Hapag-Lloyd: Man hätte es nicht geahnt, doch der Containerriese ist ein großer Profiteur der Krise geworden – So sehen Analysten die Aktie jetzt

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Corona-Krise verschafft Fracht-Reedereien in aller Welt einen ungeahnten Boom. Auch der Hamburger Containerriese Hapag-Lloyd konnte sich in den Wochen vor Weihnachten vor der immensen Nachfrage kaum retten. Viele Unternehmen füllen ihre krisenbedingt geleerten Lager auf, und Menschen im Lockdown bestellen noch mehr Dinge aus Fernost als sonst. Was bei Hapag-Lloyd los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht:

So ist die Lage des Unternehmens

Ob neue Möbel fürs Wohnzimmer, eine Bohrmaschine zum Heimwerken oder ein Rudergerät für die eigenen vier Wände: Während der Corona-Pandemie wächst die Nachfrage nach Sachen, die das Leben zu Hause schöner machen. Wenn Restaurants geschlossen seien und der Urlaub ausfalle, hätten die Leute Geld für andere Dinge übrig, erklärte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen die erhöhte Nachfrage nach Containertransporten. „Das hat unserer Branche gutgetan“, resümierte der Manager jüngst im Gespräch mit Journalisten.

Schließlich hatten sich Reedereien in aller Welt viele Jahre lang einen teils ruinösen Preiskampf geliefert. Nach mehreren Pleiten und einer Reihe von Fusionen in der Branche besserte sich die Lage für Hapag-Lloyd und andere Gesellschaften, die die Preisschlachten überlebt hatten.

So war die Ausgangslage im Corona-Jahr 2020 ganz anders als vor der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009, in deren Folge sich Hapag-Lloyd nur mit Geldspritzen der Eigentümer über Wasser halten konnte. 2014 übernahm der Niederländer Habben Jansen die Führung der Reederei – da hatte sein Vorgänger Michael Behrendt gerade die Fusion mit der Containersparte des chilenischen Konzerns CSAV eingeleitet.

2015 ging Hapag-Lloyd an die Börse, 2017 folgte der Zusammenschluss mit der arabischen UASC. Zudem zog Habben Jansen mehrere Sparprogramme durch – und trimmte das Unternehmen auf mehr Gewinn. Auch zu Beginn der Pandemie drehte er an der Kostenschraube. Dass das Geschäft ab dem Sommer von selbst so gut laufen würde, hatte man auch in Hamburg nicht erwartet.

So hob Habben Jansen Anfang Dezember zum zweiten Mal in diesem Quartal seine Gewinnprognose an. Jetzt soll der Gewinn vor Zinsen und Steuern in diesem Jahr 1,25 bis 1,35 Milliarden Euro erreichen – nach 811 Millionen im Vorjahr. Noch im März hatte der Vorstand nur 0,5 bis 1,0 Milliarden angepeilt. Allein im dritten Quartal sprang der Gewinn um zwei Drittel auf 252 Millionen Euro in die Höhe – obwohl Hapag-Lloyd weniger Container beförderte als ein Jahr zuvor.

Dabei profitierte die Reederei von gesunkenen Treibstoffkosten, konnte die Transportpreise bei ihren Kunden aber stabil halten. Hinzu kamen die Kostensenkungen aus dem Sparprogramm.

Im Herbst reichten die Schiffe kaum aus, um gewaltige Gütermengen zu ihren Abnehmern zu transportieren. „Die plötzliche Nachfrage hat alle überrascht“, sagte Habben Jansen. Jedes der 234 Containerschiffe von Hapag-Lloyd sei unterwegs, um die Situation zu entschärfen. Zudem hat sich die Reederei zusätzliche Container besorgt. Doch die Häfen kämen mit der Abfertigung kaum hinterher, berichtete der Konzernchef. In den USA müssten Schiffe teilweise eine Woche warten. Wer sich auf sein neues Fitnessgerät freute, musste schon einmal geduldiger sein als sonst.

Im gesamten vierten Quartal rechnet Habben Jansen bei den Transportmengen mit einem Zuwachs im niedrigen einstelligen Prozentbereich im Vergleich zum Vorjahr. In der Zentrale der Reederei geht man davon aus, dass der Boom noch bis ins neue Jahr hinein anhält – mindestens bis zum chinesischen Neujahrsfest Mitte Februar.

Und es könnte 2021 noch besser kommen für die Reederei, die weltweit mehr als 600 Häfen miteinander verbindet. Kunden, die sich nicht rechtzeitig Platz für ihre Waren an Bord sicherten, hätten jetzt zu kämpfen, sagte Habben Jansen. Er erwartet, dass die Nachfrage im neuen Jahr erst einmal steigt, weil Kunden solche Szenarien künftig vermeiden wollten.

