Gewaltiges Kurspotenzial

Stefan Riße · Uhr

1.000 Punkte Kursgewinn im DAX wie an diesem Mittwoch gab es an einem einzigen Tag wohl noch nie, zumindest nicht nach meiner Erinnerung. Die Tatsache, dass sich der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba und der russische Außenminister Sergej Lawrow trafen und der ukrainische Präsident Wolodomir Selensky sagte, dass man über die Krim und den Donbass reden könne, reichte aus, um die Aktienkurse explodieren und die Fluchthäfen wie Gold stark einbrechen zu lassen. Was lässt sich daraus ablesen? Es deutet stark darauf hin, dass der Markt wirklich massiv überverkauft ist. In einer solchen Situation können die Kurse eigentlich kaum mehr weiter fallen. Die von mir stets beobachteten Stimmungsindikatoren deuten auch genau darauf hin.

US-Börsenbriefe Bullen minus Bären in %

Quelle: Investors Intelligence, The Daily Shot

Ausnahmen bestätigen die Regel

Es gab in der Vergangenheit allerdings immer wieder extreme Krisen, wo die Kurse noch einmal deutlich nachgaben, obwohl die Stimmungsindikatoren bereits eindeutige Kaufsignale zeigten. Man muss dabei bedenken, dass diese Stimmungsindikatoren die mehr oder minder häufig aktiven Anleger in ihrer Investitionsneigung messen. Die großen langfristigen institutionellen Anleger werden nicht erfasst. In der Regel schichten diese auch so gut wie nie um. Gemeint sind Staatsfonds, Pensionsfonds oder die Vermögen großer Familien. So fundamentale Ereignisse wie dieser Krieg können allerdings dazu führen, dass auch dieser Typ Anleger anfängt, Risiken zurückzufahren. Dann gibt es weiter Druck auf den Markt.

Eigentlich nur eine Konstellation kann die Kurse weiter drücken

Jedes absehbare Ende des Krieges, ob es ein Friedensschluss ist, ein Abzug der Russen oder eine Niederlage der Ukraine, die Kurse dürften in allen Fällen deutlich steigen. Und selbst wenn dieser Krieg sich lange hinzöge, was das ohnehin schon menschliche Drama noch unendlich vergrößern würde, die Börse würde sich wohl daran gewöhnen. Der Westen hätte sein Sanktionsfeuerwerk verschossen und der Krieg würde zum Alltag gehören, wie dies mittlerweile mit Corona auch so ist. Auch in diesem Fall wäre davon auszugehen, dass die Kurse sich wieder erholen. Nur eine weitere Eskalation in Richtung Auseinandersetzung der NATO mit Russland hätte nochmal erhebliche Verluste zur Folge. Deshalb ist dies genau zu beobachten. Wenn der russische Außenminister Lawrow das Handeln des Westens mit seinen Waffenlieferungen als gefährlich bezeichnet, ist das eine unverhohlene Drohung. Doch scheint es aus meiner Sicht nicht sehr realistisch, dass das russische Militär, deren Schwäche in diesem Krieg schon deutlich entblößt wurde, nun auf einen NATO-Staat zumarschiert. Bliebe dann nur der Einsatz von Atomwaffen, der aber auch das definitive Ende von Russland bedeuten würde. Von derartiger Irrationalität Wladimir Putins wollen wir alle nicht ausgehen.

Die Inflation wird nicht zum Stolperstein

Aber da war ja noch etwas anderes, was am Jahresanfang die Kurse unter Druck brachte: die Zinserhöhungen, die nun in den USA kommen werden. Hier habe ich schon mehrfach aufgezeigt, dass diese erst mit Zeitverzögerung tatsächlich wirken werden. Es ist zudem überhaupt nicht davon auszugehen, dass die kriegsbedingt nun noch stärker ansteigende Inflation die Notenbank zu noch schnelleren Zinserhöhungen bewegen wird. Weil von diesem Krieg auch konjunkturelle Verunsicherung ausgeht, ist eher das Gegenteil zu erwarten, egal was die Inflation macht. Denn eine Inflation, die durch eine durch Embargos ausgelöste Knappheit an Rohstoffen entsteht, mit Zinserhöhung zu bekämpfen, wäre selbstmörderisch. Es würde ja bedeuten, die eigene Wirtschaft so massiv zu drosseln, dass die Nachfrage nach den verknappten Rohstoffen so weit absinkt, dass wieder Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage entstünde. Das könnte man natürlich tun. Die Folge wäre aber eine schwere Rezession. Das Ergebnis könnte man dann so beschreiben: Operation gelungen, Patient tot.

Das Fazit ist einfach: Gerade, weil die Inflation weiter anzieht, bleiben festverzinsliche Anlagen keine Lösung in dieser Krise. Das von mir hier schon erwähnte und favorisierte Gold als Beimischung kann es durchaus sein. Aber alle Krisen der Vergangenheit haben uns auch eines gelehrt: die Aktien stecken diese irgendwann weg. Wer aus Angst in Krisen verkauft hat, der hat mit Aktien nur Verluste erzielt. Denn eine Wahrheit bleibt auch: dass die Aktienrendite eines Anlegers ins Negative sinkt, wenn er die rund fünf besten Tage eines Jahres verpasst. Einen der fünf haben wir am vergangenen Mittwoch wohl gesehen.

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