Die schmutzigen Tricks maroder Fonds

HANDELSBLATT · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Christoph Schmidt sieht gar nicht aus wie ein Rebell. Der 49-jährige Diplom-Mathematiker entspricht in vielen Details eher dem Klischeebild eines Hanseaten: korrekt nicht nur bei der Kleidung und ein wenig unterkühlt – so wie man die Hamburger kennt. Doch als er seine 15.000 Euro und das Geld der anderen Anleger in einem 2005 aufgelegten, geschlossenen Fonds des Emissionshauses Wölbern Invest in Gefahr sah, verlor Schmidt seine Contenance.

Wölbern versuchte über einen Liquiditätspool Geld von einem Fonds in den anderen umzuschichten. Schnell organisierte Schmidt als 2012 gewählter Anlegerbeirat den Widerstand gegen Wölbern: „Wir wollten verhindern, dass unser Geld aus dem Immobilienfonds Österreich 04 an notleidende Fonds verliehen wird“, sagt Schmidt.

Unternehmerisches Risiko bis zum Totalverlust

Es kommt selten vor, dass sich Anleger gegen die Emittenten eines geschlossenen Fonds durchsetzen. Anders als Sparer in offenen Fonds, in die beispielsweise Aktien oder Anleihen eingekauft werden und die täglich an der Börse zu einem exakten und fairen Gegenwert verkauft werden können, tragen Investoren in geschlossenen Fonds ein unternehmerisches Risiko – bis hin zum Totalverlust. Geschlossen sind die Fonds deshalb, weil sie in der Regel eine Laufzeit zwischen 10 und 15 Jahren haben, währenddessen ein Ausstieg kaum oder nur zu hohen Abschlägen möglich und ein fairer Wert eher unbekannt ist.

Trotz dieser Konstruktion haben deutsche Anleger in den vergangenen Jahren insgesamt rund 200 Milliarden Euro in solch riskante Portfolios gesteckt. In 1,9 Millionen Beteiligungen hängt das Geld fest; zuletzt legten Sparer im Schnitt 25.350 Euro pro Neubeteiligung an. Einfach aussteigen geht nicht: Als im vergangenen Jahr das Hamburger Emissionshaus MPC Capital vorübergehend in Schieflage geriet, konnten sich nur die Aktionäre in Sicherheit bringen.

Anleger, die ihr Geld in geschlossene Beteiligungen, beispielsweise von MPC oder anderen Initiatoren, investiert haben, können dagegen ihre Anteile nur schwer losschlagen. Meist gelingt dies nur mit hohen Abschlägen.

Wenn sie solche Notverkäufe vermeiden wollen, müssen sie sich mit ihren Anbietern herumschlagen, so wie die Anleger des Fonds Österreich 04. Die betroffenen Anleger des Österreich-Fonds leisteten auch deshalb Widerstand gegen den Liquiditätspool, weil sie vermuten, dass sie nachträglich bereits getätigte Transfers absegnen sollen.

Etappenziel erreicht

Denn in einem aktuellen Schreiben von Wölbern an die Anleger heißt es, dass sie den „in diesem Zusammenhang stehenden durchgeführten vorbereitenden Maßnahmen und Transaktionen“ zustimmen sollen. Zudem befürchten viele Anleger, dass bisher intakte Fonds in den Sog maroder Beteiligungen geraten könnten. Wölbern schreibt dazu: „Dennoch kann ein Ausfall einzelner oder mehrerer teilnehmender Darlehensnehmer nicht ausgeschlossen werden...“ Wölbern gab bis Redaktionsschluss dazu keine Stellungnahme ab.

Mathematiker Schmidt boxte sich 2012 in den Anlegerbeirat des Österreich 04. Seither geht dieser gegen den Ursprungsgeschäftsführer vor: Es geht um angeblich ungültige Beschlüsse, manipulierte Wahlen und verweigerte Daten. Nach vorläufig zwölf Prozessen vornehmlich an Hamburger Gerichten haben die Anleger des Österreich 04 ein Etappenziel erreicht: Der Geschäftsführer wurde geschasst.

