Börsen rutschen erneut ab - Ölpreis auf 7-1/2-Jahres-Hoch
Frankfurt (Reuters) - Eine Fülle von Sorgen zehrt an den Nerven der Anleger: Der Krieg in der Ukraine treibt die Rohstoffpreise, wodurch ein Inflationsschub bei gleichzeitiger Abkühlung der Konjunktur droht.
Dazu gesellen sich enttäuschende Firmenbilanzen. Dax und EuroStoxx50 verloren am Dienstag jeweils knapp vier Prozent auf 13.904,85 beziehungsweise 3777,21 Punkte. Das war für beide Indizes der niedrigste Schlusskurs seit etwa einem Jahr. Der US-Standardwerteindex Dow Jones büßte 1,7 Prozent ein.
"Wenn man unterstellt, dass es keine schnelle Lösung für den Konflikt gibt, könnte das weltweite Wirtschaftswachstum um einen halben bis einen Prozentpunkt geringer ausfallen", prognostizierte Paul Jackson, leitender Analyst beim Vermögensverwalter Invesco. Teile Europas könnten sogar in eine Rezession rutschen. Außerdem müsse mit einer langfristig hohen Inflation gerechnet werden.
Einem Satellitenfirma zufolge hat Russland Verbände vor der ukrainischen Hauptstadt Kiew zusammengezogen. Gleichzeitig intensivierte es den Beschuss ukrainischer Städte. "Beim Thema direkter Sanktionen gegen russische Öl- und Gas-Exporte ist es nur noch eine Frage von 'wann' und nicht 'ob'", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com.
ROHSTOFF-RALLY GEHT WEITER
Vor diesem Hintergrund stieg der Preis für die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee um neun Prozent auf ein Siebeneinhalb-Jahres-Hoch von 106,80 Dollar je Barrel (159 Liter). Der europäische Erdgas-Future verteuerte sich um 29 Prozent auf 123 Euro je Megawattstunde. Anleger verfolgten aufmerksam, ob die westlichen Sanktionen oder die russischen Gegenmaßnahmen sich bereits auf die Rohstoff-Lieferungen auswirkten, schrieben die Analysten der ING Bank.
Bei Palladium bereitete die Sperrung der westlichen Lufträume für russische Maschinen bereits Probleme, sagte Commerzbank-Analyst Daniel Briesemann. "Palladium wird für gewöhnlich als Fracht in Passagiermaschinen transportiert." Das für Autokatalysatoren benötigte Metall verteuerte sich um fünf Prozent auf 2612 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Russland ist der mit Abstand größte Palladium-Exporteur.
ANLEGER FLIEHEN IN GOLD, BONDS UND KRYPTOWÄHRUNGEN
Am Devisenmarkt stand die russische Währung erneut unter Druck. Der Dollar steuerte im Gegenzug mit einem Plus von sieben Prozent auf 101,23 Rubel auf ein neues Rekordhoch zu. Dass nicht einmal die drastische Zinserhöhung der russischen Zentralbank den Rubel stabilisieren konnte, sei in klares Zeichen, dass es für ausländische Investoren unmöglich sei, in Russland zu investieren, sagte Analyst Piotr Matys vom Anlageberater In Touch. Die Moskauer Aktienbörse blieb am Dienstag den zweiten Tag in Folge geschlossen.
Aus Verunsicherung nahmen weitere Anleger Kurs auf "sichere Häfen". Der Goldpreis stieg um gut ein Prozent auf 1929 Dollar je Feinunze. Stark gefragt waren auch Bundesanleihen, wodurch die Rendite der zehnjährigen Titel wieder unter Null Prozent fiel.
Kräftig zulegen konnten auch Kryptowährungen. So stieg der Kurs von Bitcoin um 4,5 Prozent auf 43.473 Dollar. Analyst Timo Emden von Emden Research verwies zudem auf verstärkte Käufe der an den Dollar-Kurs gebundenen Cyber-Devise Tether mit Rubel. "Russische Staatsbürger finden in Krypto Assets offensichtlich ein Anlagevehikel, um Sanktionen zu vermeiden und Gelder vermeintlich sicher zu parken."
ZALANDO UND RAIFFEISEN BANK AUF TALFAHRT
Bei den Dax-Werten verbuchte Zalando dagegen mit einem Minus von fast Prozent den größten Tagesverlust seit zweieinhalb Jahren. Die Analysten der Bank Credit Suisse bezeichneten den Ausblick des Online-Händlers als bescheiden.
An der Wall Street gaben die Titel von Zoom wegen eines enttäuschenden Umsatzausblicks um 4,6 Prozent auf 126,44 Dollar ab. Der Videokonferenzen-Anbieter lasse seine Sturm-und-Drang-Phase hinter sich, kommentierte Analyst Matt VanVliet vom Brokerhaus BTIG. Durch das verlangsamte Wachstum gewännen Ertragskraft und Mittelzufluss an Bedeutung für die Bewertung des Unternehmen. Er senke zwar sein Kursziel auf 180 von 400 Dollar, bekräftige aber eine Kaufempfehlung.