Impfgipfel und Kontrollen an Grenzen - Bund geht in Offensive

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Andreas Rinke und Alexander Ratz

Berlin (Reuters) - Angesichts sinkender Zustimmungswerte zur Corona-Politik geht die Bundesregierung in die Offensive: Nach heftiger Kritik an der Impfstoffversorgung hat die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten für Montag um 14.00 Uhr ein Sondertreffen zu dem Thema vereinbart, wie Reuters am Donnerstag aus Verhandlungskreisen erfuhr.

Gesundheitsminister Jens Spahn warnte, dass es noch mindestens zehn harte Wochen bei der Impfstoff-Versorgung geben werde. Das Innenministerium bestätigte zudem, dass die Regierung faktische Einreisesperren für Großbritannien, Irland, Portugal, Südafrika und Brasilien vorbereitet. Aus rechtlichen Gründen würden aber "Beförderungsverbote" verhängt und keine Einreisesperren erlassen, hieß es in der Bundesregierung. Zudem solle die Schleierfahndung an den Landgrenzen deutlich ausgeweitet werden. Grund ist die Furcht vor einem Einschleppen infektiöserer Virus-Varianten.

Laut einer Allensbach-Umfrage für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ist die Zustimmung zur Corona-Politik des Bundes auf 49 Prozent gefallen - dem niedrigsten Wert in der seit rund einem Jahr andauernden Pandemie. Probleme werden neben dem Impfen aber vor allem in Bereichen ausgemacht, für die Kommunen und Ländern zuständig sind. Allerdings befürworten laut ZDF-Politbarometer 56 Prozent der Bürger die getroffenen Maßnahmen, 28 Prozent wollen sogar schärfere Schritte. Die Zahl derer, die die Corona-Einschränkungen für übertrieben halten, sank auf 14 Prozent. Die Mehrheit befürwortet etwa die Schließung von Grenzen und Schulen.

RKI MELDET INZIDENZ UNTER 100 - ABER FAST 1000 NEUE TOTE

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete erneut sinkende Infektionszahlen gegenüber der Vorwoche - die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz fiel erstmals seit drei Monaten wieder unter die Schwelle von 100. Allerdings verharrt die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle mit 941 weiter auf einem sehr hohem Niveau. Das RKI registrierte 17.553 Corona-Neuinfektionen. Das sind rund 2800 weniger als eine Woche zuvor. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Fallzahlen über eine Woche pro 100.000 Einwohner, sank auf 98 von zuletzt 101. Bund und Länder wollen den Wert unter 50 drücken, um das Virus unter Kontrolle zu bringen und das Gesundheitssystem zu entlasten.

Der Städte- und Gemeindebund warnte vor zu frühen Lockerungen der Corona-Einschränkungen. Hintergrund ist, dass Bund und Länder derzeit eine Strategie für mögliche Lockerungen ausarbeiten, sollten die Zahlen weiter sinken. Dagegen steht aber die Sorge, dass sich hochansteckende Virus-Mutationen ausbreiten und die Zahlen schnell wieder in die Höhe treiben könnten.

VORBEREITUNG FÜR GRENZSCHLIESSUNGEN

Das Bundesinnenministerium bestätigte auch deshalb Pläne für die Vorbereitung dafür, dass Einreisen aus Großbritannien, Irland, Portugal, Brasilien und Südafrika eingeschränkt werden sollen. Denn in diesen Ländern wurden hochansteckende Virus-Mutationen festgestellt. Die Bundesregierung hatte vor einer Ausbreitung auch in Deutschland gewarnt. Denkbar ist, dass es Einreisebeschränkungen für weitere Länder gegen könnte, in denen sich Virus-Mutationen bereits stärker ausgebreitet haben. Binnengrenzen sollten in jedem Fall stichprobenartig kontrolliert werden. Formelle Grenzkontrollen mit festen Stationen solle es an den Landgrenzen nicht geben, sondern einen deutlichen Ausbau der Schleierfahndung. Dabei werden Kontrollen im Hinterland der Grenzen durchgeführt. Ein Grund dafür ist, dass der Warenverkehr im Binnenmarkt möglichst nicht getroffen werden soll.

REGIERUNG LÄDT AM MONTAG ZU IMPFRUNDE

Angesichts der Kritik aus den Ländern, dem Koalitionspartner SPD und der Opposition hatte Gesundheitsminister Spahn eine gesonderte Ministerpräsidentenkonferenz nur zum Thema Impfen vorgeschlagen. "Vertrauen in dieser Krise erhalten wir nur, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen", twitterte der CDU-Politiker. "Auf diesem Impfgipfel von Bund und Ländern sprechen wir über die Lage, die Ziele, das weitere Vorgehen, auch damit Europa seinen fairen Anteil erhält." Auch Vertreter der Pharmaindustrie sowie Vertreter der EU-Kommission sollten eingeladen werden. Es gebe zwischen den Ländern, dem Bund und der Europäischen Kommission "offensichtlich Abstimmungsbedarf", sagte er.

Die EU-Kommission verhandelt weiter mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca über die Lieferung der zugesagten Impfstoffdosen. Die EU sollte nach den Worten von Ratspräsident Charles Michel rechtliche Mittel und Zwangsmaßnahmen prüfen, um die Lieferung von Impfstoffen wie vereinbart sicherzustellen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA will am Freitag entscheiden, ob sie dem Impfstoff der Firma eine Zulassung erteilt. Er wäre nach den Präparaten von Biontech/Pfizer und Moderna der dritte Impfstoff in der EU. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt in einer Überarbeitung ihrer Impfempfehlungen, dass der Impfstoff von AstraZeneca nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren verwendet werden soll. "Zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor", heißt es in einem Entwurf.

Spahn und Arbeitsminister Hubertus Heil kündigten an, dass die Bundesregierung den rund fünf Millionen Beziehern von Hartz IV ein Kontingent von zehn kostenlosen FFP2-Schutzmasken zur Verfügung stellen wird. Hintergrund ist die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken im Öffentlichen Nahverkehr sowie im Einzelhandel.

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