Analyse: VW-Machtkampf ist beendet – Diess bleibt im Amt, aber wie groß ist seine Macht noch und was bedeutet das für die Aktie?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Spekulationen um die Zukunft von Herbert Diess haben ein Ende. Der VW Chef wird im Amt bleiben. Allerdings wird er wohl deutlich an Macht verlieren. Positiv formuliert heißt es dann so: Herbert Diess kümmert sich vor allem um strategische Themen, wie etwa die neue Software-Sparte Cariad. Allerdings zeigen die Neubesetzungen und Wechsel im Vorstand der größten europäischen Autogruppe, dass Diess deutlich an Einfluss auf die komplette Ausrichtung der Wolfsburger verliert.

VW stockt den Vorstand auf!

In der Manageretage gibt es zukünftig nicht nur ein neues Vorstandsbüro auch die Zuständigkeiten sind zum Teil neu verteilt worden, was Herbert Diess deutlich an Macht kostet. der Leiter der Kernmarke Volkswagen, Ralf Brandstätter, bekommt das neue Büro und wird in den Vorstand aufrücken. Die Steuerung der Volumenmarken insgesamt soll der Vorstandsvorsitzende behalten. Allerdings wird Brandstätter von August 2022 an das wichtige und zuletzt deutlich schwächere China-Geschäft verantworten, das bisher Diess zugeordnet war. Die Zuständigkeit für die Hauptmarke VW Pkw im Konzernvorstand soll dann Skoda-Chef Thomas Schäfer übernehmen.

Neu in das Führungsgremium  kommt dann am 1. Februar Hauke Stars, die das neu geschaffene Ressort für IT und Organisation übernimmt.  Die Audi-Managerin Hildegard Wortmann übernimmt die Vorstandsabteilung Vertrieb. Damit muss sich Diess ab sofort mit 11 Vorstandsmitgliedern arrangieren.

Neue Gesichter auf alten Posten

Wie bereits im Vorfeld spekuliert wurde übernimmt Chefjustiziar Manfred Döss das Ressort für Integrität und Recht von der scheidenden Vorständin Hiltrud Werner. Personalvorstand Gunnar Kilian erhielt einen neuen Vertrag. Zudem bleiben Arno Antlitz (Finanzen), Thomas Schmall von Westerholt (Technik), Murat Aksel (Einkauf), Oliver Blume (Sport und Luxury)und Markus Duesmann (Premium) im Amt.

 Kehrt jetzt Ruhe ein?

Im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung wurde lautstark diskutiert, ob Herbert Diess das Ruder bei VW in der Hand behalte. Er hat zwar noch die Hände dran, aber alleine steuern kann er den größten europäischen Autobauer wohl nicht mehr. Damit scheint der Aufsichtsrat wohl einen Kompromiss gefunden zu haben, der vorerst für Ruhe sorgt.  Für Aufsichtsratschef  Hans Dieter Pötsch dürfte es ein hartes Stück Arbeit gewesen sein  ein weiteres Mal intensiv zwischen allen Beteiligten vermitteln. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Vorstandschef Diess in seiner Amtszeit zur Disposition stand. Zuletzt gab es für den Cheflenker wieder ordentlich Gegenwind.

Betriebsrat auf 180 

Es kam erneut zu einer Konfrontation mit dem Betriebsrat, nachdem Diess in einer Sitzung des Kontrollgremiums laut über die womöglich nötige Streichung von mehreren Zehntausend Jobs nachgedacht haben soll. Zuvor hatte er nach Informationen aus Unternehmenskreisen andere Manager um weitere Einsparvorschläge gebeten – vorbei an der bei VW sehr einflussreichen Belegschaftsvertretung.

Wechsel auf dem Chefposten des Betriebsrat beendet Spannungen nicht

Auch die Nachfolgerin von Bernd Osterloh, Betriebsratschefin Daniela Cavallo, brauchte nicht lange im Amt, um sich mit Herbert Diess anzulegen. Zuletzt hatte Cavallo intern sowie öffentlich auf einer Betriebsversammlung den Vorstandvorsitzenden öffentlich scharf angegriffen. Auch das Land Niedersachsen als zweitgrößter VW-Anteilseigner hatte angedeutet, nicht mehr voll hinter dessen Kommunikationskurs zu stehen. Ministerpräsident und Co-Aufseher Stephan Weil sprach von einer Atmosphäre der „Verunsicherung, die überall um sich greift“.

Brüchiger Burgfrieden?

Der Führungsstil von Herbert Diess ist im VW-Konzern nicht unumstritten. Fest steht: Er wird sich wohl nicht mehr ändern und muss jetzt damit klar kommen, dass er in seiner Macht bei VW beschnitten worden ist. Ob die neue Konstellation im VW-Führungsgremium jetzt so bis zum Vertragsende von Dies – im Oktober 2025 – bestand haben wird, dass wird sich zeigen.

Aktie trotzdem ein Hingucker

Nach der kräftigen Korrektur des Papiers sind die VW-Papiere trotzdem für Anleger mit einem langfristigen Atmen eher eine Chance als ein Risiko. Mit einem geschätzten KGV von etwas mehr als 6 können sich Anleger einen der weltweitgrößten Autobauer ins Depot holen. Geht es nach dem Umsatz war VW nach dem ersten Halbjahr 2021 die Nummer 1. Geht es nach dem PKW-Absatz dann nimmt VW hinter Toyota Platz 2 ein. Mit der konsequenten Ausrichtung auf die Elektrifizierung seiner Flotte geht VW hat VW zudem noch den richtigen Weg für die Zukunft eingeschlagen. Eine Dividenden-Rendite von aktuell fast 4 Prozent wäre dann das Sahnehäubchen auf der Position im Depot. Selbst wenn Diess vorzeitig bei VW die Segel streichen sollte, wird sein Nachfolger VW nicht von diesem Weg abbringen. Von daher ist das Risiko eines Wechsel auf dem Chefposten für den Aktienkurs nicht das größte Übel.

Mit der Rückkehr über die Marke von 175 Euro hat sich das charttechnische Bild bei VW auch wieder deutlich aufgehellt. Zudem ist unter den neuen Machtverhältnissen im Vorstand der Wolfsburger ein Börsengang des Autobauers Porsche eher wahrscheinlicher, da Diess in der Vergangenheit einem solchen Schritt eher skeptisch gegenüber gestanden hat. Jetzt könnte ein Börsengang des Sportwagenbauers mehr Geld in die Kassen der Wolfsburger spülen, dass auf dem Weg zur kompletten Elektrifizierung gut gebraucht werden kann. Was für Herr Diess nicht ganz gelungen ist, könnte für die Aktie allerdings ein Vorteil sein.

Langfristig orientierte Anleger dürfen daher gerne zugreifen.

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Von Markus Weingran

Foto: askarim / shutterstock.com

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