Moldauer laut ersten Ergebnissen gegen EU-Beitritt und Sandu nur knapp vorn
Chisinau (Reuters) - In der Republik Moldau steht die pro-europäische Regierung um Präsidentin Maia Sandu vor einem schweren Rückschlag.
Die Bürgerinnen und Bürger des südosteuropäischen Landes sprachen sich ersten Ergebnissen zufolge am Sonntag in einem Referendum faktisch gegen einen EU-Beitritt aus. Zudem lag Sandu bei den zeitgleich durchgeführten Präsidentschaftswahlen nur knapp vor ihrem pro-russischen Rivalen Alexandr Stoianoglo. Umfragen hatten einen deutlichen Sieg Sandus vorhergesagt. Sollten sich die Zahlen bestätigen, könnte Stoianoglo mit Rückenwind in die Stichwahl am 3. November gehen. Auch für die EU sind die Zahlen ernüchternd, hat sie doch Sandu tatkräftig unterstützt. Russland ringt aber ebenso um Einfluss in der Ex-Sowjetrepublik. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 hat Moldau abwechselnd einen pro-westlichen und einen pro-russischen Kurs eingeschlagen.
Auf der Internetseite der Wahlkommission hieß es am Sonntagabend, nach Auszählung von mehr als 92 Prozent der Stimmen hätten beim Referendum über den EU-Beitritt 52 Prozent der Moldauer mit "Nein" und 47 Prozent mit "Ja" gestimmt. Trotz dieser Differenz könnten die Befürworter des Referendums noch die Oberhand gewinnen, da die Stimmen der überwiegend EU-freundlichen Diaspora noch nicht ausgezählt sind. Sandu hatte energisch für einen EU-Beitritt Moldaus geworben, der durch das Referendum als strategisches Ziel in der Verfassung verankert werden sollte. Stoianoglo hatte indes zum Boykott des Referendums aufgerufen.
VON DER LEYEN UND BAERBOCK IN CHISINAU
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich erst jüngst mit Sandu in der Hauptstadt Chisinau getroffen, um für das Referendum zu werben. Sie sagte zudem 1,8 Milliarden Euro an finanzieller Unterstützung zu. Auch Deutschland fördert die europäischen Bestrebungen in Moldau, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock war zuletzt im September in Chisinau.
Bei den Präsidentschaftswahlen liegt Sandu nach 92 Prozent der ausgezählten Stimmen laut Wahlkommission bei 38 Prozent. Stoianoglo, der von der russlandfreundlichen Partei der Sozialisten unterstützt wird, kommt auf 28 Prozent. Erreicht kein Kandidat im ersten Wahlgang mindestens 50 Prozent der Stimmen, kommt es in dem 2,5 Millionen Einwohner zählenden Land am 3. November zu einer Stichwahl. Das Ergebnis könnte sich noch ändern, vor allem wenn die Stimmen der großen pro-westlichen Diaspora ausgezählt werden. Oazu Nantoi, ein Abgeordneter von Sandus PAS-Partei, führte das schwächer als erwartet ausgefallene Ergebnis auf die seiner Meinung nach "hybride" russische Einmischung zurück. "Wir befinden uns in einer Grauzone und stehen unter großem Einfluss von Putin", sagte er.
Die Regierung in Moldau hatte Russland wiederholt vorgeworfen, die Wahl zu beeinflussen. "Es handelt sich um eine kalkulierte, großangelegte Aktion, die darauf abzielt, unsere Zukunft zu destabilisieren und Moldawiens Weg in die EU zu verhindern", hatte etwa Sandus außenpolitische Beraterin Olga Rosca der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. Nach ihren Schätzungen hat die Regierung in Moskau über 100 Millionen Euro ausgegeben, um die Wahlen zu beeinflussen. Die Polizei geht davon aus, dass ein von Russland gesteuertes Netzwerk versucht haben soll, 130.000 Wähler zu bestechen, mit "Nein" zu stimmen und die von ihm bevorzugten Kandidaten zu unterstützen. Sandu selbst erklärte am späten Sonntag, es gebe "eindeutige Beweise" dafür, dass kriminelle Gruppen in Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften, die den Interessen der Republik Moldau feindlich gegenüberstünden, versucht hätten, 300.000 Stimmen zu kaufen. "Ihr Ziel war es, den demokratischen Prozess zu untergraben. Sie wollten Angst und Panik in der Gesellschaft verbreiten... Wir warten auf die endgültigen Ergebnisse und werden mit harten Entscheidungen reagieren", sagte sie.
SANDU-PARTEI AUCH VOR SCHWEREN WAHLEN 2025
Russland hat die Vorwürfe bestritten und wirft der Regierung in Chisinau umgekehrt vor, die Wahl von Russland-freundlichen Politikern zu verhindern. Russland hat bereits mit der abtrünnigen Region Transnistrien einen Teil Moldaus fest im Griff. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 hatten sich pro-russische Separatisten in einem Bürgerkrieg vom Kernland abgespalten. Nur Russland hat den schmalen Landstreifen als unabhängig anerkannt und dort Soldaten stationiert.
2025 stehen in Moldau zudem Parlamentswahlen an. Sandus Partei stehe dabei ein harter Kampf bevor, um ihre Mehrheit im Parlament zu halten, hatte der Politikexperte Valeriu Pascha zu Reuters gesagt. Sandus Partei hat durch die Corona-Pandemie, die drastische Reduzierung russischer Erdgaslieferungen, einen erheblichen Anstieg der Inflation und durch viele Flüchtlinge aus der benachbarten Ukraine an Popularität verloren.
(Bericht von Alexander Tanas und Tomas Balmforth. Geschrieben von Ralf Bode und Katharina Loesche- Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)