Kutzers Zwischenruf: Nur die Konjunkturprognosen haben Konjunktur

Hermann Kutzer · Uhr

Ganz offen: Als bekennender Optimist hatte ich für diesen Zwischenruf ursprünglich vor, mal mutig ein positives Szenario mit Blick auf die kommenden Monate zu skizzieren – Motto: Die internationale Politik lässt die Zentralbanken nicht im Regen stehen und schafft Bedingungen (einschließlich Beilegung der Zollkrise und Bereitstellung großvolumiger Klimapakete), die der Weltwirtschaft neuen Schwung ermöglichen. Aber das ist momentan einfach nicht angesagt, dafür hat sich die Stimmung zu sehr verschlechtert, auch wenn dies die Börse (noch) nicht signalisiert. Und das ist insofern bemerkenswert, als Unsicherheit den Börsianern nicht liegt – unabhängig davon, ob es sich um politische oder konjunkturelle Unsicherheiten handelt. Von beidem gab es in der abgelaufenen Handelswoche wieder mehr als genug.

Interessant ist jedenfalls die Herkunft des Worts. Denn unter Konjunktur versteht man nicht nur die gesamtwirtschaftliche Lage, besonders in Hinsicht auf deren positiven oder negativen Trend. Der Ausdruck wird bekanntlich auch für eine besonders gute gesamtwirtschaftliche Lage (= Hochkonjunktur) verwendet, in diesem Sinn auch außerhalb der Wirtschaft (Beispiel: „Vegetarische Ernährung hat gegenwärtig Konjunktur“). Der Ursprung des Begriffs ist das mittellateinische „coniunctura“ (= sich aus der Verbindung verschiedener Erscheinungen ergebende Lage).

Hat sich da etwas in die eine oder andere Richtung bewegt? Folgt man den meisten Volkswirten, dann ist Gemengelage zwar unverändert, doch sind die Auswirkungen nicht länger nur vorübergehender Natur. Und wir stehen dabei auf der Schattenseite: Die Konjunkturwolken über Deutschland verdunkeln sich nach Ansicht von Ökonomen im Herbst weiter. Von einer Belebung auf dem Arbeitsmarkt könne keine Rede sein, die Situation vor allem in der Industrie sei schwierig. Die Probleme der Autoindustrie, die Flaute beim Export und politische Risiken wie Welthandel und Brexit drücken auf die Stimmung. Typisch die Einschätzung der Allianz: „Mit einer großen Portion Glück ist die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal 2019 zwar vermutlich noch knapp an einer Rezession vorbeigeschlittert. Doch die zunehmende Eintrübung vorliegender Frühindikatoren deutet darauf hin, dass die derzeitige konjunkturelle Schwächephase keine Einjahresfliege ist.“ Die Allianz rechnet für Deutschland im laufenden und im nächsten Jahr mit einem Plus von nur 0,6 Prozent bei der Wirtschaftsleistung. Damit ist Deutschland in Europa von einem Zugpferd zu einem Land geworden, das hinterherhinkt.

Kleines Wortspiel dazu: Nur die Konjunkturprognosen haben Konjunktur, dagegen hat die Konjunktur keine Konjunktur. Je länger das andauert, umso gefährlicher wird es für die Börse.

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