Russland mischt im Migrationsstreit zwischen EU und Belarus mit

Reuters · Uhr

- von Alan Charlish und Robin Emmott und Alexander Ratz

Suprasl/Warschau/Berlin (Reuters) - Der Migrationsstreit zwischen dem EU-Mitglied Polen und Belarus weitet sich aus.

Russland trat am Mittwoch als Unterstützer des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko verstärkt auf den Plan. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem Telefonat dazu auf, seinen Einfluss auf Lukaschenko geltend zu machen. Derweil versuchen Hunderte auf der belarussischen Seite festsitzende Migranten weiter, über die mit 3000 zusätzlichen polnischen Soldaten geschützte Grenze zu gelangen.

"Die Bundeskanzlerin unterstrich, dass die Instrumentalisierung von Migranten gegen die Europäische Union durch das belarussische Regime unmenschlich und vollkommen inakzeptabel sei und bat den russischen Präsidenten, auf das Regime in Minsk einzuwirken", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Putin wiederum entgegnete Merkel, dass die EU-Staaten sich in dem Konflikt direkt an die belarussische Regierung wenden sollten, wie Putins Büro mitteilte.

Zugleich untermauerte Russland demonstrativ seine Unterstützung für die Führung in Minsk. Außenminister Sergej Lawrow empfing in Moskau seinen belarussischen Amtskollegen Wladimir Makei. Zudem überflogen zwei russische Kampfflieger den belarussischen Luftraum. Das Verteidigungsministerium in Moskau sprach von einem Test der gemeinsamen Flugabwehr beider Länder.

WARNUNG VOR HUMANITÄRER KATASTROPHE

Ein Sprecher des russischen Präsidialamts machte die Europäische Union (EU) verantwortlich für die Lage der Migranten an der Grenze. Er warnte vor einer humanitären Katastrophe und warf der EU einen Verstoß gegen deren eigenen Werte vor. Mit der geplanten Teilschließung der polnischen Grenze versuche die Staatengemeinschaft Belarus zu "erdrosseln". Empört äußerte sich der Kreml-Sprecher über eine Bemerkung von Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki. Dieser hatte am Dienstag gesagt, der "Drahtzieher" der Krise sitze in Moskau.

Tausende von Menschen sind in dieser Woche an die polnisch-belarussische Grenze vorgerückt. Es wurden Beschwerden laut, dass Grenzschutzkräfte auf beiden Seiten die Migranten bei Minusgraden und schlechter Nahrungsmittelversorgung hin und her schickten. Videoaufnahmen zeigten, dass sich Babys und Kleinkinder unter den Menschen befanden. Manche von den Migranten hatten versucht, die Stacheldrahtzäune mit Schaufeln und Holzbalken zu durchtrennen. "Es war keine ruhige Nacht. In der Tat gab es viele Versuche, die polnische Grenze zu durchbrechen", sagte Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak am Mittwoch dem Sender PR1. Seinen Worten zufolge wurde die Zahl der heimischen Soldaten an der Grenze auf 15.000 von 12.000 aufgestockt. Wie bereits zuvor Polen hat auch Litauen inzwischen den Ausnahmezustand an der Grenze zu Belarus verhängt.

Wegen der Zuspitzung der Krise bereitet die EU weitere Sanktionen vor. Sie richten sich Diplomatenkreisen zufolge gegen 30 belarussische Einzelpersonen und Einrichtungen, darunter den Außenminister. Dazu sollten die Botschafter der 27 Mitgliedsländer bei der EU noch am Mittwoch einen Beschluss fassen, wonach Lukaschenko die Migranten als Mittel einer "hybriden Kriegsführung" einsetzt. Damit würde eine Rechtsgrundlage für die Sanktionen geschaffen.

"GEFÄHRLICHE ESKALATIONSSPIRALE"

EU-Ratspräsident Charles Michel rief die Staatengemeinschaft zu Geschlossenheit auf. Diese müsse deutlich machen, mit welchen Mitteln sie das belarussische Vorgehen stoppen wolle, sagte Michel bei einem Besuch in Warschau. Bundesaußenminister Heiko Maas warf Lukaschenko vor, "weiter an einer gefährlichen Eskalationsspirale" zu drehen. Die EU sei aber nicht erpressbar, betonte Maas. Der österreichische Innenminister Karl Nehammer forderte die EU-Kommission auf, die Regierung in Warschau beim Grenzschutz stärker zu unterstützen. Dafür müssten "die nötigen Mittel für die Errichtung eines robusten Grenzzaunes" bereitgestellt werden, sagte Nehammer der Zeitung "Die Welt".

Polen und andere EU-Staaten werfen Lukaschenko vor, gezielt illegale Grenzübertritte von Migranten aus dem Nahen Osten, Afghanistan und Afrika zu orchestrieren als Vergeltung für Sanktionen, die gegen Belarus verhängt wurden. Dazu lasse Lukaschenko Flüchtlinge etwa aus Syrien und dem Irak nach Minsk einfliegen, um sie dann an die polnische Grenze und damit in die EU zu schleusen. Die meisten Migranten schlagen sich dann weiter zur deutschen Grenze durch.

Vor diesem Hintergrund nimmt die EU-Kommission derzeit Flüge aus anderen Ländern nach Belarus ins Visier. Polens Regierungschef Morawiecki sagte nach seinem Treffen mit Michel, die EU müsse Flüge aus dem Nahen Osten in das Nachbarland blockieren. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak blies ins selbe Horn. "Wir müssen mit diesen Ländern sprechen", sagte er Welt TV. "Und wir müssen den Fluggesellschaften klarmachen: Wenn ihr Menschen in diesem Wissen nach Belarus befördert, dann wird es Sanktionen geben, und das heißt auch, euer Geschäftsmodell in der Europäischen Union ist in Gefahr."

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