Pessimismus der Fed reißt Europas Anleger aus Sommer-Euphorie
Frankfurt (Reuters) - Eine zurückhaltende Konjunktureinschätzung der US-Notenbank Fed hat Europas Anleger am Donnerstag kalt erwischt.
Die Aussicht, dass die Wirtschaft doch länger brauchen könnte, bis sie die Folgen der Corona-Pandemie überwunden hat, bewegte einige Anleger dazu, nach den Kursgewinnen der vergangenen Wochen Kasse zu machen. Der Dax verlor am Vormittag 1,2 Prozent auf 12,817 Punkte, der EuroStoxx50 gab 1,4 Prozent nach auf 3270 Zähler.
Einige US-Notenbanker wiesen in der jüngsten Sitzung der Federal Reserve laut den am Mittwochabend veröffentlichten Protokollen darauf hin, dass der Aufschwung am US-Arbeitsmarkt schon jetzt an Fahrt verliere. Sie hielten daher zusätzliche Konjunkturstützen für nötig. Die Prognose der Fed passe nicht zu den steil nach oben gelaufenen Aktienindizes, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager bei der Vermögensverwaltung QC Partners. "Das Protokoll der Fed ist keine Überraschung. Die Anleger wollten bisher nur nicht wahrhaben, dass die wirtschaftliche Erholung so viel Zeit in Anspruch nehmen wird."
Der Dollar profitierte von den Mitschriften der Juli-Sitzung und legte zu einem Währungskorb 0,3 Prozent zu. Der Euro gab entsprechend nach und wurde mit 1,1811 Dollar 0,2 Prozent schwächer gehandelt. "Ganz so eilig wie es einige am Markt erwartet haben, hat es die Fed dann doch nicht mit einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik", schrieb Esther Reichelt, Devisenexpertin bei der Commerzbank. Die Zurückhaltung sei aber eher der anhaltenden Unsicherheit geschuldet, weil sich die Lage in der Pandemie ständig ändere. Es sei ihrer Einschätzung nach nur eine Frage der Zeit, bis die Notenbank den Geldhahn weiter aufdrehe.
Der Ölpreis gab nach, ein Barrel Nordseeöl der Sorte Brent (159 Liter) kostete mit 45,01 Dollar 0,8 Prozent weniger als am Mittwoch. "Der Anstieg der Corona-Neuinfektionen im Sommer hat die Erholung gebremst, und jeder, der noch an eine V-förmige Erholung glaubt, muss umdenken", sagte Hussein Sayed, Chef-Marktstratege beim Brokerhaus FXTM. Das Ölkartell Opec mit seinen Verbündeten erklärte am Mittwoch, die Nachfrage erhole sich langsamer als gedacht, und die Gefahr einer zweiten Welle in der Corona-Pandemie steige. Die Opec rief daher ihre Mitglieder auf, ihre Öl-Förderung zu drosseln, falls sie bislang über den vereinbarten Obergrenzen gelegen habe.
Zu den größten Verlierern am Aktienmarkt gehörten die Papiere des Auto- und Industriezulieferers Schaeffler mit einem Abschlag von bis zu 8,4 Prozent. Das mittelfränkische Unternehmen bereitet eine womöglich milliardenschwere Kapitalerhöhung vor und will bis zu 200 Millionen neue Vorzugsaktien ausgeben. Zu der Frage, warum im Einzelnen das Unternehmen nun überraschend die Notwendigkeit sieht, sich kurzfristig Geld an der Börse zu besorgen, hielt sich Konzernchef Klaus Rosenfeld bedeckt. Frank Schneider vom Wertpapierhandelshaus Alpha Trading sagte, es sei erklärungsbedürftig, wofür das Geld benötigt werde.
Ein Bericht über eine mögliche Fusion mit dem Rivalen InterContinental Hotels trieb die Aktien des französischen Hotelbetreibers Accor um bis zu fünf Prozent nach oben. Einem Bericht der französischen Zeitung "Le Figaro" zufolge erwägt Accor seit Juni einen Zusammenschluss mit dem britischen Konkurrenten. Die Experten von Credit Suisse schrieben dazu, der wichtigste Beweggrund wäre, zentrale Kosten zu reduzieren. In vielen Ländern und Segmenten ergänzten sich die beiden Unternehmen. Etwas mehr Überschneidungen gebe es im Luxussegment.