Nein, wir Deutschen sind nicht reich – sind aber selbst daran schuld

Bernd Schmid · Uhr

Die Diskussion um Corona-Bonds scheint etwas abgeflacht zu sein. Sie wird aber ziemlich sicher wiederkommen. Und sie spaltet Europa.

Auf der einen Seite sind die hoch verschuldeten Staaten Frankreich oder Italien. Die Staatsschulden sind dort auf einem Niveau zwischen fast 100 % und fast 135 % des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Auf der anderen Seite stehen Staaten wie Holland, Deutschland und Österreich. In diesen Ländern beträgt die Staatsverschuldung zwischen rund 50 % und rund 60 %.

Erstere wollen die Vergemeinsamung der Schulden, Letztere nicht.

Ich kann auch das Argument verstehen, dass man zusammenhalten sollte, wenn man sich als Union sieht.

Allerdings wird bei dieser Diskussion scheinbar gerne der zweite Teil der Gleichung vergessen. Denn bei den Privathaushalten sieht es praktisch genau andersherum aus.

Normale Italiener und Franzosen sind dreimal reicher als wir

Der durchschnittliche Italiener (~92.000 US-Dollar bzw. ~260 % des BIP/Kopf) und der durchschnittliche Franzose (~102.000 US Dollar bzw. ~230 %) sind rund dreimal vermögender als der durchschnittliche Deutsche (~35.000 US Dollar bzw. ~74 %) und der durchschnittliche Holländer (~31.000 US Dollar bzw. ~56 %).

Hier die Zahlen im Überblick:

StaatsschuldenMedian-Vermögen / Kopf
Italien135 %260 %
Frankreich98 %230 %
Deutschland60 %74 %
Holland49 %56 %

Datenquellen: Tradingeconomics, Wikipedia und eigene Berechnungen. Angaben in % des jeweiligen BIPs.

Was fällt hier auf? Je ärmer diese Staaten, desto vermögender deren Bürger.

Oder: Über eine Vermögensabgabe könnten sich Italiener und Franzosen selbst helfen und wären hinterher trotzdem noch (deutlich) vermögender als wir. 

Jetzt habe ich wahrscheinlich keine italienischen und französischen Freunde mehr.

Man kann dem auch etwas entgegensetzen. Ich habe oben die Medianvermögen miteinander verglichen. Also die Vermögen derjenigen Bürger, die sich exakt in der Mitte ihrer eigenen Gesellschaft befinden - also zum Beispiel der Italiener (oder Franzosen etc.), der mehr besitzt als genau die Hälfte aller seiner Landsleute, aber weniger als die andere Hälfte.

Würde man sich die Durchschnittsvermögen anschauen, käme man zu keinem so stark ausgeprägten Unterschied (die Tendenz wäre immer noch vorhanden).

Das liegt allerdings daran, dass wir in Deutschland und Holland praktisch russische Verhältnisse haben - einige Reiche besitzen extrem viel im Vergleich zum Durchschnittsbürger. Bei den Franzosen und Italienern ist das Vermögen viel gleichmäßiger verteilt.

Was aber noch wichtiger ist: Wir Deutschen sind einfach selbst daran schuld.

Warum wir im Vergleich so arm sind und wie wir das ändern sollten

Wir Deutschen haben ein großes Manko. Wir sind sehr risikoavers. Deshalb trauen wir uns nicht, in wirklich vermögensbildende Anlageklassen zu investieren. Dafür gibt es harte Zahlen.

Laut Bundesbank besteht unser Geldvermögen fast zu vier Fünftel (77 %) aus Bargeld, Einlagen und Ansprüchen gegenüber Versicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen. Im Verhältnis zum BIP sind das 120 %. Der Anteil von Aktien zum Beispiel ist dabei ein Witz.

Das zeigt, was wir ändern müssen. Zumindest, wenn wir nicht jammern wollen, dass unsere Italienischen und französischen Freunde deutlich vermögender sind als wir, während gleichzeitig in der EU ernsthaft darüber diskutiert wird, dass die „reichen“ Deutschen und Holländer die „armen“ Italiener und Franzosen retten müssen.

Wir Deutschen gehen einfach viel zu wenig intelligent mit unserem Vermögen um. Wenn wir nur etwas weniger Geld auf zinslosen Tagesgeldkonten herumliegen lassen und ein paar Versicherungen weniger abschließen würden, dann würde es uns deutlich besser gehen.

Ich hoffe, dass über die Zeit immer mehr Menschen diese Lektionen lernen und das ändern werden.

Foto: Number1411 / Shutterstock.com

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