EU-Gipfel ringt um Corona-Wiederaufbaufonds in Billionen-Höhe

Reuters · Uhr

- von Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Beim EU-Gipfel ab Donnerstagnachmittag wollen die Staats- und Regierungschefs die Höhe des Wiederaufbaufonds festzurren, um nach der Coronavirus-Krise die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

"Ein europäisches Konjunkturprogramm könnte in den nächsten zwei Jahren den nötigen Aufschwung unterstützen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag. Dafür sei Deutschland bereit, für einen "begrenzten Zeitraum" deutlich höhere Beiträge zum EU-Haushalt zu leisten. Vize-Kanzler Olaf Scholz sagte, die strittige Finanzierung des Fonds werde wohl erst später in einem zweiten Schritt geklärt. EU-Insidern zufolge dürften hierzu im Sommer endgültige Beschlüsse gefasst werden - und der Fonds dann idealerweise Anfang 2021 an den Start gehen. Im Gespräch sind Summen bis zu zwei Billionen Euro.

Die europäischen Finanzminister hatten zuletzt nach sehr mühsamen Verhandlungen ein 500 Milliarden Euro schweres Paket mit Soforthilfen auf den Weg gebracht. Es umfasst Förderkredite für kleine und mittelständische Unternehmen, Kreditlinien aus dem Rettungsfonds ESM für Regierungen und ein europäisches Kurzarbeitergeld nach deutschem Vorbild. Widerstand der Staats- und Regierungschefs wird nicht erwartet. Merkel sagte bei ihrer Regierungserklärung am Donnerstag, sie hoffe, dass die Mittel ab Anfang Juni verfügbar seien.

Davon könnten vor allem Italien und Spanien profitieren, die besonders stark von der Pandemie betroffen sind, zugleich aber hohe Schuldenberge vor sich herschieben. Die Regierung in Rom pochte im Vorfeld der Beratungen auf eine rasche Einigung der EU auf den Wiederaufbaufonds. Ihr Land könne es sich nicht leisten, bis Juni auf eine Vereinbarung für eine gemeinsame Finanzierung des Fonds zu warten, sagte die stellvertretende Wirtschaftsministerin Laura Castelli dem Sender Radio Capital. "Das Virus wird nicht warten."

BILLIONEN FÜR DEN WIEDERAUFBAUFONDS?

Spanien hatte zuletzt ein Volumen von 1,5 Billionen Euro vorgeschlagen, die EU-Kommission von 1,6 Billionen. In einem internen Dokument der Brüsseler Behörde ist sogar von einer Finanzierung in Höhe von zwei Billionen Euro die Rede. Neben dem neuen Fonds solle der EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 angezapft werden. In dem Papier heißt es zudem, die Kommission könne am Finanzmarkt 320 Milliarden Euro aufnehmen und etwa die Hälfte an Regierungen in Europa weiterreichen. Ein Teil des Geldes könnte als direkter Zuschuss ausgezahlt werden.

Ein EU-Vertreter sagte, der Wiederaufbaufonds könne Anfang 2021 stehen. Das wäre der ideale Fall, parallel zu dem dann beginnenden neuen mittelfristigen EU-Haushalt. Sollte der politische Wille dafür vorhanden sein, könnten alle nötigen Beschlüsse in den nationalen Parlamenten rechtzeitig über die Bühne gehen. Länder aus dem Süden Europas wollen den Fonds mit gemeinsamen Anleihen - sogenannten Euro-Bonds oder Corona-Bonds - verbinden, teilweise auch mit extrem lang laufenden Anleihen. Beides lehnt die Bundesregierung ab. Es würde Jahre dauern, bis die gesetzlichen Bedingungen dafür geschaffen wären, sagte Merkel. Man müsse aber schnell handeln.

Scholz sagte im ZDF, eine Finanzierung über den EU-Haushalt sei der bevorzugte Weg. "Dann finden sich auch Wege, wie man zum Beispiel dafür sorgen kann, dass wir am Anfang mehr Geld ausgeben können." Die Refinanzierung würde über den Haushalt der Folgejahre erfolgen. "Das ist der beste Weg, den man dafür wählen kann." In einem Interview mit dem Nachrichtenportal t-online.de deutete er zudem an, dass der Wiederaufbaufonds eher ein Volumen von 500 Milliarden Euro haben dürfte und mit weiteren Integrationsschritten der EU einhergehen müsste. "Die braucht dann auch gemeinsame Einnahmen." Mehr Länder sollten sich an der geplanten Finanztransaktionssteuer beteiligen.

Laut einer Umfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW unter gut 200 Experten halten lediglich knapp 16 Prozent Corona-Bonds für sinnvoll. Gut 61 Prozent erachteten Kredite aus dem Rettungsfonds ESM für richtig. "Zusätzliche Hilfszahlungen aus dem EU-Haushalt halten 55,7 Prozent der Finanzmarktexperten für ein passendes Instrument, um der Krise zu begegnen."

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