Rückversicherer sorgen sich um teure Schadenersatz-Urteile in USA
Zürich/Berlin/Monte Carlo (Reuters) - Der Trend zu höheren Schadenersatz-Zahlungen in den USA ist nach Einschätzung von Rückversicherern ein wachsendes Problem für die Haftpflichtversicherungsbranche.
Wegen der steigenden Zahl teurer Schadenersatzurteile habe das Wachstum der US-Haftpflichtschäden in den vergangenen zehn Jahren die Teuerung übertroffen, teilte der Rückversicherer Swiss Re am Montag anlässlich des Treffens der Versicherungsbranche in Monte Carlo mit. Nichts spreche dafür, dass dieser Trend nachlasse. 2023 hätten Gerichte Klägern in 27 Fällen eine Entschädigung von über 100 Millionen Dollar zugesprochen, erklärte das Schweizer Unternehmen.
Ähnlich äußerte sich mit Blick auf Nordamerika die weltweite Nummer Drei der Branche, Hannover Rück. "Eine Herausforderung für die Versicherungsbranche bleibt die soziale Inflation, die steigende Schadenkosten aufgrund von Rechtsstreitigkeiten, höheren Entschädigungssummen sowie umfangreicheren Haftungsdefinitionen umfasst", hieß es. Diese Art der Teuerung verharre auf überdurchschnittlichem Niveau, was weitere Preis- und Konditionsanpassungen bei Erst- und Rückversicherern im Haftpflichtsegment erfordere. "Darüber hinaus beeinflusst die Prozessfinanzierung weiter das rechtliche Umfeld und erzeugt zusätzlichen Druck auf Preise und Konditionen."
Die Münchener Rück hatte am Sonntag erklärt, die Schadeninflation in manchen Segmenten sei weiter hoch. Getrieben werde sie von konjunkturunabhängigen Faktoren. Als Beispiel nannte der weltgrößte Rückversicherer neben kostentreibenden medizinischen Fortschritten, anziehenden Pflegekosten und teurem Baumaterial steigende Schadenersatz-Urteile insbesondere in den USA. In dem wichtigen Markt halte der Trend zu Gerichtsbeschlüssen mit immer höheren Schadenersatzsummen an – "eine Entwicklung, von der spezialisierte Anwälte und Investoren als Finanzierer der Verfahren profitieren", betonten die Münchner. "Die Ratenentwicklung hält mit der Schadeninflation in den USA in vielen Jahren nicht Schritt."
Die Münchener Rück sieht im Marktumfeld derzeit Chancen und Risiken. Nach deutlichen Zuwächsen in den vergangenen Jahren dürfte der weltweite Rückversicherungsmarkt in den kommenden drei Jahren inflationsbereinigt um zwei bis drei Prozent wachsen - und damit fast gleichauf mit dem Erstversicherungssektor.
WEITERE PREISERHÖHUNGEN BEI KFZ-VERSICHERUNG ERWARTET
Die Hannover Rück rechnet für das kommende Jahr mit etwas weniger Rückenwind bei den Prämien. "Die Hannover Rück rechnet für die Erneuerungsrunde in der Schaden-Rückversicherung zum 1. Januar 2025 mit Preisen und Konditionen auf anhaltend stabilem Niveau." In den Vertragserneuerungen in diesem Jahr hätten sich Preise und Konditionen teils weiter verbessert, teils auf Vorjahresniveau stabilisiert, erklärte Jean-Jacques Henchoz, der Chef des Dax-Konzerns.
In Deutschland sei die Kfz-Versicherung als volumenstärkste Sparte in der Schaden-Erstversicherung weiter defizitär. Die zuletzt vorgenommenen Tariferhöhungen reichten aber nicht aus, um die Verlustzone zu verlassen. Deshalb gehe die Hannover Rück davon aus, dass es zu weiteren Preiserhöhungen kommen werde.
Die Branche trifft sich derzeit in Monte Carlo. Beim "Rendezvous de Septembre" starten traditionell die Verhandlungen mit Versicherern und Maklern über die Preise für die zum Jahreswechsel zu erneuernden Verträge.
(Bericht von Oliver Hirt und Klaus Lauer, redigiert von Olaf Brenner. - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)