ROUNDUP/Gericht: Bahn bleibt auf Mehrkosten von Stuttgart 21 sitzen

dpa-AFX · Uhr

MANNHEIM/STUTTGART (dpa-AFX) - Die Deutsche Bahn muss die milliardenschweren Mehrkosten des Bahnprojekts Stuttgart 21 einer Gerichtsentscheidung zufolge alleine tragen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) in Mannheim lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung der Bahn gegen ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart ab.

Das Verwaltungsgericht hatte im Mai vergangenen Jahres entschieden, dass die Bahn keinen Anspruch darauf hat, dass sich die Partner des Projektes an den Mehrkosten beteiligen müssen. Entsprechende Klagen der Bahn gegen das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, den Verband Region Stuttgart und den Flughafen Stuttgart hatte das Gericht damals abgewiesen. Dagegen hatte die Bahn Rechtsmittel eingelegt und beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.

Gericht: Keine ernstlichen Zweifel an Richtigkeit des Urteils

Diesen Antrag lehnte der VGH nun ab. Die Bahn habe keine Gründe vorgelegt, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigten, so das Gericht. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, Verfahrensfehler lägen nicht vor. Das Stuttgarter Urteil sei damit rechtskräftig.

Die Entscheidung des höchsten Verwaltungsgerichts in Baden-Württemberg ist unanfechtbar - damit ist der verwaltungsgerichtliche Weg für die Bahn einer Gerichtssprecherin zufolge ausgeschöpft. Theoretisch sei es noch möglich, dass die Bahn vor das Bundesverfassungsgericht ziehe, so die Gerichtssprecherin.

Damit dürften auf die Bahn Milliardensummen zukommen. Der Konzern, der offiziell Bauherr von Stuttgart 21 ist, beziffert die Gesamtkosten für das Projekt derzeit auf gut 11 Milliarden Euro und hat zusätzlich einen Puffer von 500 Millionen Euro einkalkuliert. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist jedoch nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. Die Mehrkosten von derzeit mindestens 6,5 Milliarden Euro dürften nach der Entscheidung bei der Bahn hängen bleiben.

Knackpunkt: Wie ist die sogenannte Sprechklausel zu verstehen?

Im Zentrum des Rechtsstreits zwischen Bahn und Projektpartnern stand die Auslegung einer sogenannten Sprechklausel im 2009 geschlossenen Finanzierungsvertrag. Diese war für den Umgang mit möglichen Kostensteigerungen vereinbart worden. Darin heißt es: "Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die EIU (Eisenbahninfrastrukturunternehmen) und das Land Gespräche auf."

Was mit der Klausel genau gemeint ist, war zwischen den S21-Partnern aber höchst umstritten. Die Deutsche Bahn betonte immer wieder, dass sie von einer "gemeinsamen Finanzierungsverantwortung" ausgehe. Die restlichen Partner sahen das anders und pochten darauf, dass Festbeträge vereinbart worden seien. Die Klausel verpflichtet ihrer Ansicht nach lediglich zu Gesprächen.

Dieser Ansicht war auch das Stuttgarter Gericht. Die Projektpartner hätten im Falle von Mehrkosten ausdrücklich die Aufnahme von Gesprächen verabredet, sagt der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung im Mai 2024. Daraus könne keine Verhandlungspflicht oder gar ein Anspruch auf Vertragsanpassung abgeleitet werden.

Neuer Tiefbahnhof, zahlreiche Tunnel

Das Projekt Stuttgart 21 steht nicht nur für den Bau des neuen Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt, sondern für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart. Gebaut werden neue Bahnhöfe - etwa ein neuer Fernbahnhof am Flughafen -, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schließt neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm ein. Herzstück von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.

Gebaut wird an dem Projekt bereits seit 2010. Die Inbetriebnahme war bereits mehrfach verschoben worden. Vor wenigen Wochen hatte die Bahn angekündigt, Stuttgart 21 Ende 2026 nur teilweise in Betrieb nehmen zu wollen. Der Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs sollen ab Dezember 2026 in den neuen Tiefbahnhof fahren, ein Teil des Regionalverkehrs endet dagegen bis Juli 2027 weiter im alten Kopfbahnhof. Als Grund für die schrittweise Inbetriebnahme nannte das Unternehmen die Entzerrung von Sperrungen, die wegen der Arbeiten für den Anschluss der neuen Infrastruktur an die bestehenden Strecken nötig seien./dna/DP/jha

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