Leichtfertige Initiatoren

Inzwischen ist auch der Kampf zwischen Anlegern und der Fondsgeschäftsführung bei den übrigen Wölbern-Fonds entschieden: Die Wölbern Fondsmanagement GmbH ist insolvent. Mit Bernd Depping von der Kanzlei dnp Depping wurde ein Insolvenzgeschäftsführer bestellt. Sein Vorgänger Heinrich Maria Schulte hat sein Amt als Geschäftsführer niederlegt. Laut Depping sollen die geschlossenen Fonds nicht vom vorläufigen Insolvenzverfahren der Fondsmanagement GmbH betroffen sein. Depping werde sich auch um die Geschäftsführung der einzelnen Fonds kümmern.

Ob die Anleger, die in Wölbern-Fonds investiert haben, tatsächlich ungeschoren davon kommen, bleibt fraglich. Nach einem Bericht des „Handelsblatt“ sollen bei einem Immobilienprojekt eines Wölbern-Fonds in München mehrere Millionen Euro an den Anlegern vorbei geschleust worden sein. Wie viel Geld aus den Fonds insgesamt versickert ist, ist derzeit noch unklar.

Weitere umstrittene Vorgänge wie bei den Fondsinitiatoren S&K, deren Chefs sich derzeit in Untersuchungshaft befinden, und Fairvesta tragen nicht gerade zum Vertrauen in die Branche der Beteiligungsfonds bei.

Verschärfte gesetzliche Regeln, Überkapazitäten bei Schiffen etwa oder die gekürzte Solarförderung in Deutschland machen den Anbietern geschlossener Fonds bereits das Leben schwer. Das Berliner Research-Haus Scope rechnet daher, dass die Fonds dieses Jahr 40 Prozent weniger Anlegerkapital einwerben als 2012. Einen Teil der Probleme haben sich die Initiatoren selbst eingebrockt. Zwar war die Finanzkrise nicht vorherzusehen. Aber es war leichtfertig, das Wachstum von Mieten oder Frachtraten linear fortzuschreiben.

Immer mehr Notverkäufe

Insbesondere Schiffsfonds sind in einen Abwärtsstrudel geraten. Weil der Leitindex Baltic Dry zur Messung der Frachtraten seit Ende 2009 zeitweise um zwei Drittel eingebrochen ist, kommen immer mehr Schiffe unter den Hammer. Das Hamburger Analyseunternehmen Deutsche Fonds Research zählte allein im ersten Halbjahr 2013 rund 100 Notverkäufe von Schiffen, die von geschlossenen Fonds finanziert wurden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr zuvor wurden insgesamt nur 86 Schiffe ausgemustert. In diesem Jahr erwischte es die Hamburger Schiffsfondsanbieter GHF und EEH Elbe (siehe Tabelle).

Milliarden im Pleitestrudel - insolvente geschlossene FondsWelche Anbieter geschlossener Fonds in diesem Jahr Insolvenz anmeldeten, wie viel Anlegergeld in Gefahr istEmissionshausInvestmentsAnlagevolumenDCMImmobilien4700 Mio. €GHFSchiffe2600 Mio. €EEH ElbeSchiffe100 Mio. €*S&K SachwerteImmobilien100 Mio. €* nur Eigenkapital; Quelle: eigene Recherchen

Dass den Überlebenden der Beteiligungsbranche nun oft das Wasser bis zum Hals steht, zeigt der Fall des Dortmunder Beteiligungshauses Dr. Peters. Das forderte von seinen Investoren bereits geleistete Ausschüttungen aus einem Schiffsfonds zurück.

Zwei Anleger weigerten sich und klagten erfolgreich bis zum Bundesgerichtshof. Allein der Umstand, dass die Beträge unabhängig von einem erwirtschafteten Gewinn ausgeschüttet wurden, lässt keinen Rückzahlungsanspruch entstehen, urteilten die Richter (Az.: II ZR 73 11 und II ZR 74 11). Nach den BGH-Urteilen meldete der Dr. Peters jedoch für mehrere Schiffsfonds Insolvenz an.

