Kutzers Zwischenruf: Was die Anleger von den Aktienkursen erwarten

Hermann Kutzer · Uhr

Hallo allerseits! „Aktienkurse werden nicht nur von Erwartungen in die Zukunft beeinflusst, sondern auch von den Erwartungen an diese Erwartungen.” Ein nicht so oft gebrauchter Spruch, der aber andeutet, dass es an der Börse nicht nur um Fakten, sondern ebenso um Hoffnungen und Ängste, um Gefühle und Psychologie geht. Und je schneller das Geschäft durch Algorithmen und Hochfrequenzhandel geworden ist, umso schneller müssen die Akteure agieren und reagieren. Was das bedeutet? Ein Beispiel aus dem Devisenhandel, das man auch auf das Aktien-Trading übertragen kann: Vor Jahren hat eine umfangreiche Studie internationaler Universitäten gezeigt, dass „Quick reaction time“ für Händler höchste Priorität hat. Damals erklärte mir ein Marktteilnehmer: „Wenn wichtige Nachrichten erwartet werden, beispielsweise Zentralbankbeschlüsse oder wichtige Konjunkturindikatoren, kann ich nicht mehr auf deren Bekanntgabe warten und mir dann überlegen, was ich davon zu halten habe. Nein, ich überlege mir, wie die Märkte je nach Ergebnis der Meldung reagieren werden und bereite mich darauf vor. Und wenn dann die Mehrheit spontan Dollars kauft, mache ich das auch und verkaufe nicht gegen den Markt.“

Da geht es mitunter um Sekunden oder sogar Sekundenbruchteile. Und man kann leicht nachvollziehen, dass sich die Börse in ihrer Erwartungshaltung nicht selten erst einmal „irrt“, d.h. dass die tatsächlichen Folgen erst später klar werden - das schlägt sich wiederum in den Kursen nieder. Insofern macht es Sinn, neben den Kursen im Einzelnen und den Trends insgesamt auch die Stimmungsveränderungen zu beobachten. Dazu gehören entsprechende Indikatoren (z.B. VDax-New) und regelmäßige Sentiment-Analysen durch Umfragen bei den Anlegern.

Die neue wöchentliche Stimmungserhebung der Börse Frankfurt zeigt zweierlei. Zum einen haben die vormals überwiegend gut positionierten institutionellen Anleger nicht nur ihre teils deutlichen Dax-Gewinne durch die Korrekturbewegung realisiert. Zum anderen scheint sich gerade wegen dieses Gefühls, auf der richtigen Seite der Marktentwicklung gelegen zu haben, auch die Einschätzung des internationalen Handelskonflikts entsprechend angepasst zu haben: Das Schlimmste scheint überstanden zu sein, und zum Äußersten wird es nicht kommen, so die zuversichtliche Haltung vieler Akteure.

Klingt eigentlich gut, doch dann schränken die erfahrenen Stimmungsanalysten in der Main-Metropole ein: Allerdings stellt der jüngste Optimismus, der sich zudem noch auf dem höchsten Stand dieses Jahres befindet, eine Belastung für das Börsenbarometer dar. Denn die Optimisten von heute würden einer Dax-Erholung durch etwaige Gewinnmitnahmen auf höherem Niveau im Wege stehen. Die eigentliche Gefahr ist jedoch, wenn bullischen Engagements durch unerwartete Ereignisse unter Druck gerieten.

Mein Fazit: Die aktuelle Stimmung unter den Anlegern ist kein zuverlässiger, stabiler Faktor für Anlageentscheidungen, sondern eine wechselhafte, kurzfristige (wenn auch interessante) Momentaufnahme.

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