauspiel26. Juli · onvista-Partners
Deutschland und die Schuldenregeln – ein peinliches Schauspiel