Banken fürchten um ihre Kredite

Auch Gertrud Wiesinger (Name von der Redaktion geändert) könnte mit ihren Beteiligungen Schiffbruch erleiden. Die Selbstständige erbte 2004 von einem verstorbenen Verwandten aus Italien rund 70.000 Euro. Das Geld wollte die über 70-jährige Frankfurterin für ihre Altersvorsorge zurücklegen. Ihre Hausbank empfahl drei geschlossene Fonds, zwei von Wölbern (Holland 52, Real Estate Deutschland 01) und einen weiteren von MPC (Sachwert Rendite Fonds Holland 50).

Anfangs lief es durchaus rund, die Fonds zahlten pünktlich ihre Ausschüttungen. Von 2011 an gab es jedoch kein Geld mehr. Wiesinger soll nun ebenfalls bereits erhaltene Gewinne zurückzahlen, um die Fonds zu stützen. Dagegen geht die Unternehmerin nun anwaltlich vor.

Die Rückzahlungsforderungen der Initiatoren gehen vor allem auf den Druck der Banken zurück, die um ihre Kredite fürchten. „Der Ton gegenüber den Anlegern wird rauer“, sagt Anwalt Alexander Schaal in der Kanzlei von Buttlar in Stuttgart. Wo früher gebeten wurde, werde jetzt gefordert. Anderenfalls, so die Drohung, sei der Totalverlust der Einlage nicht mehr zu verhindern.

Anleger sind nicht wehrlos

Banken, die über Kredite Schiffe oder Windparks mitfinanzieren, haben über ihre Sicherheiten wie etwa Hypotheken als erste Zugriff auf die Vermögenswerte des Fonds. Deshalb müssen Anleger bei einem Notverkauf von Schiffen, Flugzeugen oder Immobilien mit hohen Verlusten rechnen.

Fatal für Investoren: Die Fondsmacher bringen einzelne Pleiten nicht in Bedrängnis. Denn deren Vertrieb hat die Provision – oft mehr als zehn Prozent – längst kassiert, die Projektierungskosten sind eingefahren, und die Verwaltungsgebühren sind auch dann weiter geflossen, während der Fonds schon Verluste machte. Allerdings sind die Anleger nicht völlig wehrlos. Der Gesetzgeber, Gerichtsurteile und nicht zuletzt die Gesellschafterverträge setzen eigenmächtigen Initiatoren inzwischen harte Grenzen.

Neuer rechtlicher Rahmen

Es dauerte allerdings bis Juli dieses Jahres, ehe der Gesetzgeber den geschlossenen Fonds einen rechtlichen Rahmen verpasste. Nach dem neuen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) müssen Fondsanbieter neuerdings eine interne Revision einrichten und vor allem eine Bank oder eine Treuhandfirma engagieren, welche die Ein- und Auszahlungen des Fonds überwacht. Und sie sollen bewerten, „ob Kauf- und Verkaufspreise der Assets – Immobilien oder Schiffe – angemessen sind“, erklärt Frank Herring, Partner der Kanzlei Allen & Overy in Frankfurt. Zudem müssen Anbieter geschlossener Fonds bis zum 21. Juli 2014 eine Zulassung bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beantragen. Nur wer als Fondsmanager bestimmte Mindestkriterien, etwa Zuverlässigkeit und berufliche Qualifikation, erfüllt, soll künftig von den BaFin-Aufsehern als Anbieter zugelassen werden.

Das Problem: Wer als Initiator weniger als 100 Millionen Euro Anlegerkapital verwaltet, muss die neuen Vorgaben nicht erfüllen. Das sei „unter Anlegerschutzgesichtspunkten unverständlich“, sagt Herring. Hinzu kommt: Das KAGB enthält kaum Vorgaben zu Gesellschafterverträgen, in denen zahlreiche gefährliche Klauseln schlummern. „Hier müsste die Bundesregierung für klare Standards sorgen“, fordert Patrick Elixmann, Anlegeranwalt bei der Kanzlei Göddeke in Siegburg. Damit können die Anbieter weiterhin die Verträge mehr oder weniger frei gestalten. Anleger sollten vor einem möglichen Investment den Gesellschaftsvertrag streng prüfen. Wichtig ist auch, wie die Lasten einer Sanierung verteilt sind. Kritisch wird es, wenn ausschließlich die Anleger mit ihrem Eigenkapital zur Kasse gebeten werden, die Bank sich mit ihrem Kredit dagegen schadlos hält.

