Thyssenkrupp: Kein früher Ausweg aus den düsteren Zeiten in Sicht – desolater Geschäftsbericht treibt die Anleger aus der Aktie
Die Zeiten für den Stahlriesen Thyssenkrupp sind dunkel – und ein Hoffnungsschimmer ist bisher auch nicht in Sicht, wie die enttäuschenden Zahlen zeigen, die der Konzern heute vorgelegt hat. Am Vortag bereits sehr schwach, verloren die Papiere nun als Schlusslicht im MDax der mittelgroßen Werte weitere neun Prozent auf 4,46 Euro. Damit entfernten sie sich weiter von ihrem noch zu Wochenbeginn erreichten Zwischenhoch bei knapp 5,30 Euro.
Verluste und nur Verluste
Der vom Stahl- und Industriekonzern vorgelegte Geschäftsbericht ist wie am Markt befürchtet schwach ausgefallen. Der mitten im Umbau befindliche Konzern rutschte im vergangenen Geschäftsjahr tief in die roten Zahlen und erwartet für das neue Jahr weitere Verluste. Dabei liefen vor allem das Stahl- sowie das Zuliefergeschäft schwach, nachdem im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die Nachfrage vor allem aus der Automobilindustrie eingebrochen war. „Die Corona-Pandemie ist eine gewaltige Belastungsprobe für Thyssenkrupp„, sagte Konzernchefin Martina Merz. Der Umsatz brach im fortgeführten Geschäft um 15 Prozent auf rund 28,9 Milliarden Euro ein, der Auftragseingang nahm mit 17 Prozent ebenfalls erheblich ab.
Ohne das mittlerweile verkaufte Aufzuggeschäft musste der Konzern einen bereinigten operativen Verlust (Ebit) im fortgeführten Geschäft von 1,6 Milliarden Euro hinnehmen. Im Vorjahr war noch ein Minus von 110 Millionen Euro angefallen. Thyssenkrupp hatte zuvor einen Fehlbetrag von 1,7 bis 1,9 Milliarden avisiert. Das Stahlgeschäft steuerte mit einem Verlust von fast 1 Milliarde Euro den größten Teil zum Minus bei.
Dabei hätten sich die Geschäfte im vierten Quartal stabilisiert, hieß es. So konnten sich Umsatz und das bereinigte Ebit im fortgeführten Geschäft im Vergleich zum Vorquartal verbessern. Dazu musste der Konzern insgesamt rund 3 Milliarden Euro unter anderem auf das Stahl- sowie das Automobilzuliefergeschäft abschreiben, wovon der überwiegende Teil im Schlussquartal anfiel. Allein das Stahlgeschäft musste Thyssenkrupp um knapp 1,6 Milliarden Euro wertberichtigen.
Verkauf des Aufzugsgeschäfts tilgt immerhin alle Schulden
Im fortgeführten Geschäft verbuchte der Konzern im vergangenen Geschäftsjahr damit einen Nettoverlust von 5,5 Milliarden Euro, nach einem Minus von knapp 1,2 Milliarden im Vorjahr. Die Bilanz aufpolieren konnte Thyssenkrupp durch den Verkauf des Aufzuggeschäfts, aus dem dem Unternehmen 15 Milliarden Euro zuflossen. Dies führte zu einem Nettogewinn der Gruppe von knapp 9,6 Milliarden Euro. Eine Dividende will Thyssenkrupp angesichts der hohen Verluste im fortgeführten Geschäft nicht zahlen. „Auch vor dem Hintergrund der bestehenden operativen Herausforderungen ist für eine Dividende in diesem Jahr kein Raum“, hieß es vom Konzern.
Dank des Verkaufserlöses konnte Thyssenkrupp seine Schulden abbauen und wies zum Geschäftsjahresende ein Nettofinanzguthaben von 5,1 Milliarden Euro aus. im Vorjahr kam der Konzern noch auf entsprechende Verbindlichkeiten von 3,7 Milliarden Euro. Mit flüssigen Mitteln und freien zugesagten Kreditlinien von insgesamt 13,2 Milliarden Euro verfüge Thyssenkrupp „über eine sehr gute Liquiditätssituation.“ Nun folgen erneute Stellenstreichungen.
11.000 Stellen müssen weg
5000 zusätzliche Arbeitsplätze zum bereits laufenden Programm will Thyssenkrupp in den kommenden drei Jahren streichen. Der Abbau beläuft sich damit auf insgesamt 11.000 Stellen. „Wir befinden uns mitten im größten Restrukturierungsprozess seit Bestehen von Thyssenkrupp. Dazu gehört auch ein weiterer Stellenabbau, daran führt leider kein Weg vorbei“, sagte Personalvorstand Oliver Burkhard bei der Zahlenvorlage in Essen. Betriebsbedingte Kündigungen schloss er dabei nicht aus – sie sollen jedoch das letzte Mittel sein. Thyssenkrupp hatte bereits im Frühjahr 2019 den Abbau von 6000 Stellen angekündigt, von denen 3400 bereits gestrichen wurden.
