Interview zu Tech-Aktien

"Netflix war bisher die Positiv-Überraschung der Quartalssaison"

onvista · Uhr

US-Fondsmanager Chris Krantz zieht ein Zwischenfazit der Quartalssaison im Technologiesektor, verrät, wieso ihn Netflix positiv überraschen konnte - und welche Werte aus der zweiten Reihe er zuletzt gekauft hat.

Quelle: LookerStudio/Shutterstock.com

Herr Krantz, wir befinden uns mitten in der Berichtssaison. Vergangene Woche veröffentlichten große Techwerte wie Microsoft, Apple oder Alphabet Zahlen für das Schlussquartal 2023. Wie lief es aus Ihrer Sicht bisher?

Für uns als langfristige Investoren ist die Quartalssaison eine Möglichkeit, zu überprüfen, ob unsere Unternehmen auf ihrem langfristigen Wachstumstrend sind, weiter Margenverbesserungen erzielen können etc.. Und da sieht es recht gut aus.

Bemerkenswert ist die Achterbahnfahrt bei Ihrer Fondsposition Meta: Vom Hoch in der Pandemie bei 300 Dollar ist sie im Herbst 2022 unter 100 Dollar gefallen – nur, um umso stärker zurückzukommen und nach Veröffentlichung der Jahreszahlen jüngst weit über 400 Dollar ein neues Allzeithoch zu erreichen. Wie sind diese starken Ausschläge zu erklären? Meta ist ja kein grundsätzlich anderes Unternehmen als vor zwei oder drei Jahren…

Bei Meta hatte sich das Wachstum signifikant verlangsamt, das Management wollte aber dennoch an hohen Investitionen festhalten. Die Kombination aus beidem, langsamer wachsender Umsatz plus erhebliche Investitionen, hat der Aktie so zugesetzt. 

Dann rief Chef Mark Zuckerberg das „Jahr der Effizienz“ aus; die Mitarbeiterzahl sank 2023 um fast ein Viertel.

Ja, außerdem haben sie das Wachstum der Investitionen gedrosselt – und gleichzeitig sind die Umsätze wieder stärker angezogen. Die Effekte, die die Aktie nach unten gebracht haben, wirkten zuletzt also in die Gegenrichtung. 

Quelle: American Century Investments

Zur Person: Chris Krantz arbeitet als Portfoliomanager beim US-Vermögensverwalter American Century Investments (ACI). Mit zwei Kollegen ist er verantwortlich für den fünf Milliarden Dollar schweren und seit 1971 bestehenden ACI Select Fund, der in US-Wachstumswerte mit hohem Börsenwert investiert. Der Fonds verzeichnete in den vergangenen zehn Jahren eine annualisierte Rendite von 14,1 Prozent (Vergleichsindex: 15,5) und wird von Morningstar mit vier von fünf Sternen bewertet. Vor seiner Zeit bei ACI war Krantz für Standard & Poor's in Chicago tätig.

Gab es neben Meta noch eine positive Überraschung der aktuellen Berichtssaison?

Netflix, würde ich sagen. Netflix war einer der großen Profiteure der Corona-Lockdowns. Doch dann hat sich Wachstum der Kundenzahl im Lauf des Jahres 2022 erheblich verlangsamt, war teils sogar negativ; ähnlich wie bei Meta.

Und auch dieser Trend hat sich jetzt wieder umgekehrt – auch weil Netflix zum Beispiel erfolgreich dagegen vorgegangen ist, dass ein Account von mehreren Haushalten genutzt wird. Netflix hat inzwischen durch seine Größe im Markt für Video-Streaming einen klaren Wettbewerbsvorteil und kann Skaleneffekte heben.

Die Kosten für die Produktion einer Serie sind schließlich gleich – egal ob Sie einen oder 260 Millionen Nutzerinnen und Nutzer haben. Außerdem wird sich die beginnende Werbevermarktung positiv auf das Geschäft und die Profitabilität auswirken. 

Das scheinen andere auch so zu sehen: Die Netflix-Aktie gewann nach Veröffentlichung der Zahlen deutlich hinzu. Die Kursreaktion auf die Daten von Apple, Ihrer größten Fondsposition, dagegen fiel eher verhalten aus. 

Die Apple-Zahlen waren okay. Wir sind optimistisch, was die Service-Geschäftsfelder wie den Bezahldienst Apple Pay oder den App Store angeht. Das ist besser planbarer und vor allem ein deutlich stärker wiederkehrender Umsatz, als das beim reinen Verkauf von Produkten wie dem iPhone der Fall ist. Und ja, Apple ist noch die größte Position im Fonds. Wir halten Apple aber seit 2005 und haben immer mal wieder Anteile verkauft. Sonst wäre das Gewicht der Aktie noch viel höher als die gut zwölf Prozent, die sie aktuell ausmacht. 