Kein Anreiz für bessere Konzepte

Geht es hart auf hart, dann ist eine Abwahl der Geschäftsführer oft die einzige Chance für Anleger, um noch an ihr Geld zu kommen. „Geschäftsführer und Anleger haben in der Regel entgegengesetzte Interessen“, moniert der Berliner Anlegeranwalt Timo Gansel.

Anleger von Windkraftfonds, die zwischen 1997 und 2005 aufgelegt wurden, wissen das sehr gut. Denn obwohl die meisten Fonds wegen teurer Reparaturen an den Anlagen und falscher Windprognosen schlecht laufen – rund 60 Prozent von ihnen liegen unter Plan, schätzt Christian Herz vom Windparkmanager Ökofair Energie –, versuchen Geschäftsführer selten, das Ruder noch herumzureißen. Eine Option wäre, ineffiziente Windräder durch neuere zu ersetzen. Solange aber die Verwaltungsgebühren erfolgsunabhängig fließen, haben die Fonds keinen wirklichen Anreiz, um ein besseres Konzept zu entwickeln.

Widerstand der Initiatoren bröckelt

Wittern die Fondsgeschäftsführer allerdings Meuterei, schlagen sie mit juristischen Mitteln hart zurück. Bis vor zwei Jahren verweigerten viele Initiatoren, Daten der übrigen Gesellschafter weiterzugeben. Der Widerstand konnte sich so nicht organisieren. Erst als der Bundesgerichtshof 2011 den Anspruch der Gesellschafter auf die Daten anderer Anleger bestätigte, bröckelte der Widerstand der Emissionshäuser (BGH II ZR 187/09). Trotz BGH-Entscheid weigerte sich Wölbern unter Hinweis auf den Datenschutz aber bis heute, die Daten der übrigen Anleger an den geprellten Christoph Schmidt weiterzuleiten.

Schmidt ließ sich dadurch aber nicht entmutigen und ermittelte auf eigene Faust „einzelne Namen mühsam über Handelsregisterauszüge“. Inzwischen weist Wölbern in Schreiben an die Anleger auf die Urteile des BGH hin. Andere Initiatoren schreckt die Rechtsprechung des BGH offenbar immer noch nicht. Diese Erfahrung macht zumindest Anlegeranwalt Elixmann: „Ich musste bei mehreren Windkraftfonds die Herausgabe von Adressen erst gerichtlich durchsetzen.“

Einfluss der Anleger wird vermieden

Allein mit den Adressen anderer Teilhaber ist noch nicht viel gewonnen. Zur Rebellion gewillte Anleger müssen danach erst noch die schwerste Hürde nehmen – eine Mehrheit gegen die Fondsgeschäftsführung zu gewinnen. Laut Gesellschaftervertrag sind oft 75 Prozent der Anteilseigner notwendig, um einen neuen Geschäftsführer installieren zu können. Erschwerend kommt hinzu, das sich manche Initiatoren bei Auflage der Fonds solche Gesellschafter ins Boot holen, von denen keine große Opposition zu erwarten ist. So werden beispielsweise gerne Chefs von Finanzvertrieben beteiligt – sie haben kein Interesse, den Geschäftsführer, der sie nährt, abzusetzen. „Fondsanbieter wollen unbedingt vermeiden, dass Anleger Einfluss nehmen können“, sagt Anwalt Gansel.

Aber nicht immer gelingt das. Tapfer kämpften im vergangenen Jahr 175 Anleger gegen das Management des Windparks Erfurt-Möbisburg. Ein großer Teil des Anlegergelds ging für Vertrieb, Verwaltung und weitere Nebenkosten drauf. Die Gesellschafter schafften es, eine Mehrheit zu organisieren und setzten im Mai 2011 den Geschäftsführer und Ventimotor-Chef Stephan Hloucal ab. An seine Stelle rückte der unabhängige Windparkmanager Ökofair Energie Mettmann.

