Corona-Krise und Firmenpleiten – nächstes Jahr droht ein böses Erwachen für die Wirtschaft

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Corona-Pandemie ist eine der größten Herausforderungen für die Wirtschaft in der jüngeren Geschichte, wenn nicht sogar die Größte für viele Branchen. Trotzdem ist die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland in der Krise auf den niedrigsten Stand seit Anfang der 1990er Jahre gesunken. Der deutliche Rückgang bei den Firmenpleiten um 13,4 Prozent auf schätzungsweise 16.300 (Vorjahr: 18.830) Fälle täusche jedoch „über die wirkliche Situation der Unternehmen hinweg“, bilanzierte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Dienstag.

Die wahren Auswirkungen werden erst nächstes Jahr ersichtlich

Staatliche Hilfsgelder und Erleichterungen im Insolvenzrecht entspannten die Lage 2020. „Insbesondere für Gastronomie, Einzelhandel oder die Messe-, Reise- und Veranstaltungsbranche hat die Rezession massive Auswirkungen auf die Liquiditäts- und Finanzlage. Das wird sich ab dem kommenden Jahr dann in den Insolvenzzahlen niederschlagen“, prognostizierte Creditreform.

Eine Erklärung für die niedrigen Zahlen im abgelaufenen Jahr: Der Gesetzgeber hat die Insolvenzantragspflicht für Firmen seit 1. März 2020 ausgesetzt. Heißt: Unternehmen, die wegen der Corona-Krise in Bedrängnis geraten, sind seither nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Diese Sonderregelung gilt noch bis Ende 2020. Allerdings nur für Unternehmen, die überschuldet sind, nicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit. Einen niedrigeren Stand bei den Unternehmensinsolvenzen gab es zuletzt 1993 mit 15.150 Fällen.

Mitnahmeeffekte befürchtet

Doch es haben sich nicht nur durch die Pandemie geschädigte Firmen dieses Rechts bedient. Laut Creditreform haben eine Menge Unternehmen die Gunst der Stunde genutzt. Es wird von „Mitnahmeeffekten“ gesprochen, die dann im Frühjahr für viele Unternehmen ein böses Erwachen bedeuten könnten. „Durch die Staatshilfen bleiben sehr viele Unternehmen am Markt, die unabhängig von der Corona-Krise eigentlich nicht mehr überlebensfähig waren“, so Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

Für das nächste Jahr prognostiziert Hantzsch einen sprunghaften Anstieg der Unternehmensinsolvenzen auf rund 24.000. So viele gab es zuletzt 2014. Branchen wie die Autoindustrie, die Luftfahrt und der Einzelhandel stünden ohnehin vor drastischen Umwälzungen. „Der Strukturwandel wird durch diese Maßnahmen teilweise verzögert“, mahnt Hantzsch. „Insolvenzen sind ein wichtiger Mechanismus zum Schutz der Volkswirtschaft.“

Schadenssumme für Gläubiger bereits deutlich gestiegen

Trotz der gesunkenen Fallzahlen erhöhte sich die Schadenssumme für die Gläubiger deutlich von 23,5 Milliarden Euro 2019 auf schätzungsweise 34 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Das lag daran, dass relativ viele große Unternehmen ins Schlingern gerieten. Darunter: der letzte große deutsche Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, etliche Modehändler (Esprit, Hallhuber, Bonita), Deutschlands größte Friseurkette Klier, die Restaurantkette Vapiano sowie der Zahlungsdienstleister Wirecard, der mit Bilanzfälschung und Betrugsvorwürfen Staatsanwälte und die Berliner Politik beschäftigt.

Nach wie vor sind es aber vor allem kleinere Firmen, die es trifft: In vier von fünf Fällen (80,1 Prozent) hatte das betroffene Unternehmen höchstens fünf Mitarbeiter. Insgesamt sind nach Berechnungen von Creditreform etwa 332.000 Arbeitsplätze infolge der diesjährigen Unternehmensinsolvenzen bedroht oder schon weggefallen.

Ausgerechnet im Handel, der von den Ladenschließungen im Frühjahr stark betroffen war, gingen die Insolvenzanmeldungen in diesem Jahr um 16 Prozent zurück, so deutlich wie sonst nur im boomenden Baugewerbe. Am häufigsten waren Pleiten bei Discotheken und Tanzlokalen, privaten Sicherheitsdiensten und bei den Gastronomie-Betrieben, die weniger von Speisen als von Getränken leben.

Auch bei den Verbraucherinsolvenzen erwartet Creditreform im nächsten Jahr wieder steigende Zahlen. 2020 sank hier die Zahl um gut ein Viertel auf 45.800 Fälle. Unter anderem Kurzarbeit – und damit vermiedene Arbeitslosigkeit – habe dazu beigetragen, dass „die Corona-Krise für die meisten Verbraucher bislang vergleichsweise gut abgefedert werden konnte.“

onvista-Redaktion/dpa-AFX/reuters

Titelfoto: DesignRage / Shutterstock.com

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