Nicht nur bei Ihnen ist Apple stark vertreten. Im S&P 500 macht die Aktie allein 6,6 Prozent des Index aus, im Nasdaq 100 nochmal zwei Prozentpunkte mehr. Glauben Sie, dass die Konzentration großer Techwerte wie Apple, Alphabet oder Amazon in Indizes einfach immer weiter zunehmen wird?

Es ist bemerkenswert: Der US-Index Russell 1000 Growth, mit dem wir unseren Fonds vergleichen, besteht aus 440 Werten. Aber allein die sieben größten machen rund die Hälfte des Indexgewichts aus. So hoch war die Konzentration nie zuvor, nicht mal während der Dotcom-Blase. Ich bin überzeugt, dass sich der Markt irgendwann auch wieder verbreitern wird. Ich weiß nur nicht, wann und wodurch das ausgelöst werden könnte.

Welche drei Dinge muss ein Unternehmen haben, damit Sie es interessant finden? 

Wenn ich drei benennen müsste wäre das: Erstens, ein einzigartiges Produkt oder Dienstleistung. Zweitens, die Fähigkeit, einen Wettbewerbsvorteil zu behalten und auszubauen. Und drittens hohe Renditen aufs eingesetzte Kapital oder die Aussicht darauf, in Zukunft hohe Renditen auf das eingesetzte Kapital zu erzielen. 

Die Rendite aufs eingesetzte Kapital oder "Return on Capital employed" ("ROCE") ist eine Kennzahl aus der Betriebswirtschaftslehre. Sie setzt den erzielten Nettogewinn ins Verhältnis zum betriebsnotwendigen Kapital. Das ist der Teil des Unternehmensvermögens, der für das laufende Geschäft zwingend erforderlich ist.

Was bedeutet „hoch“?

Ganz grob gesagt sollten sie schon im zweistelligen Prozentbereich liegen. Nehmen Sie zum Beispiel die Restaurantkette Chipotle, die stark auf lokale Zulieferer setzt. Das ist immer schon ein tolles Geschäft gewesen, das sehr viel Cash abwirft.

Vor einigen Jahren kam aber ein neuer Chef und hat das Unternehmen noch konsequenter aufs Digital-Geschäft ausgerichtet. Inzwischen gibt es in Chipotle-Filialen zwei Zubereitungs-Linien: Eine für die Gäste im Lokal und eine für die Online-Bestellungen. Das ist ein enormer Effizienzgewinn, weil sie so mehr Kundinnen und Kunden in der gleichen Zeit bedienen können. 

Welche Aktie haben Sie in jüngerer Vergangenheit erstmals in den ACI Select Fund aufgenommen?

Zum Beispiel TJX, die in Deutschland unter der Marke TK Maxx auftreten, ein außergewöhnlicher Einzelhändler. TJX kauft im Grunde Produkte von anderen Händlern, wenn sie die Nachfrage falsch kalkuliert haben. Ist also ein Produkt zwar beliebt, aber nicht so beliebt, wie ursprünglich gedacht, müssen Einzelhändler die überschüssige Ware verkaufen.

TJX nimmt sie ab und kann sie weit unter Originalpreis verkaufen. Die Qualität der angebotenen Waren hat dabei immer mehr zugenommen. Früher war das ein Geschäft, in das Leute gingen, weil sie sparen mussten. Heute gehen sie hin, weil sie es wollen. Es ist eine Schatzsuche. 

Was Hacke und Schaufel für Goldgräber sind, sind die Chips von Nvidia für KI-Unternehmen

Eine Restaurantkette und ein Einzelhändler: ungewöhnliche Werte für einen Wachstumsfonds; das Thema der Stunde ist doch eher Künstliche Intelligenz (KI). Oder ist hier das Enttäuschungspotenzial schon zu groß?

Es ist sehr früh und sehr schwer zu prognostizieren, wie sich das Thema entwickelt. Einige schlaue Leute sagen, es könnte unser Alltagsleben grundlegend verändern. Man wird sehen. Wir sind in dem Bereich über unser Investment in den Chiphersteller Nvidia dabei. Was für Goldgräber Schaufeln und Hacken sind, sind für KI-Unternehmen Chips von Nvidia. Die Grundidee ist also: Egal, wer führend in dem Bereich sein wird, braucht Chips und da ist Nvidia sicherlich ein wesentlicher Spieler.

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