Stoppkurse: Absicherung ohne Netz und doppelten Boden?

onvista · Uhr

Die Frage nach dem Sinn von Stoppkursen ist gefühlt mindestens so alt, wie der Handel mit Aktien selbst. Ist das Instrument des Stopp-Loss eine wertvolle Hilfe für Anleger oder ist diese Form der Absicherung nur eine Beruhigung der Nerven, die am Ende des Tages ins Leere greift?

Was spricht für Stoppkurse

Besonders Börsen-Anfängern wird der berühmt berüchtigte Stoppkurs zur Verlustbegrenzung ans Herz gelegt. Sie helfen mögliche Fehlentscheidungen rechtzeitig zu beseitigen. Ein ganz wichtiger Pluspunkt ist der psychologische Faktor. Ein Stopp-Loss-Limit beendet das Investment ohne große Überlegungen. Ist der Stopp erreicht, fliegt die Aktie aus dem Depot. In nicht wenigen Fällen halten Anleger zu lange an einem Wertpapier fest, schließlich kann man sich ja nicht geirrt haben - die Aktie steigt bestimmt bald wieder. Dabei kann es ein weiter Weg sein, bis eine fallende Aktie wieder auf ihren Einstandskurs kommt:

          VerlustErforderlicher Gewinn
–       20 Prozent+ 25 Prozent
–       40 Prozent+ 67 Prozent
–       60 Prozent+ 150 Prozent
–       80 Prozent+ 400 Prozent
–       90 Prozent+ 900 Prozent

Faktor Beruhigung

Ein gesetzter Stoppkurs schont zudem die Nerven. Auch wenn dem nicht immer so ist, fühlt sich der Anleger abgesichert und vor größeren Verlusten geschützt. Besonders im Urlaub kann daher ein Stopp-Loss-Limit für mehr Ruhe und Entspanntheit sorgen.

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Was spricht gegen Stoppkurse

Besonders erfahrene Anleger halten nicht viel von einer eingezogenen Grenze für Aktien im Depot. Für sie ist der Stoppkurs ein Trugschluss, da er suggeriert, dass die Aktie eben zu diesem Kurs verkauft wird. Wird das gesetzt Kurslimit erreicht, dann wird das Wertpapier unlimitiert zum Verkauf gestellt. Erlebt die Aktie einen Kurssturz, wie wir ihn diese Woche bei Wirecard gesehen haben, dann dürfte die Aktie zu einem deutlich niedrigeren Kurs das Depot verlassen, als zum gesetzten Stoppkurs. Zum einen wollen sehr viele Marktteilnehmer das Papier loswerden und zum anderen ist das Interesse an der Aktie in so einem Fall nicht sehr groß. Der Stoppkurs dürfte in diesem Fall tatsächlich ins Leere laufen, da der tatsächliche Verkaufskurs deutlich unter der gesetzten Barriere liegen dürfte.

Und die Gegenbewegung?

Die „Profis“ führen auch noch gerne an, dass ein Stopp-Kurs die Aktie im Minus aus dem Depot befördert, Anleger dann bei einer möglichen Gegenbewegung außen vor bleiben und der Verlust unterm Strich somit größer ist. Im oben angesprochenen Fall von Wirecard wäre dieser Fall durchaus eingetreten.

Stoppkurse ja oder nein?

Die Wahrheit liegt meiner Meinung nach in etwa in der Mitte. Sicherlich sind nicht alle Aktien für einen Stoppkurs geeignet. Auch eine gern genannte Faustregel: „Stoppkurse 20 bis 25 Prozent unter Einstandskurs setzen“ eignet sich nicht immer. Ob ein Stoppkurs gesetzt werden sollte ist immer eine Einzelfall-Entscheidung

Risikoreiche Aktien

Bei risikoreichen Investments, wie zum Beispiel Turnaround-Spekulationen ist es in vielen Fällen besser den Stoppkurs nur auf dem Papier zu setzen. Mitunter dauert die Wende etwas länger und in der Zwischenzeit dürfte sich die Aktie sehr volatil präsentieren, wenn nicht alles so läuft wie geplant. Ist die Marke auf dem Papier erreicht, sollten Anleger sich dem Wertpapier noch einmal annehmen und die weiteren Erfolgschancen des Investments prüfen.

Blue-Chips

Bei den Schwergewichten an der Börse macht es deutlich mehr Sinn einen Stoppkurs zu setzen und diesen im Fall von steigenden Kursen sukzessiv nachzuziehen. Bei den Bluechips ist die Volatilität in den meisten Fällen deutlich niedriger. Die Gefahr zu schnell ausgestoppt zu werden, ist daher deutlich geringer. Je kleiner das Risiko einer Aktie ist, desto mehr macht ein Stoppkurs Sinn.

Was bei Stoppkursen zu beachten ist

Es gibt viele Anleger die mit Stoppkursen arbeiten. Sehr beliebt sind dabei glatte Marken. Wird ein solcher Punkt erreicht, beschleunigt das Auslösen von vielen glatten Stopp-Loss-Marken den Kursverfall der Aktie. Effektiver ist es daher in vielen Fällen, den Stoppkurs etwas höher zu setzen, damit der Anleger nicht mit der breiten Masse schwimmt. So könnte für die Aktie ein besserer Verkaufskurs erzielt werden.

Letztendlich eine Frage der Selbstdisziplin

Unterm Strich muss jeder Anleger selbst entscheiden, ob er ein Stoppkurs für ihn sinnvoll ist oder nicht. Wer seinen inneren Schweinehund im Griff hat und sich auch von einer Aktie, die nicht läuft, trennen kann, der braucht letztendlich keinen Stoppkurs. Er braucht aber zumindest feste Marken, an denen er seine Investment-Entscheidung neu überdenkt, wenn die Position im Minus liegt.

Anleger, die über diese Selbstdisziplin nicht verfügen, sollten auf jeden Fall eine Reißleine in ihrem Depot einbauen, die ihnen die Entscheidung ab einem bestimmten Punkt einfach abnimmt. Nicht jede Anlage-Entscheidung ist immer richtig. Aber es gibt genügend Möglichkeiten den Fehler mit einem anderen Wertpapier wiedergutzumachen.

Von Markus Weingran

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Foto: ra2studio / shutterstock.com

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