Italiens Präsident beauftragt Ex-EZB-Chef Draghi mit Regierungsbildung
Rom (Reuters) - Der italienische Präsident Sergio Mattarella hat den früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi mit der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit beauftragt.
Italien befinde sich in einer schwierigen Lage, sagte Draghi nach dem Treffen mit dem Staatsoberhaupt am Mittwoch. Er sei aber zuversichtlich, dass es ihm gelingen werde eine Regierung zu bilden, um die Herausforderungen zu meistern. Mattarella hofft, dass eine von Draghi geführte Regierung aus unabhängigen Experten die notwendige Unterstützung der Parteien gewinnt, um das Land aus der Corona- und der Wirtschaftskrise zu führen. Gelingt dies nicht, bliebe als Alternative eine Neuwahl spätestens im Juni. Die will der Präsident aber mitten in der Krise vermeiden. Auf welche Parteien sich Draghi stützten könnte, war zunächst unklar. International genösse eine von Draghi geführte Regierung sicherlich großes Ansehen. Er war bis Oktober 2019 Präsident der Europäischen Zentralbank und gilt als Retter des Euro inmitten der Schuldenkrise im Jahr 2012.
Die Anti-Establishment-Bewegung 5 Sterne, die die bisherige Regierungskoalition des parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte anführt, hat bereits erklärt, sie werde Draghi nicht unterstützen. Die 5 Sterne sind seit der Wahl 2018 die stärkste Kraft im Parlament, würden Umfragen zufolge bei einer vorgezogenen Wahl aber deutlich verlieren. Dass sie einen früheren EZB-Chef mittragen, würde die 5 Sterne wohl zerreißen.
Das Augenmerk richtet sich also auf die beiden nächstgrößeren Parteien - die rechte Lega und den sozialdemokratischen Partito Democratico (PD). Beide sind erbitterte politische Gegner. Womöglich könnten sie sich aber zusammenraufen, um eine Expertenregierung unter Draghi zu stützen. Der PD, zweitgrößter Koalitionspartner unter Conte, trägt Mattarellas Schritt weitgehend mit. Eine bedingungslose Unterstützung bieten die Sozialdemokraten jedoch nicht an. "Der PD muss darüber nachdenken, was in Bezug auf die Vorhaben anderer zu tun ist", sagte PD-Vize Andrea Orlando.
Die rechte Lega unter Matteo Salvini, die 2018 die erste Regierung Conte zusammen mit den 5 Sternen gebildet hatte, könnte Draghi durchaus mittragen. Noch vor dem Auftrag Mattarellas an den 73-Jährigen hatte Salvini erklärt, seine Unterstützung hänge von den Plänen des neuen Ministerpräsidenten ab. "Er muss sagen, was er vorhat", sagte Salvini dem "Corriere della Sera".
Contes zweite Koalition aus 5 Sternen und PD sowie weiteren kleinen Parteien war vor drei Wochen zerbrochen. Der Partner Italia Viva des früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi hatte sie im Streit über die Verwendung der EU-Corona-Hilfen aufgekündigt. Conte hatte bei Vertrauensabstimmungen im Parlament nur in einer der beiden Kammern eine absolute Mehrheit erhalten. Eine breite und stabile Unterstützung ist aber in der Corona- und Wirtschaftskrise von großer Bedeutung.
Dass Italien von Experten-Regierungen geführt wird, ist nicht ungewöhnlich. Zuletzt hatte 2011 der frühere EU-Kommissar und Ökonom Mario Monti den Auftrag erhalten, an der Spitze parteiunabhängiger Fachleute das Land aus der Schuldenkrise zu führen. Allerdings wandten sich zahlreiche Abgeordnete bald von ihm ab, weil sie seinen Sparkurs für zu drastisch hielten.
Heute leidet Italien besonders schwer unter der Corona-Pandemie, und die massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Kampf gegen das Virus haben die Wirtschaft gebremst. 2020 brach die Konjunktur in der nach Deutschland und Frankreich drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone um 8,8 Prozent ein und damit so stark wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.