Drei Fragen an Bernecker: Was sagen Sie zur Fiat-Chrysler-PSA-Fusion, dem WTO-Chaos und wie steht es um die europäischen Geldmärkte?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In unserer heutigen Ausgabe fragen wir nach der großen Auto-Fusion, dem WTO-Chaos und nach dem Zustand der Lebensadern der Geldmärkte.

onvista-Redaktion: Was sagen Sie zur Fusion von Fiat Chrysler und PSA? Stellen sich die Großen jetzt für das Endspiel vor dem neuen Mobilitäts-Zeitalter auf?

Die Fusion Fiat Chrysler und PSA macht Sinn. Beide stehen für Volumenserien mit dem Schwerpunkt ihrer Märkte rund um das Mittelmeer inklusive Nahost und Nordafrika. Das Ergebnis sind umfangreiche Rationalisierungsmöglichkeiten, die zu sinkenden Herstellungskosten führen und dauerhafte Margen versprechen. In Sachen E-Mobility spielen sie vorerst eine Nebenrolle. Dennoch wird diese Technik auch für Volumenserien sehr bald ein Thema werden. Die deutschen Automarken sind davon nur marginal betroffen. Größter Gewinner ist Exor, die Agnelli-Holding, in die man investieren kann.

onvista-Redaktion: Was sagen Sie zur jüngsten Problematik rund um die WTO? Wird die Blockadehaltung der USA und damit die Lähmung des Streitschlichtungsverfahrens bei internationalen Handelsfragen zu „Wildwest“-Verhältnissen führen, wo jeder machen kann was er will? Und könnte der derzeit eskalierende Streit um Nord Stream 2 sogar der Trigger sein, der den Handelskrieg zwischen den USA und Europa entfacht?

Die Blockade der WTO ist vorerst eine personalpolitische Entscheidung gewesen. Damit ist die Frage eröffnet, wie die bisher zuständigen WTO-Gremien neu besetzt werden sollen. Die Amerikaner fordern hierfür eine wichtigere Position als bisher. Also geht es darum, alle WTO-Gremien, die für Entscheidungen zuständig sind, politisch neu  zu ordnen. Diese Forderung ist nicht neu, sondern gilt seit vielen Jahren. Auf diese Weise werden einige WTO-Entscheidungen zeitlich aufgeschoben, aber die WTO bleibt im Grundsatz erhalten. Große Aufregung ist darüber nicht nötig.

Für die künftige neue Regelung der Handelsgeschäfte zwischen USA und Europa spielt die WTO eine Nebenrolle. Der Hauptgrund bleibt der alte: Europa ist eine Hochburg für zollpolitische Entscheidungen, die seit über 20 Jahren ein Ärgernis für andere darstellen. In Deutschland wird darüber ungern diskutiert. In Frankreich gar nicht, weil die Franzosen in der schwierigsten Position stecken, nämlich mit ihren Agrarprodukten. Das Ganze wird schwierig, aber ebenso machbar wie im Handelskonflikt China/USA.

Im Vorfeld sucht man Aufhänger. Der Konflikt um Nord Stream 2 ist dafür gut geeignet. Das Thema Autozölle ist inzwischen insofern weniger wichtig, als das Gegeninstrument der Europäer in dieser Frage die sogenannte Digitalsteuer darstellt. Sie hat für die Amerikaner eine ähnliche Konsequenz wie Autozölle für Deutschland. Dann heißt die These: Geben und nehmen.

onvista-Redaktion: Noch eine Frage zu den Repo-Märkten: Die US-Geldmärkte hängen weiter am Tropf der FED. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich hat in ihrem jüngsten Quartalsbericht aufgezeigt, dass auch die Geldmärkte in Europa sich immer mehr fragmentieren und dies Probleme für den Geldfluss hervorrufen könnte. Droht in Europa bald auch ein Liquiditätsengpass? Und wäre das für unseren angeschlagenen Bankensektor nicht noch gefährlicher, als in den USA?

Alle kurzfristigen Zinsen werden stets von den Zentralbanken definiert. Das ist deren Rolle. Das gilt nicht für die Renditen am langen Kapitalmarkt, deren Kriterien anderen Bedingungen unterliegen. Die neue EZB-Politik wird diesbezüglich eine völlig andere sein, als unter Draghi 8 Jahre lang exerziert. Der neue Chefvolkswirt der EZB hat dies bereits in einem Vortrag angedeutet. Ein Schlüsselwort dafür ist der Begriff Potenzialwachstum der Eurozone oder jedes Landes. Daraus ergeben sich völlig andere Konsequenzen für die EZB. Eine der wichtigsten wurde bereits avisiert: Die Liquidität der Banken und der Wirtschaft (nebst Staaten) ist das Wichtigste, was der EZB im neuen Jahr als Hauptaufgabe vorgegeben ist. Für alle Banken gibt es voraussichtlich schrittweise Erleichterungen für die Kreditvergabe, für die eigene Berechnung ihrer Kreditqualität und der sogenannten Risikobemessung. Die Renditen am langen Ende werden unter diesen Bedingungen in sehr kleinen Schritten kontinuierlich steigen. Dieser Trend begann exakt an dem Tag, an dem der Wechsel bei der EZB bekanntgegeben worden ist; in allen Charts leicht nachvollziehbar.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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