ROUNDUP: Klage gegen Kündigungsrecht bei Parship hat geringe Erfolgsaussicht

dpa-AFX · Uhr

HAMBURG (dpa-AFX) - Nach einem Werbespruch von Parship verliebt sich alle

elf Minuten über die Online-Plattform eines ihrer Mitglieder. Das sagt jedoch nichts darüber aus, wann man bei vielen Tausend Mitgliedern selbst an der Reihe ist. Die Trennung von der Vermittlungsagentur dauerte für zahlende Kunden bis 2022 jedenfalls ziemlich lange. Wer eine sechs- oder zwölfmonatige Premiummitgliedschaft nicht zwölf Wochen vor Ende der Laufzeit kündigte, blieb ein weiteres volles Jahr Mitglied - und zahlte weiter zwischen 60 und 80 Euro pro Monat.

Das hält das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg für nicht angemessen, wie die Vorsitzende des Zivilsenats, Stephanie Zöllner, am Donnerstag in der mündlichen Verhandlung über eine Musterfeststellungsklage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen andeutete. Nur bei einer 24-monatigen Vertragszeit sei die automatische Verlängerung um ein Jahr zumutbar.

Bei der Abwägung der Verlängerungszeit spiele auch eine gewisse Erfolgskomponente eine Rolle, erklärte der Berichterstatter des Senats, Stefan Schilling. "Das ist sehr individuell, wann sich jemand erfolgreich verliebt fühlt." Es sei schwer vorstellbar, dass ein Nutzer dann noch auf der Plattform bleiben wolle. Er riet Parship, die Kunden lieber in der kostenlosen Basismitgliedschaft zu halten.

Im Februar 2022 hat Parship seine Geschäftsbedingungen geändert. Nach der automatischen Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung kann die Mitgliedschaft monatlich beendet werden. Darum geht es in dem Verfahren nur um Premium-Mitgliedschaften zwischen 2017 und 2022. In den weiteren Punkten hat die Musterfeststellungsklage wenig Aussicht auf Erfolg, wie Zöllner andeutete.

Die Verbraucherzentrale will nämlich auch erreichen, dass die Partnervermittlung von Parship als sogenannter Dienst höherer Art eingestuft wird. Eine solche Dienstleistung setzt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ($ 627) ein besonderes Vertrauensverhältnis voraus. Der Kunde gebe höchstpersönliche Dinge in einem Fragenkatalog preis, so die Klägerseite. Daher sei es wie bei einem Verhältnis zu einem Arzt, Rechtsanwalt oder Steuerberater unzumutbar, wenn ein Parship-Mitglied bei einem Vertrauensverlust nicht sofort kündigen könne.

Allerdings entschied der Bundesgerichtshof bereits im Juni 2021, dass es sich bei Parship nicht um eine klassische Heiratsvermittlung mit Karteikarten handele. Die Partnervorschläge basierten auf Algorithmen, erklärte Schilling. Die Antworten auf den Fragenkatalog für Mitglieder würden in Punkte umgerechnet. Der Algorithmus werte das Ergebnis aus und erstelle ein Persönlichkeitsprofil. Die 80 Fragen erlaubten laut Parship mathematisch eine Zahl von Varianten mit 39 Stellen. Dann bekomme der Kunde Vorschläge für Partnerschaften und könne entscheiden, ob er sie annehmen wolle oder nicht.

Bei einem persönlichen Kontakt könne man einen Arzt, Anwalt oder Steuerberater manchmal "nicht mehr riechen", sagte Zöllner. Dann sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Bei Parship arbeiteten jedoch Maschinen und Algorithmen. "Wir warten, bis mal zwei Avatare beraten werden", meinte die Richterin humorvoll. Der Datenschutz sei ein anderer Aspekt. "Wenn ich aber sehe, was die jungen Leute alles preisgeben", fügte Zöllner hinzu.

Nach der Sitzung des Gerichts sagte Parship-Sprecher Christian Steinhof: "Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf der heutigen Verhandlung. Das Gericht ist in den wesentlichen Punkten unserer Rechtsauffassung gefolgt."

Der Referent der Verbraucherzentrale, Henning Fischer, sagte, der wahrscheinliche Erfolg der Klage beim Kündigungsrecht sei für viele Kunden bedeutsam. Oftmals seien Verbraucher über Sonderangebote in Höhe von vielleicht 199 Euro für ein halbes Jahr gelockt worden und sollten dann bei nicht fristgemäßer Kündigung 800 Euro für ein weiteres Jahr zahlen. "Das sind die Dinge, die Verbraucher sehr stören." Insofern sei die angedeutete Entscheidung des Gerichts in diesem Punkt sehr bedeutsam.

Beide Klageparteien kündigten an, im Fall einer Niederlage Revision einzulegen. Die Verbraucherzentrale vertritt im Verfahren 29 Parship-Kunden, rund 1200 weitere haben sich der Klage nach Angaben des Bundesverbandes angeschlossen. Das Oberlandesgericht will sein Urteil am 26. Oktober verkünden./bsp/DP/stk

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