Schnelle Umsetzung von Corona-Maßnahmen gefordert - "Zehn nach Zwölf"

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

(neu: Bayern, Einzelheiten)

- von Alexander Ratz und Hans Seidenstuecker und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Angesichts ungebremst steigender Infektionszahlen in Deutschland fordern Mediziner eine schnelle Umsetzung der neuen Beschlüsse zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie.

In Bayern warnten Krankenhäuser vor einer unmittelbar drohenden Überlastung der Intensivstationen und forderten härtere Kontaktbeschränkungen. Die Landesregierung verhängte für die besonders betroffenen Landkreise faktisch einen Lockdown. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, mahnten, jetzt alle Auflagen konsequent umzusetzen. "Es ist zehn nach Zwölf", sagte Spahn in Berlin.

Für Freitag meldete das RKI 52.970 Neuinfektionen. Das sind 4330 Fälle mehr als am Freitag vor einer Woche. Weitere 201 Menschen starben im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 340,7. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei der Hospitalisierung gab das RKI mit 5,34 an.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte am Donnerstag drei Grenzwerte festgelegt für weitere Maßnahmen. Ab eine Hospitalisierungsrate von 3 in einem Bundesland soll die 2G-Regel gelten, ab 6 die 2G-Plus-Regel und ab 9 sollen weitere Maßnahmen verhängt werden können. Die Daten zur Auslastung der Krankenhäuser seien allerdings mit Vorsicht zu genießen, da sie zeitlich verzögert seien, warnte Gerald Gaß, Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

"Die Dynamik ist ungebrochen", sagte Spahn. "Wir sind in einer nationalen Notlage, die auch eine gemeinsame Kraftanstrengung braucht." Wieler mahnte, alle Regeln jetzt konsequent einzuhalten. "Es muss Schluss sein damit, dass man diese Laissez-faire-Haltung hat", sagte er mit Blick auf die 2G-Regel. Das gelte für alle Bereiche, auch etwa für die Fußball-Bundesliga. "Eine Regel, die nicht eingehalten wird, macht keinen Sinn." Zugleich mahnte der RKI-Präsident erneut zur Impfung: "Die Impfungen wirken sehr, sehr gut." Spahn sagte mit Blick auf die wieder steigende Zahl von Impfungen, die Tendenz gehe hier "klar in die richtige Richtung".

"WIR MÜSSEN HANDELN"

Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx, sagte im Deutschlandfunk, es gebe ein "ungebremstes Infektionsgeschehen, wir haben exponentiell ansteigende Intensivbelastung". Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Die aktuelle Lage ist so dramatisch, wie sie noch nie in der gesamten Pandemie-Zeit in Bayern war." Laut Bundesgesundheitsministerium wurden bereits zwei Covid-Patienten aus Freising nach Südtirol verlegt.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte in München: "Wir müssen handeln." Er kündigte einen "De-facto-Lockdown für Ungeimpfte im ganzen Land" an. Maximal fünf Ungeimpfte aus zwei Haushalten dürften sich noch treffen. Besonders gefährdete Bereiche werden wieder dichtgemacht - darunter Bars, Clubs und Diskotheken. Auch Weihnachtsmärkte seien betroffen. In der Gastronomie sei eine Sperrstunde ab 22.00 Uhr geplant, im Handel dürfe es nur einen Kunden pro zehn Quadratmeter geben. Die Maßnahmen sollen zunächst bis Mitte Dezember gelten. In Hotspots mit einer Inzidenz von über 1000 - derzeit acht Landkreise - sollen für drei Wochen noch umfangreichere Beschränkungen für alle Bürger gelten. Das bedeute Schließungen für Hotels, Gastronomie, Frisöre, Kultur- und Sportveranstaltungen.

In Bayern ist die Impfquote vergleichsweise niedrig. Die Inzidenz bei Ungeimpften liegt im Freistaat bei 1500, bei Geimpften bei 110. 90 Prozent der Intensivbetten seien von Ungeimpften belegt. Die Lage sei erdrückend und spitze sich noch zu. "Ich glaube, dass wir am Ende um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen werden", sagte Söder. "Sonst wird das eine Endlosschleife mit diesem Mist-Corona." In Sachsen, wo die Impfquote ähnlich gering ist wie in Baynern und die Inzidenz ebenso hoch, kündigte die Landesregierung ähnliche Schritte an. Auch Österreich verhängte am Freitag einen Lockdown.

MEHRHEIT GEGEN ALLGEMEINE IMPFPFLICHT

Der Bundesrat stimmte den Änderungen am Infektionsschutzgesetz zu. Die Länderkammer votierte trotz Kritik vor allem aus CDU-geführten Ländern bei einer Sondersitzung in Berlin einstimmig für die Novelle. Am 9. Dezember soll bei einer weiteren Ministerpräsidentenkonferenz wieder beraten werden. Der Bundestag hatte am Donnerstag grünes Licht für das von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP eingebrachte Gesetz gegeben. Danach gilt unter anderem eine 3G-Regel für Beschäftigte am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Länder können weitere Maßnahmen verhängen - Ausgangssperren, ein genereller Lockdown oder flächendeckende Schulschließungen sind aber nicht mehr möglich.

Bund und Länder hatten auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag zudem beschlossen, eine Impfpflicht für medizinische und Pflegeberufe einzuführen. Dies muss aber vom Bundestag beschlossen werden. Spahn sagte, sein Ministerium werde einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten.

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