4300 Kilometer entfernt - Ukraine greift russische Bomber in Sibirien an

Kiew/Moskau (Reuters) - Unmittelbar vor neuen Gesprächen über eine Waffenruhe haben die Ukraine und Russland sich erneut mit schweren Angriffen überzogen.
Der Ukraine gelang dabei nach eigenen Angaben am Sonntag ein spektakulärer Schlag gegen russische Langstreckenbomber in Sibirien - mehr als 4300 Kilometer von der Front entfernt. Demnach waren zuvor Drohnen versteckt unter Dächern von Holzschuppen in die Nähe der Bomber gebracht worden. Russland sprach von Drohnenangriffen auf Flughäfen in Murmansk, Irkutsk, Iwanowo, Tjasan und der Amur-Region. Die russische Armee wiederum flog nach ukrainischen Angaben mit 472 Drohnen den heftigsten Angriff seit Kriegsausbruch. In Russland starben zudem bei zwei Brückeneinstürzen mindestens sieben Menschen.
Laut pro-russischen Bloggern ist der ukrainische Angriff in Sibirien der erste derartige Schlag. Unbestätigte Videos und Bilder, die im Internet gepostet wurden, zeigen brennende strategische Bomber auf dem Luftwaffenstützpunkt Belaja nördlich von Irkutsk. Das russische Verteidigungsministerium sprach von Terrorakten. Es habe Festnahmen gegeben.
In Kiew sagte ein Mitarbeiter des Geheimdienstes SBU, man habe mehr als 40 russische Flugzeuge mit Drohnen angegriffen. Russland nutze diese strategische Bomber vom Typ Tu-95 und Tu-22, um Langstreckenraketen auf die Ukraine abzufeuern.
Aus dem Umfeld des SBU hieß es, man habe mit Sprengstoff beladene Drohnen in Dächern von Holzschuppen versteckt, die an den Rand der Luftwaffenstützpunkte gebracht worden seien. Die Dachplatten der Schuppen sein ferngesteuert abgehoben worden, so dass die Drohnen herausfliegen und angreifen konnten. Der durch die Angriffe verursachte Schaden werde auf sieben Milliarden Dollar geschätzt. 34 Prozent der strategischen Marschflugkörper-Träger auf den wichtigsten Flugplätzen der Russischen Föderation seien getroffen worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von "spürbaren Verlusten" für Russland.
Russland wiederum hat nach ukrainischen Angaben 472 Drohnen auf die Ukraine abgefeuert. Das sei die bislang höchste Zahl in einer Nacht gewesen. 382 Drohnen hätten abgefangen werden können sowie drei von sieben von Russland abgeschossenen Raketen.
Angesichts der fortwährenden russischen Angriffe auf das im Februar 2022 überfallene Land greift die Ukraine seit einiger Zeit selbst Ziele in Russland an. Möglicherweise gehört dazu auch die Zerstörung zweier Brücken in russischen Regionen an der Grenze zur Ukraine, bei denen nach Behördenangaben mindestens sieben Menschen starben. Russische Politiker sprachen von Sabotage und machten die Ukraine für die Sprengungen der Brücken in den Regionen Brjansk und Kursk verantwortlich.
In der Region Brjansk stürzte am Samstag eine Autobahnbrücke auf Bahngleise und brachte dabei einen herannahenden Zug zum Entgleisen. Nach russischen Angaben wurden dabei mindestens sieben Menschen getötet und 69 verletzt. Der Einsturz der Brücke ist nach Aussage von Alexander Bogomas, Gouverneur der Region Brjansk, auf eine Explosion zurückzuführen: "Die Brücke wurde gesprengt, während der Zug von Klimowo nach Moskau mit 388 Passagieren an Bord die Stelle passierte."
Am frühen Sonntag brach in der Region Kursk eine Eisenbahnbrücke ein, während ein Güterzug sie überquerte. Der ukrainische militärische Nachrichtendienst "Hur" teilte mit, dass eine Explosion einen russischen Militärzug mit Fracht und Tanklastwagen nahe der Siedlung Jakymiwka im russisch kontrollierten Teil der ukrainischen Region Saporischschja zum Entgleisen gebracht habe.
(Bericht von Lidia Kelly, Guy Faulconbridge, Reuters-Büro Moskau und Tom Balmforth. Geschrieben von Andreas Rinke und Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)