Selenskyj im Bundestag - Es gibt keine Mauer, die nicht fällt

Reuters · Uhr
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Berlin (Reuters) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Rede im Bundestag die Entschlossenheit seines Landes betont, die russischen Invasionstruppen aus dem Land zu treiben.

In einer 16-minütigen Rede betonte Selenskyj am Dienstag, dass man sich nicht mit einer Lösung zufrieden geben werde, bei der nicht klar sei, wer diesen Krieg gewonnen habe. "Es gibt keine Mauer, die nicht fällt", sagte er zudem in Anspielung auf den Fall der Mauer in Deutschland 1989. Die Ukraine werde keine Mauern in ihrem Land akzeptieren, erklärte er mit Blick auf die russisch besetzten Gebiete. Überschattet wurde der Auftritt durch einen Boykott des BSW und fast der gesamten AfD-Fraktion. Andere Parteien reagierten empört.

Selenskyj hatte am Vormittag bereits an der Wiederaufbau-Konferenz teilgenommen. Bei seiner Rede im Bundestag waren auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig als derzeitige Bundesrats-Vorsitzende anwesend. Selenskyj dankte Deutschland für seine Hilfe und forderte, dass Russland die volle Verantwortung für den Krieg gegen sein Land übernehmen müsse. Die Zeit für Kompromisse sei vorbei, Russland müsse den ganzen Schaden bezahlen. Der russische Präsident Wladimir Putin müsse diesen Krieg verlieren. Selenskyj erhielt am Ende seiner Rede stehenden Beifall der Abgeordneten. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hatte im zuvor die Solidarität des Parlaments versichert.

Allerdings hatten das BSW von Sahra Wagenknecht und die Fraktionsführung der AfD entschieden, bei der Rede nicht präsent zu sein. Beide Parteien gelten als Russland-nah. "Wir lehnen es ab, einen Redner im Tarnanzug anzuhören", erklärten die beiden AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Selenskyjs Amtszeit sei "abgelaufen". "Er ist nur noch als Kriegs- und Bettelpräsident im Amt." Die Ukraine brauche aber "keinen Kriegspräsidenten", sie brauche "einen verhandlungsbereiten Friedenspräsidenten". Allerdings nahmen vier AfD-Abgeordneten an der Sitzung teil und applaudierten Selenskyj teilweise.

Die Nachrichtenplattform t-online hatte unter Berufung auf eine Erklärung des BSW berichtet, dass man Selenskyjs Rede fernbleiben wolle, weil dieser "mittlerweile nach dem Urteil vieler internationaler Beobachter auf eine offene Eskalation des Krieges und einen unmittelbaren Kriegseintritt der Nato" setze. Das BSW verurteile zwar "den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine". Aber Selenskyj trage dazu bei, "eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern".

Bei SPD und CDU stieß das Verhalten der Rechts- und Linksaußen-Parteien auf scharfe Kritik. "Da ist peinlich, respektlos und man blamiert sich so gut man kann", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, der Nachrichtenagentur Reuters. "Sahra Wagenknecht ist scheinbar jedes Mittel zur eigenen Profilierung Recht. Das alles auf dem Rücken der Ukraine, wo Menschen auch zur Stunde um ihr Leben bangen und kämpfen müssen." Das BSW sei eine "elendige nationalpopulistische Partei", schrieb der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD).

"Wahrscheinlich hat der Kreml das Fernbleiben angeordnet", sagte der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der "Rheinischen Post". "Damit unterstreichen AfD und BSW einmal mehr ihre Verachtung für die Opfer des russischen Angriffskriegs", sagte auch Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der Zeitung. Linkspartei-Chefin Janine Wissler nannte das Verhalten von Wagenknechts BSW "peinlich". Der BSW hatte im Europawahlkampf unter anderem mit dem Slogan "Krieg oder Frieden? Sie haben jetzt die Wahl" geworben und war aus dem Stand auf einen Stimmenanteil von 6,2 Prozent gekommen.

Kanzler Scholz hatte bereits in der Wiederaufbaukonferenz betont, dass das Ergebnis der Europawahlen sowohl in Deutschland als auch der EU eine klare Mehrheit für die weitere Unterstützung der Ukraine zeige. Die SPD war bei der Wahl auf 13,9 Prozent gekommen, die AfD auf 15,9 Prozent.

(Bericht von Andreas Rinke und Alexander Ratz; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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