Daimler: Eckdaten treiben Aktie, Branche und Dax an ++ Wirecard: Hat eine Schlüsselfigur ausgepackt? ++ US-Regierung erhöht Druck auf Google, Microsoft, Amazon und Co.

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Spannungen zwischen den USA und China nehmen weiter zu. Jetzt stichelt die US-Regierung aber nicht nur gegen die Volksrepublik, sondern sie erhöht auch den Druck auf die amerikanischen Konzerne, die im Reich der Mitte aktiv sind. US-Justizminister William Barr hat amerikanische Unternehmen vor zu engen Verbindungen mit China gewarnt. „Amerikanische Unternehmensführer mögen sich selbst nicht als Lobbyisten betrachten (…), aber Sie sollten auf der Hut sein, wie Sie benutzt werden könnten“, sagte Barr am Donnerstag in einer Rede. Und sie sollten bedenken, welche Konsequenzen Anstrengungen im Interesse einer ausländischen Regierung nach sich ziehen könnten.

Der Minister warf großen Technologieunternehmen wie Apple, Google, Microsoft und Yahoo sowie dem US-Unterhaltungsriesen Walt Disney vor, bereitwillig mit der kommunistischen Führung in Peking zusammenzuarbeiten und damit chinesischen Interessen zu dienen. Hollywood und die Tech-Firmen hätten zugelassen, zum „Spielball des chinesischen Einflusses“ zu werden – und das zu Gunsten kurzfristiger Gewinne und auf Kosten der Freiheit und Offenheit der USA.

Vertreter der US-Regierung warnen immer wieder vor Chinas wachsendem Einfluss – teils mit scharfer Rhetorik. Barr sagte zu Beginn seiner Rede in Anspielung auf vergangene Reaktionen von der chinesischen Führung auf US-Aussagen, er ziele darauf ab, dass seine Rede von der Führung in Peking als „besonders ekelhaft“ wahrgenommen werde. Er wolle die Amerikaner ermuntern, ihre Beziehung zu China neu zu bewerten.

Die Beziehungen zwischen den USA und China sind wegen einer Vielzahl an Themen angespannt. Ärger gibt es unter anderem wegen Chinas Sicherheitsgesetz für Hongkong, Visa für Journalisten und Studenten, die Sicherheitspolitik im Indopazifik-Raum sowie Beschränkungen bei Technologieexporten. Die Corona-Pandemie hat die Stimmung zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt weiter eingetrübt.

Dax kurz vor dem Wochenende gut gelaunt

Eine überraschend robuste Geschäftsentwicklung von Daimler hat am Freitag der Autobranche und dem deutschen Aktienmarkt Rückenwind beschert. Der deutsche Leitindex Dax rückte im frühen Handel um 0,34 Prozent auf 12 919 Punkte vor, nachdem er am Vortag gefallen war. Auf Wochensicht zeichnet sich ein Plus von gut zwei Prozent ab. Anleger schauen gespannt nach Brüssel, wo zur Stunde der EU-Sondergipfel beginnt. Dort geht es unter anderem um das Milliarden-Programm zur Bewältigung der Corona-Wirtschaftskrise.

„Zwischen den Südstaaten und den sparsamen Vier gehen die Meinungen weiterhin stark auseinander“, schrieb Analyst Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Die Gruppe der sogenannten sparsamen Vier besteht aus Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden. Für die Börsen wäre ein Scheitern des Gipfels ein „verheerendes Signal“, so Altmann. Denn der Wiederaufbaufonds sei längst in die Kurse eingepreist, jede Verzögerung könne daher zu unmittelbaren Kursverlusten führen.

Der Index der mittelgroßen Werte MDax stieg am Morgen um 0,12 Prozent auf 27 098 Zähler. Der Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 lag ebenfalls moderat im Plus.

Daimler: Alles nicht so schlimm wie befürchtet

Der Autobauer Daimler hat im zweiten Quartal in der Corona-Krise trotz eines operativen Milliardenverlusts nicht so schlecht abgeschnitten wie befürchtet. Der Verlust vor Zinsen und Steuern lag bei 1,68 Milliarden Euro, wie das Dax -Unternehmen am Donnerstagabend nach Börsenschluss auf Basis vorläufiger Zahlen in Stuttgart mitteilte. Das war auch nur etwas mehr als im Vorjahreszeitraum mit 1,56 Milliarden Euro Minus – damals hatte der Konzern aber milliardenschwer die Rückstellungen für Dieselaltlasten und Takata-Airbags erhöhen müssen.

