Scholz spricht von Terrorismus - Streit über schärfere Gesetze

- von Andreas Rinke und Alexander Ratz
Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich betroffen über den Anschlag von Solingen gezeigt und ein verschärftes Waffengesetz angekündigt.
"Das war Terrorismus, Terrorismus gegen uns alle", sagte der SPD-Politiker am Montag in Solingen. "Wir werden alles dafür tun müssen, dass diejenigen, die hier in Deutschland nicht bleiben können und dürfen, auch zurückgeführt und abgeschoben werden." Während Union und AfD Korrekturen in der Asylpolitik forderten, wies die Ampel-Regierung Forderungen von CDU-Chef Friedrich Merz zurück, die Aufnahme von Afghanen und Syrern ganz zu stoppen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies dazu auf das individuelle Asylrecht im Grundgesetz.
GEDENKEN IN SOLINGEN
Eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen löste der Anschlag eines 26-jährigen Syrers eine Debatte über die Asylpolitik und über Sicherheitsgesetze aus. Der Mann, der sich nach seiner Festnahme zum Islamischen Staat (IS) bekannte, hatte auf dem Solinger Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht verletzt.
Scholz, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach legten am Tatort Blumen nieder. Scholz erklärt danach, er sei wütend und zornig. Sein Zorn gelte "den Islamisten, die das friedliche Zusammenleben von uns allen bedrohen, die das friedliche Miteinander von Christen, Juden und Muslimen gefährden". Er betonte, dass man sich den Zusammenhalt nicht von "bösen Straftätern" kaputtmachen lasse.
Kanzler und Oppositionsführer Merz wollen sich am Dienstag treffen, hieß es in Berlin. Merz hatte am Wochenende angeboten, gemeinsam zu beraten, welche Gesetze verschärft werden müssten. Die Regierung verwies jedoch darauf, dass es bereits in den vergangenen Monaten grundlegende Änderungen gegeben habe. Deshalb sei sowohl die Zahl der Abschiebungen gestiegen als auch die Zahl der neu ankommenden Asylbewerber gesunken. Die Rückführung sei aber Angelegenheit der Bundesländer. Laut Regierungssprecher arbeitet man derzeit an einer Bestandsaufnahme, woran eine konsequentere Rückführung scheitere.
Die Opposition wirft der Ampel-Regierung vor, nicht konsequent genug gegen irreguläre Migration vorzugehen und zu wenig Migranten abzuschieben. Anders als vom Kanzler versprochen, habe es keine Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan und Syrien gegeben. Das Auswärtige Amt verwies erneut darauf, dass keine diplomatischen Beziehungen mit beiden Ländern bestünden und etwa überall in Syrien gekämpft werde.
Offenbar war dies aber nicht das Problem im Fall des mutmaßlichen Attentäters: Der 26-jährige Syrer hätte laut Medienberichten bereits im vergangenen Jahr in das EU-Land Bulgarien zurückgeführt werden müssen. Er war dann aber zunächst untergetaucht. Als er sich ein halbes Jahr später wieder bei den Behörden meldete, bekam der Syrer erneut einen Schutzstatus und wurde nach Solingen geschickt.
AfD UND BSW ÜBEN SCHARFE KRITIK
Bereits am Sonntag hatte Bundespräsident Steinmeier mehr Personal für die Sicherheitsbehörden und eine Ausweitung der Kompetenzen des Bundeskriminalamts gefordert. Ein Regierungssprecher sagte, er erwarte eine sehr schnelle Einigung auf ein schärferes Waffenrecht. Bisher hakte dies wegen eines Streits zwischen dem SPD-geführten Innen- und dem FDP-geführten Justizministeriums.
Scharfe Kritik kam von den politischen Rändern. AfD-Co-Chefin Alice Weidel forderte ein Moratorium in der Migrationspolitik. Sie wolle einen Einwanderungs-, Aufnahme- und Einbürgerungsstopp für fünf Jahre, schrieb sie auf der Plattform X. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte, dass in der Asylpolitik Recht und Gesetz nicht mehr gelten würden. Es würden in Deutschland sehr viele Menschen aufgenommen, die kein Anrecht auf Asyl hätten, sagte sie der "Welt".
MEINUNGSFORSCHER SEHEN GERINGE AUSWIRKUNG AUF LANDTAGSWAHL
Meinungsforscher erwarten nur geringe Auswirkungen des Anschlags auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag. "Das ist sicher Wasser auf die Mühlen der AfD, die aber mit diesem Thema ohnehin schon mobilisiert", sagte Stefan Merz, Wahlforscher des Instituts Infratest dimap zu Reuters. "Ich glaube eher nicht, dass der Anschlag besonders große Auswirkungen auf die Wahl haben wird."
Merz verwies wie Forsa-Chef Manfred Güllner darauf, dass man auch bei dem tödlichen Anschlag auf einen Polizisten in Mannheim unmittelbar vor der Europawahl keine großen zusätzlichen Ausschläge etwa zugunsten der AfD verzeichnet habe. "Die AfD mobilisiert ihre Anhänger bereits jetzt über das Migrationsthema", sagte Güllner zu Reuters. "Sie fühlen sich bestärkt, gehen aber ohnehin zur Wahl." Für die Anhänger anderer Parteien stünden andere Themen bei der Landtagswahl im Vordergrund.
(Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)