Devisenmärkte: UBS-Analysten sehen für den Dollar ein „Crash-Risiko“ gegenüber Währungen anderer Industrienationen – USDX-Index zeigt deutliche Schwäche

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der Kurs des Euro hat am Dienstag wieder etwas zugelegt. Am Vormittag stieg die Gemeinschaftswährung auf ein Tageshoch bei knapp 1,18 US-Dollar, nachdem sie am frühen Morgen bei 1,1755 Dollar gehandelt worden war. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuletzt am Montagnachmittag auf 1,1726 Dollar festgesetzt.

Marktbeobachter sprachen von einem insgesamt impulsarmen Vormittagshandel und einer Gegenbewegung, nachdem der Euro zu Beginn der Woche zeitweise unter 1,17 Dollar gefallen war. Es stehen kaum wichtige Konjunkturdaten auf dem Programm, an denen sich die Anleger orientieren könnten. Erst am Nachmittag dürften weitere Konjunkturdaten aus den USA für Bewegung sorgen. Auf dem Programm stehen Kennzahlen zum Auftragseingang in der Industrie.

Und mittel- bis langfristig?

Laut den Analysten der Großbank UBS könnte dem Dollar in Bezug auf die Währungen anderer Industrienationen Gefahr drohen. Wenn man auf den US-Dollar-Index USDX blickt, erkennt man bereits eine deutliche Schwäche des Dollars, seitdem im größten Sturm der Coronakrise der Bedarf nach dem Greenback extrem gestiegen ist. Auf 3-Monatssicht ist der Index um über 6 Prozent gefallen, eine für Devisen aus Industrieländern sehr starke Kursveränderung.

Was zeigt dieser Index genau?

Der USDX ist eine Kennzahl, die den Wert des US-Dollars gegenüber einem ausgewählten Währungskorb aus sechs Währungen vergleicht. Der Index ist der geometrisch gewichtete Durchschnitt im Vergleich zum Euro, dem japanischen Yen, dem Schweizer Franken, der Schwedischen Krone, dem Kanadischen Dollar und dem Britischen Pfund.

Im März ist im Zuge des Crashs an den Aktienmärkten ein enormer Bedarf nach Liquidität entstanden, unter anderem deswegen, weil viele Marktakteure zu großen Teilen mit Fremdkapital in den Märkten involviert waren. Durch den scharfen Kursverfall waren viele Investoren gezwungen, die Fremdkapitalquote über sogenannte Margin Calls abzubauen – dafür haben sie Cash benötigt. Da der Dollar die mit Abstand wichtigste Währung ist und ein Großteil der Finanzgeschäfte auch in Dollar getätigt werden, kam es zu dieser kurzzeitigen enormen Aufwertung der US-Devise.

Seitdem hat sich die Dominanz des Dollars jedoch wie auf dem Chart zu sehen deutlich abgebaut. Dies hat mehrere Gründe. Omnipotent ist die Unsicherheit durch die Coronakrise, die auch die US-Wirtschaft extrem getroffen hat. Es ist weiterhin unklar, wie groß und wie langanhaltend die wirtschaftlichen Schäden wirklich sein werden.

Die massiven Interventionen der FED und die enorme Geldausweitung erzeugt ebenfalls Sorge vor einer wachsenden Inflation, was Devisen weniger attraktiv macht und die Anleger beispielsweise Gold als sicheren Hafen gegenüber Anleihen bevorzugen lässt. Auch der eigentlich starke US-Anleihenmarkt ist durch die FED massiv geschwächt worden. Waren US-Bonds vorher noch eine der wenigen solide verzinsten Papiere auf dem Weltmarkt, haben die Interventionen der FED diesen Vorteil mittlerweile größtenteils zunichte gemacht.

Noch ein großer Unsicherheitsfaktor ist die anstehende US-Wahl im November. Es ist nicht wirklich klar, ob Donald Trump bei einer Niederlage so einfach das Feld räumen wird. Das hat enormes politisches, gesellschaftliches und damit auch wirtschaftliches Konfliktpotenzial. Dies könnte das Vertrauen in den Dollar aus Sicht der UBS-Analysten nachhaltig schädigen.

Daher sieht Steven Barrow, Leiter der G-10-Strategie bei der UBS, ein „Crash-Risiko“ für den US-Dollar gegenüber den Währungen aus anderen Industrieländern. Die zugrundeliegende Frage würde lauten: „Kann man dem Dollar vertrauen?  Denn wenn das Vertrauen in die US-Wirtschaft, die Politikgestaltung, die Glaubwürdigkeit der Wahlen und mehr verschwunden ist, könnte der Dollar zumindest gegenüber anderen Hauptwährungen einen Einbruch erleben“, wird er vom Branchenportal Marketwatch aus einer Mitteilung an Kunden zittiert.

Und die Aktienmärkte?

Für die Finanzmärkte würde das natürlich ebenfalls erhebliche Verwerfungen bedeuten. Eine sich stark abwertende Währung hat zwar auch Vorteile für die heimische Wirtschaft – beispielsweise, dass die Exporte angekurbelt werden, weil ausländische Käufer die Waren billiger erhalten – jedoch hat sich die allgemeine Nachfrage aufgrund der Coronakrise noch nicht wieder nachhaltig erholt und zudem ist die amerikansiche Wirtschaft bei weitem nicht so exportorientiert wie beispielsweise Deutschland oder China. Die USA importieren einen Großteil der Güter, was mit einem erheblich schwächeren Dollar zu neuen Problemen für die Wirtschaft führen würde, da die Kaufkraft des Dollars sinkt (zumindest in den angesprochenen Industrieländern).

Auf fundamentalerer Ebene wäre ein dramatischer Abfall des Dollarkurses zudem auch eine politische Gefahr für die USA, da der Dollar und dessen Status als Weltleitwährung dem Land enorme Macht verleiht. Das chronische, exorbitant wachsende Haushaltsdefizit des Landes lässt sich nur ohne Probleme durchführen, wenn der Dollar weiterhin seine dominante Stellung auf dem Devisenmarkt behält und andere Länder weiter fleißig US-Anleihen kaufen. Sollte dieser Strom versiegen, würden die Amerikaner sich plötzlich mit diesem Problem in der Realität konfrontiert sehen. Solange man jedoch weiterhin die Weltleitwährung in Händen hält, spielen Schulden nicht wirklich eine praktische Rolle.

Sollte dieser Status jedoch kippen, würde das auch für die Wirtschaft und die Aktienmärkte erhebliche Konsequenzen bedeuten, da das allgemeine Vertrauen in die stärkste Wirtschaftszone der Welt nachhaltig untergraben werden würde. Gegen ein solches Szenario spricht, dass die anderen Länder sich ebenfalls in einer desolaten Situation aufgrund des Coronavirus befinden und den Dollar mit einer eigenen Währung nicht so einfach ersetzen können. Obwohl viele dem chinesischen Renminbi dieses Potenzial auf lange Sicht zusprechen. Gegenüber diesem hat  sich der US-Dollar zwar auch, mit minus 1,1 Prozent in den letzten drei Monaten jedoch nicht so stark abgewertet.

Wichtig ist jetzt, dass die USA sich schnell auf das nächste Wirtschaftspaket einigen und die Wirtschaft weiterhin so gut es geht stützen. Was die generellen Notenbank-Exzesse jedoch langfristig mit dem Währungssystem anstellen werden, dazu ist eine Prognose kaum möglich, da es bisher noch kein vergleichbares Szenario gegeben hat. Man kann die weiteren Entwicklungen nur beobachten.

onvista-Redaktion

Titelfoto: Shatsko Yauhen / Shutterstock.com

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