Kutzers Zwischenruf: Aktive Anleger handeln in unsicheren Zeiten kurzfristig

Hermann Kutzer · Uhr

Die Börsenlage ist komplex und kompliziert - und bleibt es wohl noch für einige (nicht absehbare) Zeit. Deshalb sollten Sie, geschätzte Anleger, für sich entscheiden, ob Sie ähnlich wie ein Großteil der institutionellen Großanleger agieren wollen: Man versucht zwar möglichst weit in die Zukunft zu blicken, geht als kurz- bis mittelfristiger Anleger aber an der Börse schnell rein und vorsichtshalber auch schnell wieder raus. Flexibilität ist hier Trumpf. Zum wiederholten Mal sei betont, dass die wirklich langfristige Aktienanlage (über viele Jahre) von solchen Überlegungen nicht beeinträchtigt werden sollte.

Aktueller Anlass ist der heutige Schwächeanfall des Dax, der zuvor doch fulminant neue Höchststände erklommen hatte. Bekanntlich breitet sich bei vielen Vordenkern inzwischen ja die Einschätzung aus, dass das Corona-Virus zwar schlimm ist, seine schädlichen Einflüsse auf die chinesische und Weltwirtschaft dennoch im Jahresverlauf wieder überwunden werden können. Eine gängige Meinung, mehr nicht. Skeptiker sehen allerdings nach wie vor Rezessionsgefahr für Deutschland.

Für unseren Aktienmarkt spielen aber nicht allein die Pandemiefolgen eine Rolle, nachdem heute aus China eine deutliche Steigerung der Infektionsfälle gemeldet wurde. Zudem müssen sich die Börsianer nämlich mit Krisenbranchen wie Autos, Banken und Stahl beschäftigen. Außerdem kommen jetzt auch innenpolitische Belastungen hinzu. So beschreiben britische Analysten die Gefahr, dass sich Deutschland weiter polarisiert und in Bezug auf politische Initiativen noch mehr stagniert - alles in allem sollten Investoren der deutschen Politik lieber früher als später mehr Aufmerksamkeit schenken.

Schnell rein, schnell raus - das ist vorläufig eine sinnvolle Taktik, ohne die langfristig bullische Strategie im Zuge von Vorsorgeinvestments und Aktien- bzw. Fondssparplänen aufzugeben. Interessant die jüngsten Beobachtungen der Verhaltensanalysten an der Börse Frankfurt: Denn ihr Sentiment-Index der mittelfristig orientierten institutionellen Investoren ist bis zur Wochenmitte drastisch zurückgefallen. Mit anderen Worten: Der ohnehin nicht überbordende Optimismus der Vorwoche ist wieder verschwunden. Dabei sind fast alle Akteure, die im Rahmen der wöchentlichen Erhebung das Bärenlager verlassen hatten, wieder dorthin zurückgekehrt.

Deshalb bekräftige ich meine Empfehlung, nicht nur ein einziges Wertpapierdepot zu führen, sondern seine Anlagen je nach Zielsetzung zu trennen. Wer schon in ein bis zwei Jahren Renditen einfahren möchte, sollte - abgesehen vom nachrichtenorientierten Stockpicking - schwächere Tage zu Käufen nutzen und im Aufschwung Gewinne kurzfristig realisieren. Dabei würde ich die Wall Street (wg. Trump-Folgen) zulasten deutscher Aktien (wg. GroKo-Unsicherheiten) favorisieren.

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