Analysten hatten beim Betriebsergebnis zwischen April und Ende Juni mit einem noch höheren Minus gerechnet, Daimler selbst hatte bereits rote Zahlen angekündigt. Die Markterholung sei stärker ausgefallen als gedacht, hieß es nun von den Stuttgartern, im Juni habe es sogar eine „starke“ Entwicklung gegeben. Die Aktie des Konzerns legte nachbörslich auf der Handelsplattform Tradegate um ein Prozent zu.

„Aber es bleibt viel zu tun“, sagte Daimler-Chef Ola Källenius. „Wir müssen unsere systematischen Bemühungen fortsetzen, die Gewinnschwelle des Unternehmens durch Kostenreduktion und Kapazitätsanpassungen weiter zu senken.“ Källenius hat sich bei den Kostenstrukturen des Traditionskonzerns viel vorgenommen, nachdem er das Ruder vom langjährigen Daimler-Boss Dieter Zetsche übernommen hatte.

In den Zahlen enthalten waren Sonderbelastungen von 687 Millionen Euro in der Pkw- und Van-Sparte für die Straffung der Produktion und das Kappen von Kapazitäten in Frankreich, den USA und Mexiko. Für rechtliche Verfahren musste Daimler zusätzlich 53 Millionen Euro ausgeben, auch das verlustbringende Carsharing-Joint-Venture Your Now mit BMW erforderte 105 Millionen Euro an Sonderkosten. Zudem gab Daimler 129 Millionen Euro für das laufende Sparprogramm aus. Bereinigt um diese Faktoren lag der operative Verlust bei 708 Millionen Euro. Die Fahrzeugsparten mit Pkw und Vans sowie die ebenfalls unter Druck stehenden Lkw und Busse fuhren jeweils rote Zahlen ein, die Finanzdienstleistungen warfen hingegen etwas Gewinn ab.

Überraschen konnte Daimler vor allem auch beim Mittelzufluss aus dem laufenden Industriegeschäft – sprich dem Auto- und Nutzfahrzeugbau. Hier erzielte der Konzern ein Plus von 685 Millionen Euro, Analysten hatten laut Erhebungen von Daimler selbst mit milliardenschweren Abflüssen gerechnet. Die Nettoliquidität im Industriegeschäft stieg gegenüber Ende März von 9,3 auf 9,5 Milliarden Euro zur Mitte des Jahres. „Hinter uns liegt ein komplexes Quartal. Wir haben proaktiv Entscheidungen hinsichtlich der Kosten und Ausgaben getroffen und uns intensiv auf das Management unseres Working Capital fokussiert“, sagte Källenius.

Daimler habe vom umfassenden Einsatz der Maßnahmen zur Liquiditätserhaltung profitiert, hieß es. Zugleich habe sich das Betriebskapital mit der Nachfrage günstig entwickelt. Autobauer hatten angesichts der wochenlangen Produktions- und Verkaufspausen auf den Weltmärkten auch die Abrufe bei den Zulieferern auf Eis gelegt und für Zehntausende Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt, um die Kassen zu schonen. Wenn die Nachfrage dann wieder anspringt, leeren sich die Vorräte schneller. Auch bei Daimler hatten Finanzexperten den hohen Bedarf an sogenanntem Betriebskapital in der Vergangenheit mehrfach gerügt.

Analysten und Aktionäre schauen immer wieder mit hohem Interesse auf den sogenannten Free Cashflow, also die Entwicklung der frei verfügbaren Zahlungsmittel. Letztlich geben sie Aufschluss über die aktuelle Finanzkraft, was in der Krise wichtig für die existenzielle Sicherung ist – aber eben auch über Wohl und Wehe möglicher Dividenden mitbestimmt.

Zum Umsatz und dem Gewinn unter dem Strich machte Daimler zunächst keine Angaben. Die vollständigen Quartalszahlen sollen am 23. Juli veröffentlicht werden.

Wirecard: Bringt eine Hauptfigur Licht ins Dunkel?

Im milliardenschweren Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard packt ein zentraler Beschuldigter aus. Der wegen Betrugsverdachts inhaftierte Ex-Chef der Wirecard-Tochter Cardsystems Middle East räumte nach Angaben seines Anwalts im Verhör der Staatsanwaltschaft München eine Tatbeteiligung ein. „Mein Mandant hat sich freiwillig dem Verfahren gestellt und steht – im Gegensatz zu anderen – zu seiner individuellen Verantwortung“, sagte dessen Strafverteidiger Nicolas Frühsorger am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Münchner Staatsanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme ab.

Der deutsche Manager hatte sich Anfang der vergangenen Woche gestellt, wie die Staatsanwaltschaft am Tag seiner Verhaftung mitgeteilt hatte. Er war dafür aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach München gereist. Im Emirat Dubai spielte die Cardsystems Middle East eine zentrale Rolle im skandalumwitterten Asiengeschäft von Wirecard. Dort wähnen die Ermittler einen Schwerpunkt der mutmaßlichen milliardenschweren Manipulationen der Wirecard-Geschäftszahlen.