Analysten sehen nur wenig Potenzial
Laut Händlern bleiben die Aussichten für die Essener düster. Auch der Cashflow werde nicht besser, hieß es in ersten Kommentaren.
So schrieb etwa Analyst Luke Nelson von JPMorgan, das ausgewiesene operative Ergebnis sei zwar etwas besser als gedacht, der Free Cashflow aber schwach. Er beließ seine Einstufung auf „Underweight“ und zeigte sich auch vom Ausblick des Konzerns enttäuscht.
In diesem sah Alan Spence von Jefferies Research ebenfalls einen Schwachpunkt. Zwar machte er positive Ansätze in den jüngsten Auftragseingängen aus, äußerte aber die Befürchtung, dass sich der Markt stärker auf ein schwächeres operatives Ergebnisziel für 2021 konzentrieren wird.
Wird der Staat eine Stütze sein?
Bei der Umstellung der Produktion auf „grünen“ Stahl“ sucht Thyssenkrupp nun die Unterstützung des Staates. „Kein Stahlhersteller kann das allein bestreiten“, erklärte Finanzvorstand Klaus Keysberg. Für die CO2-Vermeidung und den Einsatz von Wasserstoff seien Milliardeninvestitionen nötig. Mit der Politik sei Thyssenkrupp in Gesprächen „und zwar zu einer ganzen Reihe von Themen im Zusammenhang mit dem Stahl.“ Dem Aktienkurs halfen diese Aussagen auch nicht weiter.
Aktie liegt am Boden
Mit den aktuellen Kurseinbußen fielen die Titel wieder unter die 50-Tage-Linie als Indikator für den mittelfristigen Trend und auch unter die 21-Tage-Linie als Hinweis für die kurzfristige Richtung.
Von ihren Tiefs Anfang und Ende Oktober bei jeweils etwas unter vier Euro sind sie zwar noch ein Stück weit weg, aus dem Korridor zwischen vier und fünf Euro kommen sie nun aber schon seit einigen Wochen nicht heraus. Die Kursentwicklung seit dem Coronacrash-Tief im März bei 3,28 Euro ist wenig erbaulich.
Wie soll es weitergehen?
Konzernchefin Merz will den Umbau nun vorantreiben. Dabei betonte die Managerin: „Die nächsten Schritte können schmerzhafter werden als die bisherigen. Wir werden sie dennoch gehen müssen.“ Thyssenkrupp sei noch nicht da, „wo wir hin müssen“.
Eine Grundsatzentscheidung für das besonders in Bedrängnis befindliche Stahlgeschäft soll im Frühjahr gefällt werden. Dabei will sich Thyssenkrupp weiter alle Optionen offen halten. Auf dem Tisch liegt bislang ein unverbindliches Übernahmeangebot des britischen Konkurrenten Liberty Steel. Für den Anlagenbau gebe es verschiedene indikative Gebote, die geprüft würden. Für den Bereich Infrastructure werde ein Verkauf vorbereitet. Bei Grobblech steige dagegen die Wahrscheinlichkeit für eine Schließung, da sich kein Interessent mehr im Bieterprozess befände. Im automobilen Anlagenbau erreichte Thyssenkrupp mit den Arbeitnehmervertretern eine Einigung über die weitere Restrukturierung, die unter anderem den sozialverträglichen Abbau von 385 Stellen vorsieht.
Es liege noch „ein gutes Stück Weg vor uns“, so Merz. „Wir werden noch weiter in den ‚roten Bereich‘ gehen müssen, ehe wir Thyssenkrupp zukunftsfähig aufgestellt haben“, kündigte sie an. Die gestärkte Bilanz gebe den Spielraum für die weiteren Schritte.
Für das kommende Jahr strebt Thyssenkrupp eine „erhebliche Verbesserung“ des bereinigten Ebit an. Dennoch wird der Konzern weiter rote Zahlen schreiben – das Management geht von einem Verlust im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich aus. Dabei rechnet Thyssenkrupp mit weiteren Umbaukosten, die einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag ausmachen dürften, so dass unter dem Strich ein Fehlbetrag von mehr als 1 Milliarde Euro stehen dürfte. Beim Umsatz geht Thyssenkrupp dabei wieder von einem Wachstum im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich aus. Dies sei jedoch von der Erholung der Automobilmärkte abhängig.
onvista/dpa-AFX
Titelfoto: Tobias Arhelger / shutterstock.com
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