Der Markt spekuliert darauf, dass Trump im Zollstreit doch wieder klein beigibt
Maximilian Nagel
Trump droht der EU mit unerwartet hohen Zöllen, obwohl die Verhandlungen dem Vernehmen nach konstruktiv sind. Der Markt bleibt aber gelassen - und spekuliert darauf, dass Trump nur eine Drohkulisse aufbauen will.

Nach nervösen Handelstagen kam am Wochenende Gewissheit. Auch auf Einfuhren aus Europa sollen hohe Zölle anfallen. 30 Prozent werden ab dem 1. August fällig, so US-Präsident Donald Trump.
Diese Rate liegt dreimal höher als das, was für Importe aus dem Staatenbund derzeit fällig werden – nämlich der Basis-Zoll von zehn Prozent. Trotzdem bleibt der Markt geradezu gelassen. Der Dax eröffnete am Montag „nur“ gut ein Prozent tiefer.
Im Kontext der vergangenen Woche gesehen ist das ein vernachlässigbares Minus. Der Dax markierte erst am Donnerstag ein Rekordhoch bei 24.639 Punkten. Eine Gegenbewegung nach dieser kleinen Rally ist da keine Überraschung – für manche Investoren gibt Trumps Zoll-Ankündigung sogar eine Rechtfertigung, einige Gewinne zu realisieren.
Diese Kursbewegungen sind kein Vergleich zu den Verwerfungen im April, als Trump erstmals seine „reziproken“ Zölle ankündigte. Damals verbuchten Indizes, weltweit, die heftigsten Tagesverluste seit Jahren. Kurzzeitig rutschte der Markt in den USA sogar technisch in den Bereich eines Bärenmarkts.
Die Devise der Stunde: „TACO“
Nun bleiben die Anleger entspannter. „TACO“ ist die Devise der Stunde. Das Kürzel steht für „Trump always chickens out“. Sinngemäß übersetzt: Trump gibt sowieso wieder klein bei. Gemeint ist, dass Trump sich letztlich auf eine vernünftige Regelung für beide Seiten einlässt, mit nochmals niedrigeren Raten.
Das zumindest ist die Lehre, die aus dem Schlagabtausch mit China gezogen wird. Trump began mit einem ersten Schlag, Zöllen von 34 Prozent, plus einem 20-prozentigen Zoll, welchen die USA mit dem Fentanyl-Problem begründeten. China rächte sich mit ebenfalls 34 Prozent und Exportverboten bei Seltenen Erden, woraufhin die USA nochmals 50 Prozentpunkte beim Zoll aufschlugen.
Letztlich mündete der Streit in US-Zöllen von 145 Prozent und China-Zöllen von 125 Prozent, wobei Peking erklärte, eine weitere Steigerung brauche es nicht mehr, selbst, wenn die USA nochmal nachlegen. Bei derart hohen Zollraten sei der Handel praktisch schon komplett abgewürgt, so die Staatsführung Chinas.
Am Ende verhandelten die beiden Nationen doch weiter, und einigten sich auf deutlich niedrigere Zollraten von 55 Prozent aufseiten der USA und zehn Prozent auf der Seite Chinas. Hart blieb Trump also gegenüber dem „Erzfeind“ im Handel also nicht.
„Man könnte durchaus sagen, dass wir eine Verbesserung sehen“
Darauf spekulieren die Anleger nun wieder. „Um fair zu bleiben: Noch vor einem Monat drohte Trump der EU einen 50-prozentigen Zollsatz an, also könnte man durchaus sagen, dass wir eine Verbesserung sehen“, kommentierte Makro-Stratege Jim Reid von der Deutschen Bank. Optimisten in Brüssel sehen in dem Schreiben nur den Versuch Trumps, für weitere Verhandlungen eine Drohkulisse aufzubauen.
Ebenso sehen die Märkte diesen Zug Trumps nur als Verhandlungstaktik an, so Reid. Das erklärt, warum die Kurse sich stabil halten. Außerdem halte sich die EU mit Vergeltungsmaßnahmen noch bedeckt, sagt Reid. Etwaige Gegenzölle seien nun auch bis zum 1. August ausgesetzt.
„Allerdings“, sagt Reid, „werde früher oder später verlangt werden, die Karten auf den Tisch zu legen. Der Druck auf Trump hat durch die rekordhohen Börsen und die stabilen Anleihemärkte definitiv nachgelassen.“ Die Möglichkeit einer Korrektur bleibe damit vorhanden, so Reid. „Sollten am 1. August doch harsche Zölle verhängt werden, könnte es im dünnen Handel während der Urlaubszeit zu einer beachtlichen Kursbewegung kommen.“
Das wäre ein sogenanntes „Risk-Off“-Ereignis – Anleger verkaufen riskantere Anlagen, wie eben Aktien ab, und flüchten in „sichere Häfen“ wie Gold oder Anleihen. Auf diesen Ausgang der Verhandlungen sollten Anleger ebenso vorbereitet sein, zumal das Beispiel Mexiko zeigt, dass Schmeicheleien nicht ans Ziel führen.
Konstruktive Verhandlungen brachten Mexiko nicht weiter
Anders als Kanada bemühte sich der südliche Nachbar darum, konstruktive Verhandlungen zu führen und Trump zu besänftigen – etwa in Form strengerer Kontrollen und verstärkter Drogen-Razzien an der Grenze zu den USA. Trotzdem wütete Trump am Wochenende: „Was Mexiko tut, ist nicht genug. Mexiko hat die Drogenkartelle immer noch nicht aufgehalten.“
Trump drohte auch diesem Land Zölle von 30 Prozent ab dem 1. August an. Damit steht Mexiko nur marginal besser da als Kanada mit 35 Prozent, obwohl der kanadische Premier Mark Carney auf Konfrontation mit Trump ging, und erst kürzlich ein Zugeständnis bei einer geplanten Steuer auf digitale Dienstleistungen machte, welche die US-Tech-Größen belastet hätte. Die Abgabe ist erstmal auf Eis gelegt.
Ganz so sicher ist also doch nicht, ob der „TACO-Trade“ auch in den nächsten Wochen bis Anfang August hält. Für die in diesem Jahr stärkten Märkte in Europa und insbesondere Deutschland wäre eine solche Zollrate jedenfalls ein Belastungsfaktor, wie erste Ökonomeneinschätzungen zeigen.
Der Zoll-Brief Trumps an die EU sei „eine Überraschung“, welche „Bedenken um den Konjunkturausblick im Euroraum wieder anfacht“, zitierte „CNBC“ die Ökonomen von Goldman Sachs. Die Experten von JPMorgan kommen zum gleichen Urteil: „Diese 30-Prozent-Rate kommt überraschend, da es aus Kreisen der EU hieß, dass die Verhandlungen sich auf eine 10-Prozent-Rate konzetrierten, inklusive einiger Ausnahmen bei bestimmten Gütern.“