Eine weitere wichtige Tochter des Zahlungsabwicklers ist in Dublin angesiedelt. In der irischen Hauptstadt hatte die Polizei auf Wunsch der deutschen Strafverfolger vor wenigen Tagen Geschäftsräume von Wirecard durchsucht.

Der Manager aus Dubai wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft bereits am Tag seiner Verhaftung vernommen. Danach redete er erneut ausführlich mit den Ermittlern. „Zu den Einzelheiten werden wir uns allerdings ausschließlich gegenüber der Staatsanwaltschaft München äußern“, erklärte sein Anwalt. Der Manager sitzt wegen Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl stützt sich unter anderem auf den dringenden Verdacht des schweren gemeinschaftlichen Betrugs.

Der bis in den Dax aufgestiegene Konzern war nach Aufdeckung eines 1,9 Milliarden Euro großen Bilanzlochs in die Insolvenz gerutscht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs, Untreue, Bilanzfälschung und Marktmanipulation gegen mehrere Manager. Vorstandschef Markus Braun trat zurück und hat sich ebenfalls der Staatsanwaltschaft gestellt. Vorstand Jan Marsalek, der für das Tagesgeschäft zuständig war, ist dagegen nach seiner fristlosen Entlassung untergetaucht. In Deutschland ist eine Debatte über Versäumnisse von Behörden und Wirtschaftsprüfern entbrannt, denen die Bilanzfälschungen lange verborgen geblieben waren.

Kurz & knapp:

Adva Optical: Aktien des Telekomausrüsters haben am Freitag im nach starken Quartalszahlen kräftig zugelegt. Der Nebenwert hätte damit weit mehr als die Hälfte der Verluste aus der Zeit des Corona-Crashs an den Börsen aufgeholt. Der Umsatz stieg Adva Optical zufolge im zweiten Quartal um 8,9 Prozent auf 145 Millionen Euro. Das Betriebsergebnis legte sogar um 133 Prozent auf 10,1 Millionen Euro zu. Zudem hat das Unternehmen nach eigener Aussage die liquiden Mittel erhöht beziehungsweise die Nettoverschuldung reduziert.

Ericsson: Der Netzwerkausrüster kommt dank der hohen Nachfrage nach Produkten für den Aufbau des 5G-Netzes weiter gut durch die Corona-Krise. So blieb der Umsatz im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr überraschend stabil. Zudem legte der operative Gewinn zu – auch hier hatten Experten mit einem Rückgang gerechnet. Er stieg um rund drei Prozent auf 3,9 Milliarden Kronen, wie der Nokia-Konkurrent am Freitag in Stockholm mitteilte. Der Umsatz in den drei Monaten bis Ende Juni habe 55,6 Milliarden Kronen (5,4 Mrd Euro) betragen und lag damit auf dem Niveau des Vorjahres. Der Konzern bestätigte zudem die Prognosen für das laufende Jahr sowie 2022, auch wenn es durch die Corona-Pandemie in der Sparte Digital Services zu Projektverzögerungen kommen könnte. Die Ericsson-Aktie hatte sich zuletzt deutlich von dem Tief im Corona-Crash erholt und liegt aktuell mit knapp 88 Kronen wieder auf dem Niveau von Mitte Februar.

Volvo: Der schwedische Nutzfahrzeugbauer hat im zweiten Quartal schwer unter der Coronavirus-Pandemie gelitten. Der Umsatz brach um gut 39 Prozent auf 73,2 Milliarden schwedische Kronen (7,1 Mrd Euro) ein, wie das Unternehmen am Freitag in Göteborg mitteilte. Volvo hat zwischen April und Ende Juni 57 Prozent weniger Lkw ausgeliefert, und auch bei Baumaschinen und Bussen machte sich die Virus-Krise stark bemerkbar, wie Vorstandschef Martin Lundstedt sagte. Auch weil das Unternehmen für die weitere Streichung von 4100 Stellen viel Geld in die Hand nahm, stand unter dem Strich für die Aktionäre ein Verlust von 282 Millionen Kronen (27 Mio Euro) – nach einem Gewinn von 11,1 Milliarden Kronen ein Jahr zuvor. Bereinigt um Sonderposten wie 3,2 Milliarden Kronen für das Sparprogramm erzielte Volvo jedoch noch einen bereinigten operativen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 3,27 Milliarden Kronen. Der große Rivale Daimler hatte am Vorabend in der Truck- und Bussparte einen bereinigten operativen Verlust von 747 Millionen Euro angekündigt.

Redaktion onvista / dpa-AFX / Reuters

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