Streitfälle häufen sich

Hloucal zog gegen den Beschluss der Gesellschafter bis vors Oberlandesgericht Jena, aber ohne Erfolg (2 U 650/11). Derartige Streitfälle häufen sich: „Selbst eindeutige Gesellschafterbeschlüsse werden immer wieder angefochten“, berichtet Elixmann, der die Möbisburg-Anleger beraten hat. Beim Windpark Amesdorf-Wellen in Sachsen-Anhalt hätten die Anleger auf jeder Gesellschafterversammlung in den zurückliegenden drei Jahren die Geschäftsführer erneut abwählen müssen, weil vorherige Absetzungsbeschlüsse angefochten worden waren, berichtet Elixmann. Dies habe eine wahre Prozessflut ausgelöst. Ruhe hätten die Anleger wohl erst, wenn der Fall vor dem Bundesgerichtshof lande landen würde.

Schmidt und seine Mitstreiter sind davon nicht mehr weit entfernt. Im Juli hat das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen die Absetzung des Fondsgeschäftsführers abgewiesen. Der Fall Wölbern zeigt auch exemplarisch, um was es vielen kriselnden Emissionshäusern geht: um einen Verkauf des Restvermögens, im Fall von Wölbern um die Immobilien.

Anleger fürchten um schnelle Abwicklung

Je mehr Fondsanleger einem Verkauf der Immobilien zustimmen, desto schneller wäre der Hamburger Initiator seine Altlasten los und könnte mit neuen Produkten wieder höhere Gebühreneinnahmen in die eigene Bilanz schaufeln.

Ähnlich sieht in es Düsseldorf aus. Bei Westfonds, einer Tochter der beiden WestLB-Nachfolgegesellschaften Portigon und Erste Abwicklungsanstalt, fürchten Anleger, dass die Firmengruppe das Fondsgeschäft möglichst schnell abwickeln will – und dafür sogar bereit ist, die Immobilien zulasten der Anleger unter Wert zu verkaufen. Nachdem kritische Anleger des von Westfonds aufgelegten Fonds RWI 25 alle übrigen Gesellschafter angeschrieben haben und so das nötige 25-Prozent-Quorum für eine außerordentliche Gesellschafterversammlung erreicht hatten, verschickte Westfonds ebenfalls ein Rundschreiben – verbunden mit der Bitte, die Zustimmung zurückzuziehen.

Wie es mit der Büroimmobilie in Düsseldorf nun weitergehen soll, ist offen. Von der NRW-Landesregierung als ehemalige Patronin der WestLB können die Anleger keine Hilfe erwarten. Sollte Westfonds gegen Anlegerinteressen verstoßen haben, stünde den Betroffenen der Rechtsweg offen, so die Landesregierung. Für ein Eingreifen der Politik sehe sie keine Notwendigkeit. Die Landesregierung bestreitet zudem, dass die von Westfonds gehaltenen Immobilien unter Zeitdruck verramscht werden müssten.

Schnelle Erlöse unter dem Marktwert

Notverkäufe aus geschlossenen Fonds haben einen, wenn auch überschaubaren Vorteil: Geld fließt relativ schnell zurück. Allerdings ist der Preis dafür ein Erlös, der in der Regel deutlich unter dem Marktwert liegt. Denn Kaufinteressenten wissen um die Not der Verkäufer und verhandeln den Preis der Objekte hart nach unten.

Ove Franz, Ex-Vorstand der Wölbern Bank, der selbst noch eine halbe Million Euro in zwei Immobilienfonds seines ehemaligen Arbeitgebers stecken hat, stimmte trotzdem einem Notverkauf des Immobilienfonds Holland 56 zu. „Wir sahen keine Alternative, weil die Mietverträge für die Fondsimmobilien 2014 ausgelaufen wären“, sagt Franz.

Allerdings sind die Ertragsaussichten nicht für alle Fonds gleichermaßen schlecht. Wo die Perspektiven besser sind, lohnt es sich, um die Weiterführung des Fonds zu kämpfen – oder zumindest um eine geordnete Abwicklung des Portfolios.

