Neue MPox-Variante mutiert schnell - Forschung im Blindflug

- von Jennifer Rigby und Julie Steenhuysen -
London/Chicago, 27. Aug (Reuters) - Die Ausbreitung der neuen Variante des Mpox-Virus bereitet Wissenschaftlern Sorgen.
Denn das Virus verändert sich überraschend schnell - und das oft in Gebieten, in denen Experten nicht über die Mittel verfügen, um es gut verfolgen zu können. Es gebe zahlreiche Unbekannte über das Virus selbst, seinen Schweregrad und seine Übertragungswege, berichten ein halbes Dutzend Wissenschaftler aus Afrika, Europa und den USA im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich mache mir Sorgen, dass wir in Afrika im Blindflug arbeiten", sagt der Experte für Infektionskrankheiten am Niger Delta University Hospital in Nigeria, Dimie Ogoina, der den Vorsitz des Mpox-Notfallkomitees der WHO führt.
Ogoina schlug 2017 erstmals Alarm. Damals ging es um eine mögliche sexuelle Übertragung, die inzwischen als anerkannter Verbreitungsweg gilt. "Wir verstehen unseren Ausbruch nicht sehr gut, und wenn wir unseren Ausbruch nicht sehr gut verstehen, werden wir Schwierigkeiten haben, das Problem in Bezug auf die Übertragungsdynamik, die Schwere der Krankheit und die Risikofaktoren anzugehen", erklärt Ogoina. "Und es bereitet mir Sorgen, dass das Virus zu mutieren scheint und neue Stämme hervorbringt."
Mpox, früher bekannt unter dem Namen Affenpocken, ist seit 1970 ein Gesundheitsproblem in Teilen Afrikas. Das Virus erlangte jedoch erst 2022 weltweite Aufmerksamkeit, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen seiner Ausbreitung einen globalen Gesundheitsnotstand erklärte. Dieser endete zehn Monate später. Wegen der Verbreitung einer neuen Variante - Klade Ib - rief die WHO vor zwei Wochen erneut ihre höchste Alarmstufe aus. Diese ist eine mutierte Version von Klade I, einer Mpox-Form, die durch Kontakt mit infizierten Tieren übertragen wird und seit Jahrzehnten im Kongo vorkommt.
MUTATIONSGESCHWINDIGKEIT NIMMT ZU
Ogoina zufolge dauerte es mindestens fünf Jahre, bis Klade IIb in Nigeria so weit mutierte, dass sich der Erreger nachhaltig unter Menschen ausbreitete. Das löste den weltweiten Ausbruch 2022 aus. Klade Ib habe das Gleiche in weniger als einem Jahr geschafft.
Mpox zählt zur Gattung der Orthopoxviren, die auch die Pocken verursachen. Der bevölkerungsweite Schutz durch eine weltweite Impfaktion vor 50 Jahren hat nachgelassen, da die Impfungen eingestellt wurden, als die Krankheit ausgerottet war.
Genetische Sequenzierungen von Infektionen der Klade Ib, die nach Schätzungen der WHO Mitte September 2023 auftraten, zeigen, dass sie eine als APOBEC3 bekannte Mutation tragen. Das Mpox-Virus mutiert eigentlich langsam, aber APOBEC-Mutationen können seine Veränderung beschleunigen, wie der in Seattle forschende Virologe Miguel Paredes sagt. "Alle Mensch-zu-Mensch-Fälle von Mpox weisen diese APOBEC-Signatur von Mutationen auf, was bedeutet, dass das Virus etwas schneller mutiert als wir erwarten würden."
CHEMIKALIEN FEHLEN IN AFRIKA
Laut WHO sind Kinder, schwangere Frauen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem einem größeren Risiko ausgesetzt, an Mpox zu erkranken und zu sterben. Nach Einschätzung der Wissenschaftler ist weitere Forschung dringend nötig, aber oft haben sie in Afrika noch nicht einmal die Chemikalien, die für Tests benötigt werden. Ohne diese Informationen sei die Entwicklung einer Gegenstrategie, einschließlich Impfungen, schwierig.
Nach Angaben des südafrikanischen Epidemiologen Salim Abdool Karim wird etwa die Hälfte der Fälle im Ostkongo, wo Ib besonders häufig vorkommt, nur von Ärzten diagnostiziert - ohne Laborbestätigung. Proben in Labore zu bringen, sei schwierig, da das Gesundheitssystem bereits unter Druck stehe. Und etwa 750.000 Menschen seien aufgrund von Kämpfen zwischen Rebellen und der Regierung vertrieben worden. Viele afrikanische Labore bekämen die benötigten Materialien nicht, sagt Emmanuel Nakouné, Mpox-Experte in der Zentralafrikanischen Republik. "Das ist kein Luxus", sondern sei notwendig, um tödliche Ausbrüche zu verfolgen.
(Geschrieben von Patricia Weiß, redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)