US-Anleihemärkte: Das Gespenst der inversen Zinskurve geht wieder um – was das für die Märkte und die Wirtschaft bedeutet

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die höher als erwartet ausgefallenen US-Inflationsdaten von Donnerstag sind Wasser auf die Mühlen der besorgten Anleger. Der Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve, noch striktere Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation zu ergreifen, steigt damit noch weiter. Die derzeitige Lage hat auch deutliche Auswirkungen auf die Zinskurve der US-Staatsanleihen - ein Indikator, der von Analysten mit Argusaugen beobachtet wird, da er in der Vergangenheit zuverlässig wirtschaftliche Rezessionen signalisiert hat.

Die Zinskurve erklärt

Die Form der Zinskurve ist eine Schlüsselkennzahl, die Anleger beobachten, da sie sich auf andere Vermögenspreise auswirkt, sich auf die Renditen der Banken auswirkt und sogar vorhersagt, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird. Das US-Finanzministerium finanziert die Haushaltsverpflichtungen der Bundesregierung durch die Ausgabe verschiedener Formen von Schuldtiteln. Der 23 Billionen US-Dollar schwere Treasury Market umfasst Anleihen mit Laufzeiten von einem Monat, einem Jahr, zwei Jahren, 10 Jahren, 20-, bis hin zu 30-Jahren. Die Zinskurve symbolisiert dabei den Zinsabwurf aller Staatsanleihen.

In einem gesunden Marktumfeld neigt sich die Kurve nach oben, weil die Käufer dieser Anleihen für längere Laufzeiten eine höhere Entschädigung erwarten, da mehr zukünftiges Risiko sowie die Inflationsentwicklung über diese Jahre mit einkalkuliert wird. Heißt, die länger laufenden Anleihen sollten höhere Zinsen abwerfen als Anleihen mit kurzen Laufzeiten. Die Zinsen bewegen sich dabei umgekehrt zu den Kursen dieser Anleihen.

Anhand der übergeordneten Zinskurve kann man die Erwartung des Marktes an die zukünftige Wirtschaftsentwicklung ableiten: Eine steilere Kurve signalisiert typischerweise Erwartungen einer stärkeren wirtschaftlichen Aktivität, einer höheren Inflation und höherer Zinssätze. Eine abflachende Kurve signalisiert das Gegenteil: Der Markt erwartet kurzfristig Zinserhöhungen und sieht besondere Risiken für die Wachstumsaussichten der Wirtschaft.

Die derzeitige Lage

Genau so einen Fall haben wir derzeit: Die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen sind in den letzten Wochen stark angezogen, weil der Markt eine Reihe von Zinserhöhungen durch die Fed erwartet - als Maßnahme gegen die steigende Inflation. Die Zinsen langfristiger Staatsanleihen sind wesentlich langsamer gestiegen und zeigen eine zunehmende Abflachung, da der Markt mit mehr langfristigem Gegenwind für die Wirtschaft rechnet. Zinserhöhungen können zwar wirkungsvoll gegen die Inflation sein, jedoch können sie auch das Wirtschaftswachstum verlangsamen, indem sie die Kreditkosten für alles von Hypotheken bis hin zu Autokrediten erhöhen.

Während die Renditen 2-jähriger Staatsanleihen seit Ende letzten Jahres um 110 Prozent - von 0,73 Prozent auf jetzt 1,54 Prozent - gestiegen sind, lag der Anstieg der 10-jährigen Anleihen lediglich bei 34 Prozent - von 1,5 Prozent auf jetzt 2 Prozent.

Nun gehen viele Marktbeobachter davon aus, dass sich die übergeordnete Zinskurve noch in diesem Jahr invertieren könnte, also das der Zins der kurzfristigen Anleihen höher wird als der der langfristigen Anleihen. Das ist deswegen ein so wichtiger Indikator, weil er in den vergangenen Jahrzehnten zuverlässig eine wirtschaftliche Rezession signalisiert hat, die zwischen sechs und 24 Monaten nach dem Signal eingetroffen ist. Auch 2019 hatte sich die Zinskurve im Zuge des Handelsstreits zwischen China und den USA invertiert und im folgenden Jahr sind die USA in eine kurze Rezession gerutscht - die allerdings durch die Pandemie hervorgerufen wurde.

Vor allem der Spread zwischen den 2- und den 10-jährigen Anleihen wird am Markt genau beobachtet. Dieser ist noch recht weit von einer Invertierung entfernt, jedoch flacht die Kurve sich ab. Viele Marktbeobachter sehen die Möglichkeit, dass sich die Zinskurve bis Ende diesen Jahres invertieren könnte.

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Folgen für die Märkte und die Wirtschaft

An den Märkten würde eine Invertierung ein extremes Verkaufssignal auslösen, da viele Anleger mit einer wirtschaftlichen Rezession rechnen würden. Angesichts des derzeitigen Gegenwinds und der geringen Liquidität könnte das zu einem sehr schmerzhaften Ausverkauf an den Aktienmärkten führen.

Für die Wirtschaft hätte die Zinsentwicklung ebenfalls Folgen, da US-Banken in diesem Szenario dazu neigen, ihre Referenzzinssätze für eine breite Palette von Verbraucher- und Geschäftskrediten anzuheben, einschließlich Kleinunternehmenskrediten und Kreditkarten, wodurch die Kreditaufnahme für die Verbraucher teurer wird.

onvista-Redaktion/reuters

Titelfoto: Immersion Imagery / Shutterstock.com

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