AT&S-Chef liebäugelt mit Staats-Einstieg - Notverkauf sieht er keinen

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- von Alexandra Schwarz-Goerlich

Wien (Reuters) - Der Leiterplattenhersteller AT&S will sich über eine Kapitalerhöhung frisches Geld für Investitionen beschaffen und im Zuge dessen Österreichs Staatsholding ÖBAG als größten Aktionär an Bord holen.

"Wir haben aufgrund der nationalen Komponente Gespräche mit der ÖBAG begonnen, die sich mit einem Anteil von zumindest 25 Prozent plus einer Aktie beteiligen könnte", sagte Konzernchef Andreas Gerstenmayer am Dienstag zur Nachrichtenagentur Reuters. "Das wäre für den österreichischen Wirtschaftsstandort eine sehr positive Lösung, aber wir reden alternativ auch mit anderen möglichen Investoren", fügte der Manager hinzu. Derzeit sei man dabei, die Möglichkeiten zu sondieren. Die Aktien von AT&S brachen an der Wiener Börse ein.

Mit dem frischen Geld aus der Kapitalerhöhung will der AT&S-Chef vor allem Investitionen in neue Technologien finanzieren. "Wir sind der Überzeugung, dass man sich in relativ guten Zeiten vorbereiten muss, um die Unternehmensentwicklung weiter auf stabile Beine zu stellen", sagte Gerstenmayer. Das Volumen der Kapitalerhöhung könnte insgesamt bis zu 50 Prozent des Grundkapitals betragen, Details seien noch offen. An der Wiener Börse ist AT&S etwa eine Milliarde Euro wert. Gemessen am aktuellen Aktienkurs würde der ÖBAG ein solcher Schritt rund 350 Millionen Euro kosten. Ob es dazu kommt, hänge auch vom Marktumfeld ab. "Wir sind nicht unter massiven Zugzwang, aber wir wollen das möglichst zeitnah über die Bühne bringen", sagte Gerstenmayer.

Anleger reagierten verschreckt und warfen die AT&S-Papiere aus dem Depot. An der Wiener Börse verloren die Aktien zuletzt 12,4 Prozent auf 24,78 Euro. Gerstenmayer sagte dazu: "Die Art und Weise, wie wir das Ganze gestalten, sollte Zuversicht geben, dass wir hier keinen Notverkauf machen, sondern eine Stärkung unserer Basis vornehmen".

Ein ÖBAG-Sprecher bestätigte die Verhandlungen, die sich noch in einem frühen Stadium befänden. Weitere Details wollte er nicht nennen. Die beim Finanzministerium angesiedelte Holding verwaltet unter anderem die Staatsbeteiligungen am Stromkonzern Verbund, der Telekom Austria, dem Öl- und Gaskonzern OMV und der Österreichischen Post. Vor ein paar Jahren wurde beschlossen, dass sich die ÖBAG, wenn nötig, auch an Unternehmen aus Schlüsselindustrien beteiligt. Damit könnten etwa Konzernsitze in Österreich gehalten werden. Mit einem möglichen Einstieg bei AT&S würde das erstmalig auch umgesetzt werden. Das Finanzministerium wollte sich nicht dazu äußern. Grundsätzlich zähle die Halbleiterindustrie zu den entscheidenden Zukunftstechnologien, teilte das Ministerium lediglich auf Anfrage von Reuters mit. "Mikrochips sind für zentrale industrielle Wertschöpfungsketten von strategischer Bedeutung, wie auch der European Chips Act zeigt".

Die größten AT&S-Aktionäre sind derzeit die Privatstiftungen des Unternehmers Willi Dörflinger und des früheren Finanzministers Hannes Androsch. Beide Stiftungen sind mit jeweils rund 18 Prozent beteiligt. Die restlichen gut 64 Prozent sind im Streubesitz.

AT&S LEIDET UNTER SCHWACHER NACHFRAGE UND PREISDRUCK

AT&S macht derzeit eine schleppende Nachfrage und ein hoher Preisdruck zu schaffen. Der Konzern stellt neben Leiterplatten für Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und Medizinprodukte auch sogenannte IC-Substrate her, die etwa in Notebooks verwendet werden und als Verbindungselemente zwischen Leiterplatte und Chip dienen. Zu den Kunden zählen Intel und Apple, aber auch europäische Autozulieferer.

Im abgelaufenen zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2023/24hatte sich der Nettogewinn auf 51 Millionen Euro mehr als halbiert. Die Erlöse schrumpften von Juli bis September um ein Fünftel auf 452 Millionen Euro. Eine deutliche Erholung werde erst im zweiten Halbjahr 2024 erwartet. An den Zielen will der AT&S-Chef dennoch nicht rütteln. Aufgrund der Marktschwäche wurde aber der Produktionsstart des zweiten Werks in Kulim in Malaysia auf Eis gelegt. Das erste Werk soll wie geplant Ende nächsten Jahres die Produktion aufnehmen.

"Sobald sich der Markt erholt, werden wir überlegen, wann und wie wir das zweite Werk in Kulim an den Start bringen", so Gerstenmayer. Bis 2026/2027 will AT&S einen Umsatz von rund 3,5 Milliarden Euro erzielen. Das zweite Werk in Kulim sei in dieser Prognose nicht enthalten. Welche Investitionssumme in Malaysia künftig benötigt wird, will der AT&S-Chef erst zu einem späteren Zeitpunkt sagen. "Es geht nicht nur um Kapazitäten, sondern auch darum, neue Generationen von Technologien vorzubereiten".

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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