So läuft die Aktie

Hapag-Lloyd hatte den Börsenhafen 2015 eher im Schlingerkurs erreicht. Erst musste der Konzern den Ausgabepreis je Aktie senken, und dann wurde er die Papiere mit 20 Euro nur am unteren Ende der schon gesenkten Preispanne los. Und in den Monaten darauf sackte der Kurs an der Börse zeitweise sogar unter 15 Euro ab. Erst rund ein Jahr später kletterte er nachhaltig über den Ausgabepreis. Dann ging es aber schnell: 2017 war bereits die Marke von 40 Euro in Sicht.

Im Corona-Jahr vollführte die Aktie sogar unangeahnte Kapriolen. Von rund 76 Euro Ende 2019 tat sich bis Mitte April erst einmal nicht viel, dann aber schoss der Kurs über mehrere Wochen hinweg steil nach oben – bis er im Mai bei 186 Euro ein Rekordhoch erreichte. Dann sackte er bis Ende Juni wieder auf rund 50 Euro ab, Ende September waren es nur noch gut 40 Euro. Dann griffen die Anleger wieder beherzt zu und trieben die Kurs bis kurz vor Weihnachten wieder auf knapp 86 Euro hoch – eine Verdopplung in nur drei Monaten. Damit liegt er etwa zehn Prozent höher als zum vergangenen Jahreswechsel.

Was die Kursexplosion vom Frühjahr ausgelöst hat, hat der Vorstand bis jetzt nicht herausgefunden. „Das würden wir auch gerne wissen“, ließ Hapag-Chef Habben Janssen wissen. Wer seine Papiere in diesen Wochen verkaufte, konnte sich eine goldene Nase verdienen. Wer hingegen kaufte, dürfte sich inzwischen schwarz ärgern.

Begünstigt haben dürfte die Kursschwankungen der Streubesitz von nur 3,6 Prozent. Das sind die Aktien in der Hand von Anlegern, die damit auch tendenziell an der Börse handeln. Müssen sich zum Beispiel Leerverkäufer mit Aktien eindecken, um eine Schieflage zu verhindern, steht ihrer Nachfrage ein nur kleines Angebot gegenüber. Sie müssen dann entsprechend viel bieten, um Anteilseigner zum Verkauf zu bewegen.

Gemessen am jüngsten Kursniveau wird Hapag-Lloyd an der Börse insgesamt mit rund 15 Milliarden Euro bewertet und damit höher als manch ein Dax-Konzern. Allerdings befindet sich der Löwenanteil der Papiere in den Händen der Großaktionäre Klaus-Michael Kühne, CSAV, der Stadt Hamburg und den Staatsfonds aus Saudi-Arabien und dem Emirat Katar. Der geringe Streubesitz-Anteil steht sogar einer Aufnahme in den Nebenwerteindex SDax im Weg.

So sehen die Analysten die Aktie

Branchenexperten sind mit Blick auf die Hapag-Lloyd-Aktie gespalten. Von sieben Analysten, die ihre Einschätzungen seit der Erhöhung der Gewinnprognose Anfang Dezember aktualisiert haben, raten nur zwei zum Kauf der Aktie. Zwei tendieren zum Halten und drei empfehlen den Verkauf. Im Schnitt schreiben sie dem Papier ein Kursziel von rund 73 Euro zu – und liegen damit ein Stück unter dem jüngsten Kursniveau. Allerdings liegen ihre Erwartungen teils deutlich auseinander.

Am pessimistischsten zeigte sich zuletzt Branchenexperte Patrick Creuset von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Er hob sein Kursziel zwar von 35 auf 56 Euro an – auch weil die Preise für Containertransporte zuletzt ein Rekordniveau erreicht hätten. Dennoch hält er die Hapag-Aktie für zu hoch bewertet, gerade im Vergleich zur weltgrößten Reederei A.P. Moller-Maersk. Daher rät er wie sein Kollege Christian Cohrs von Warburg Research zum Verkauf.

Adrian Pehl von der Commerzbank kommt auf Basis der gleichen Fakten zu einer anderen Einschätzung. Er bestätigte seine Kaufempfehlung für die Aktie und hob sein Kursziel sogar von 80 auf 88 Euro an. Auch Analyst Johannes Braun vom Analysehaus Stifel Europe rechnet wegen einer erwarteten Konjunkturerholung mit einer guten Entwicklung in der Logistikbranche. Er hob sein Kursziel von 57 auf 80 Euro an, rät aber weiterhin zum Halten. So hat der Börsenkurs inzwischen auch Brauns Kursziel überschritten.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: VanderWolf Images / Shutterstock.com

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