Tarifverdienste steigen langsamer als Verbraucherpreise

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Berlin (Reuters) - Die Verdienstzuwächse der Millionen Tarifbeschäftigten in Deutschland halten nicht Schritt mit der steigenden Inflation.

Die Tariflöhne erhöhten sich von April bis Juni um durchschnittlich 1,9 Prozent zum Vorjahresquartal, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Werden Sonderzahlungen wie Corona-Boni ausgeklammert, lag das Plus sogar nur bei 1,4 Prozent. Deutlich schneller legten die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum zu, nämlich um 2,4 Prozent. "Die jüngsten Daten deuten darauf hin, dass im laufenden Jahr die Löhne in Deutschland nicht mit der Inflation mithalten werden", sagte der Wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, zu Reuters. Im Gesamtjahr 2021 dürfte die Teuerungsrate bei durchschnittlich 2,5 bis 3,0 Prozent liegen, während die Tariflöhne wohl nur um rund zwei Prozent zulegen sollten.

"Daran werden auch die jetzt noch anstehenden Tarifverhandlungen nicht viel ändern, weil die sich daraus ergebenen Lohnsteigerungen nur einen begrenzten Teil der Beschäftigten betreffen und außerdem vor allem im kommenden Jahr wirksam werden dürften", sagte Dullien. Für sich genommen bedeute ein Rückgang der kaufkraftbereinigten Löhne einen Dämpfer für die private Konsumnachfrage. Dies werde allerdings kurzfristig durch den sich abzeichnenden Beschäftigungszuwachs und den Rückgang der Kurzarbeit kompensiert. "Mittelfristig wäre es aber für die Konsumnachfrage gut, wenn die Löhne wieder etwas stärker steigen würden", sagte der Ökonom.

CORONA-PRÄMIE IN DER METALL- UND ELEKTROINDUSTRIE

In den einzelnen Wirtschaftsbereichen war das Gefälle allerdings groß. Im Verarbeitenden Gewerbe sowie bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistern lag das Tarifplus mit 2,8 Prozent über der Inflationsrate. "Der Anstieg im Verarbeitenden Gewerbe lässt sich vor allem auf die in der Metall- und Elektroindustrie im Juni 2021 gezahlte Corona-Prämie in Höhe von 500 Euro zurückführen", erklärten die Statistiker. Bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistern machte sich vor allem die Angleichung der Entgelte im Osten im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung bemerkbar. Auch im Baugewerbe (+2,5 Prozent), im Gastgewerbe sowie im Gesundheits- und Sozialwesen (jeweils +2,4 Prozent) stiegen die Tarifverdienste schneller als die Preise.

Anders sieht es in der Land- und Forstwirtschaft aus. Hier gab es lediglich ein Plus von 1,0 Prozent. Bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern fiel der Zuwachs mit 1,1 Prozent einen Tick höher aus, ebenso im Bereich Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung mit 1,2 Prozent.

Der verbreitete Einsatz von Kurzarbeit aufgrund der Corona-Pandemie hat den Angaben nach keinen Einfluss auf die Tarifbilanz, da sie die durchschnittliche Veränderung der durch Tarifabschlüsse vereinbarten Monats- und Stundenverdienste misst. Änderungen der tatsächlich bezahlten Arbeitszeit fließen nicht in die Berechnungen ein.

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