Kutzers Zwischenruf: Prognosen, Prognosen … aber nichts ist sicher

Hermann Kutzer · Uhr

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Beobachten Sie laufend die Vorhersagen, aber vertrauen Sie ihnen nicht! Denn die Vielzahl von Analysen, Meinungen und Prognosen ist per se kein Garant für Zuverlässigkeit. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, dass wir mit häufigen Korrekturen leben müssen - allein dadurch entwickelt sich so etwas wie eine Inflation der Prognosen. Sie verlieren also an Wert. Vor dem Jahreswechsel wirken sich saisonale Einflüsse zusätzlich aus (Vorhersagen für das neue Jahr). Was die Prognosen (auch für die Anleger) gerade in diesem Ausnahmejahr wert sind, wissen wir erst im Nachhinein.

Bei allen Revisionen und Unterschieden der Experten in der Beurteilung von Lage und Aussichten hat sich mehrheitlich ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Optimismus durchgesetzt. Seit Wochen entscheidend für die Stimmungslage ist der Hoffnungsfaktor Corona-Impfstoff geworden - die aktuell wichtigste Stütze für den Aktienmarkt. Aber: Nicht wenige Prognose werden trotz gewachsener Zuversicht auch mit Vorbehalten oder sogar Warnungen durchsetzt. Es bleiben also Zweifel, dass die Pandemie-Krise tatsächlich wie erwartet überwunden werden kann.

Eindeutig positiv äußerte sich jetzt das arbeitgebernahe IW-Institut. Demnach dürfte die deutsche Wirtschaft Ende kommenden Jahres wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen. Denn wenn das Impfen gut anläuft und die Infektionszahlen sinken, werden die Menschen zuversichtlicher und konsumieren und investieren mehr. Dazu passen die monatlichen ZEW-Konjunkturindikatoren. Die Erwartungen steigen wieder. Damit haben die Konjunkturerwartungen den starken Rückgang des Vormonats zu einem großen Teil wieder ausgeglichen. Die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland hat sich allerdings erneut verschlechtert. Wie das Statistikamt Eurostat meldet, ist der Corona-Einbruch trotz des starken Wachstums im Sommer noch nicht wettgemacht. Zuletzt haben sich die Konjunkturaussichten wieder eingetrübt, da viele Staaten neue Corona-Maßnahmen beschlossen haben. Ökonomen halten es für möglich, dass die Euroraum-Wirtschaft im vierten Quartal erneut schrumpft, allerdings bei weitem nicht so stark wie im Frühjahr.

Die deutschen Maschinenbauer schöpfen nach dem Corona-Krisenjahr zunehmend Hoffnung. Die exportorientierte deutsche Schlüsselindustrie rechnet im kommenden Jahr mit einem Produktionszuwachs von 4 Prozent, statt des bisher erwarteten Plus von 2 Prozent. Allerdings sei diese Prognose in höherem Maße unsicher als sonst, heißt es dazu. Und als weiteres Beispiel sagen die Investmentstrategen von Carmignac: Wenn sich die Situation an den Märkten klärt, könnte sich die Rückkehr zur Normalität paradoxerweise komplexer gestalten, als es zunächst den Anschein hat. Es bedarf einer langanhaltenden Konjunkturerholung, um den enormen Schaden wieder wettzumachen, den die bereits von schwachem strukturellen Wachstum geprägte Weltwirtschaft im Jahr 2020 erlitten hat.

Mir gefällt die spontane Stellungnahme der DZ Bank von heute: Die Finanzmarktteilnehmer legen große Hoffnungen in eine rasche Verbreitung des Impfstoffes in Deutschland. Bei der ZEW-Umfrage schwingt viel Optimismus mit. Ob die Impfungen tatsächlich bereits in sechs Monaten einen Stand erreicht haben, der eine wirtschaftliche Öffnung ermöglicht, ist fraglich. Auch das Risiko eines erneuten „harten“ Lockdowns spielt für die befragten Marktteilnehmer bislang kaum eine Rolle.

Versuchen Sie also Mut zur Zuversicht mit Vorsicht vor Enttäuschungen zu verbinden, geschätzte Anleger!

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