Chinas Mega-Projekt „Neue Seidenstraße“ – Riesige Chance für Europa oder Gefahr durch chinesische Überhandnahme? – „Nur beschweren reicht nicht, wir müssen aktiv gestalten“

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die deutsche Wirtschaft hat die Europäische Union aufgefordert, eine Antwort auf die chinesische Seidenstraßen-Initiative zu geben. „Es reicht nicht, beständig über das chinesische Projekt zu klagen, wir müssen es aktiv mitgestalten“, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Wolfgang Büchele, am Dienstag in Berlin. Es sei in der EU fünf Jahre lang über Strategien gesprochen worden, bisher aber wenig passiert.

Was ist das Projekt Neue Seidenstraße?

China will mit der sogenannten Belt&Road-Initiative seinen Einfluss in der Welt ausbauen. Es geht um Milliardeninvestitionen in Straßen, Schienenwege, Häfen und andere Infrastruktur für neue Handelskorridore nach Europa, Afrika und Lateinamerika und in Asien. Das Projekt soll dabei an die alten Handelsrouten anknüpfen, die China bereits in der Antike mit Europa verbunden haben. Seit diesem Jahr ist Italien, neben einigen osteuropäischen Staaten, offizieller Partner zur Entwicklung des Projektes.

Wie groß ist das Ausmaß des Projekts?

Das Gesamtprojekt betrifft nach Schätzungen von Experten heute mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung und ca. 35 Prozent der Weltwirtschaft. Der Handel entlang der Seidenstraße könnte bald etwa 40 Prozent des gesamten Welthandels ausmachen, ein Großteil davon findet auf dem Seeweg statt.

Foto: My Portfolio / Shutterstock.com

Wie wird das Projekt finanziert?

In den meisten Fällen sind die einzelnen Projekte entlang der Seidenstraßen-Routen von den chinesischen Staatsbanken finanziert. China stellt bei der Finanzierung der Projekte keine politischen Bedingungen, aber die Kreditzusagen an die jeweiligen Länder sind immer mit Bedingungen verknüpft, zum Beispiel dass chinesische Firmen den Vorrang für den Bauauftrag erhalten. Diese Vorgehensweise stößt vor allem in der EU auf massive Kritik. Insgesamt wird geschätzt, dass für das Projekt etwa 1,1 Billionen Dollar benötigt werden. Nach Schätzungen wurden bis zum Jahr 2019 für das Projekt weltweit bereits Kredite in Höhe von mehr als 200 Milliarden Dollar vergeben.

Kritik

Kritiker warnen gerade arme Länder vor einer Schuldenfalle und politischer Abhängigkeit von Peking. Länder wie Malaysia, die Malediven, Äthiopien und Sri Lanka sind bereits bei China verschuldet. Bemängelt wird auch, dass häufig nur chinesische Unternehmen zum Zuge kommen und faire Ausschreibungen fehlen. Bis zu 90 Prozent aller Projekte sollen bisher an chinesische Firmen gegangen sein.

Aber auch der durch die Investitionen wachsende chinesische Einfluss in Europa wird mit zunehmender Sorge betrachtet. Beispielsweise in den Hafen von Piräus, einem wichtigen Industriezentrum von Griechenland und dem drittgrößten Hafen im Mittelmeer, wollen die Chinesen bis zum Jahr 2026 350 Millionen Euro direkt in die Hafenanlagen investieren und weitere 200 Millionen Euro in angegliederte Projekte. Zudem sollen beispielsweise in Portugal in den Tiefwasserhafen in Sines, oder in die italienische Hafenstadt Triest weitere Investitionen in Millionenhöhe getätigt werden. Experten fürchten daher eine wachsende wirtschaftliche und auch politische Abhängigkeit dieser teilweise wirtschaftlich gebeutelten europäischen Mitgliedsstaaten gegenüber China.

Im Kern wird vor allem die Sorge größer, dass durch das Ausmaß des Projektes und der bisherigen maßgeblich chinesischen Steuerung eine Globalisierung droht, die stark unter dem Einfluss chinesischer Prägung steht - einer aus Sicht vieler Marktbeobachter somit eher antidemokratischen, autoritären Prägung.

Chancen

Die Chancen liegen auf der Hand. Die in den letzten Jahrzehnten stattgefundene Globalisierung hat eindrucksvoll gezeigt, was wirtschaftliche Vernetzung, Austausch von Technologien, Waren und Dienstleistungen und dadurch auch eine generelle Annäherung verschiedener Staaten bewirken können. Die massiven Investitionen in Infrastruktur, die vor allem von den Chinesen getätigt werden, könnten den betroffenen Ländern zum Anschluss an diese Globalisierung verhelfen und für weiteren Aufschwung sorgen.

Was sind Chinas Ziele?

China hat sich in den letzten Jahren von seiner traditionellen politischen Zurückhaltung verabschiedet und ganz klar Anspruch erhoben auf einen führenden Platz in der Welt, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Durch die Stärkung der wirtschaftlichen Infrastruktur und die engere Vernetzung beispielsweise mit Europa erhofft man sich auch eine weitere Stärkung im Kampf um die wirtschaftliche Vorherrschaft mit den USA. Das Mega-Projekt ist das wohl größte wirtschaftliche Projekt der neueren Geschichte und passt also gut in die Ambitionen der Volksrepublik.

Und Europa?

Büchele sagte, die Seidenstraße könne zu einem wichtigen Entwicklungsimpuls auch für die europäische Wirtschaft werden. Dies werde aber nur gelingen, wenn sich die EU durch aktives Handeln zu einem ebenbürtigen Partner Chinas entwickele.

„Wir dürfen nicht länger zusehen, wie China mit großer finanzieller Power bilaterale Projekte in Südosteuropa, dem Südkaukasus oder Zentralasien realisiert und dabei immer stärker seine Spielregeln durchsetzt“, so Büchele. „Wir brauchen eine Verständigung mit Peking über gemeinsame, bindende Standards und eine Beteiligung europäischer Unternehmen an Belt&Road-Projekten.“

Der Ost-Ausschuss legte ein neues Positionspapier vor. Darin wird unter anderem gefordert, ein großer EU-Investitionsfonds für internationale Infrastrukturprojekte müsse aus attraktiven Finanzierungskonditionen bestehen. Außerdem müsse die EU geschlossen und strategisch vorgehen.

Das generelle Problem aus europäischer Sicht bei diesem Thema ist der langsame politische Aparat der EU. Wie Büchele beschreibt, ist fünf Jahre lang über Strategien geredet, aber nichts handfestes umgesetzt worden, während China seine Bemühungen unablässig vorantreibt und massiv in sämtliche der Seidenstraße angehörigen Länder investiert. Der, sagen wir „anders funktionierende“ politische Entscheidungsaparat Chinas ist bei der schnellen Umsetzung dieses Projektes mit Sicherheit ein Vorteil, eine Annäherung im Sinne von Standards und fairen, gleichberechtigen Regeln ist jedoch sicher auch mit den Chinesen möglich, da sie vor allem ein Interesse am Funktionieren dieser gigantischen neuen Wirtschaftsstruktur haben, und da ist Europa nunmal ein wichtiger Mosaikstein. Es muss nur schnellst möglich in die Wege geleitet werden, bevor das Projekt zu weit fortgeschritten ist, sonst wird Europa langfristig womöglich das Nachsehen haben.

Alexander Mayer/dpa-AFX

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