Falsch beraten

Wenn der Fonds nicht mehr zu retten ist, bleiben Anlegern immer noch zwei Alternativen: entweder dass komplette Geschäft per Klage rückabwickeln zu lassen oder die Fondsanteile auf dem Zweitmarkt zu verkaufen.

Ist ein Emissionshaus insgesamt in Schieflage geraten, dann sollten sich die Anleger vornehmlich an die Banken und Anlageberater wenden, die ihnen die geschlossenen Fonds verkauft haben. Deren Berater haben ihre Kunden bisweilen nicht hinreichend auf Risiken hingewiesen oder auch Provisionen (Kick-Backs) verschwiegen. Der Erbin Wiesinger etwa hatte der Bankberater die riskanten Beteiligungen empfohlen, obwohl sie kundgetan hatte, eine sichere Altersvorsorge zu suchen. Auch vom Risiko, die komplette Einlage zu verlieren, hätte ihr der Bankberater nichts gesagt, sagt sie. Juristen sprechen in solchen Fällen von Falschberatung.

Jeder für sich selbst

Jeder Anleger muss dabei für sich allein kämpfen. „Wird in einem Fall ein Anlageberater wegen Falschberatung zu Schadensersatz verurteilt, dann heißt das nicht, dass auch alle anderen Kunden, die den Fonds bei der Bank gekauft haben, ihr Geld zurückbekommen“, sagt Adrian Wegel, Anwalt in der Kanzlei Bouchon Hemmerich & Partner in Frankfurt.

Die Richter schauen sich jeden Fall genau an. Wie ist die Beratung gelaufen? Wie viel Erfahrung hat der Anleger mit riskanten Kapitalanlagen? Wann hätte der Bankkunde die Falschberatung erkennen können? Schließlich sind Schadensersatzansprüche in der Regel nach drei Jahren verjährt.

Nicht alle Gerichte sind anlegerfreundlich

Anleger sollten sich deshalb genau prüfen, bevor sie klagen. Denn ohne eine Rechtsschutzversicherung oder einen Prozessfinanzierer sprengen die Kosten des Verfahrens spätestens in der zweiten Instanz den Rahmen eines Kleinanlegers. Zudem besteht immer noch die Gefahr, dass der Anleger den Prozess verliert, denn nicht alle Gerichte sind gleichermaßen anlegerfreundlich. Dann müssen die Kläger auch noch die Anwaltskosten der Gegenseite tragen.

Bei einem geringen Streitwert, schmalem Geldbeutel und einem schwer kalkulierbaren Prozessrisiko kann ein Verkauf über den Zweitmarkt für geschlossene Fonds die bessere Alternative sein. Allerdings lassen sich die Fondsanteile anders als etwa Aktien nicht per Mausklick losschlagen.

Denn der von den Börsen Hamburg, Hannover und München betriebene Zweitmarkt für geschlossene Beteiligungen ist nicht sehr liquide. Im vergangenen Jahr setzte er lediglich 146 Millionen Euro um, die sich auf etwa 4300 Geschäfte verteilten. Am Zweitmarkt nehmen wenige Interessenten die Anteile meist nur gegen hohe Abschläge ab.

So liegt der Durchschnittskurs der am Zweitmarkt gehandelten Schiffsbeteiligungen zwischen 20 und 30 Prozent. Bei Immobilienfonds liegt der Kurs zwischen 40 und 50 Prozent.

Anleger müssen also spitz rechnen, was sich lohnt: entweder die bereits gezahlten Ausschüttungen zu behalten und den Fonds am Zweitmarkt mit Verlust zu verkaufen – oder weiter Geld nachzuschießen und auf einen höheren Erlös bei einem späteren Verkauf der Sachwerte zu hoffen.

Für Anleger in Wölbern-Fonds ist der Notausstieg über den Zweitmarkt jedoch verschlossen: Derzeit sind die Fondsanteile vom Handel ausgesetzt. Den Betroffenen bleibt also nur, juristisch für ihre Interessen zu kämpfen.

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