Kryptowährungen – eine tolle Alternative zu Aktien, aber…

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Letzte Woche wurde ich in einem Webinar gefragt, ob Kryptowährungen für mich eine Alternative zu Aktien darstellen. Meine Antwort war zögerlich. Darauf hat mich hinterher ein Bekannter angesprochen, der weiß, dass ich selbst in Kryptos investiere. „War das deine Meinung oder die von The Motley Fool?“

Das hat mich erst überrascht. Die Antwort war ein klares „ja“. Aber warum ich so zögerlich war, das musste ich erst noch einmal reflektieren. Jetzt glaube ich, die Antwort darauf zu haben. Sie besteht aus drei Teilen:

Das Chancen-Risiko-Profil von Kryptos bei deren heutiger MarktkapitalisierungAls Erstes lohnt der Blick auf alternative Aktien statt auf Alternativen zu AktienVermögensoptimierung ist in der aktuellen Zeit im Zweifel wertvoller als Renditeoptimierung

Lassen Sie mich erläutern.

1. Das Chancen-Risiko-Profil von Kryptos heute

Das erste Mal bullisch über Bitcoin geschrieben, das habe ich vor weniger als einem Jahr. Damit war ich relativ spät dran. Trotzdem war die Marktkapitalisierung von Bitcoin noch bei rund 170 Mio. US-Dollar und die des gesamten Kryptomarktes bei rund 250 Mio. US-Dollar.

Heute sehen diese Zahlen anders aus: Bitcoin ist heute fast sechsmal größer und der gesamte Kryptomarkt mit mehr als 1,5 Mrd. US-Dollar fast neunmal größer. Selbst zu Jahresanfang 2021 war der Kryptomarkt nur halb so groß wie jetzt. Das hat das Chancen-Risiko-Profil einer Investition in Bitcoin und Kryptos allgemein deutlich verschoben.

Das lässt sich auch an konkreten Erwartungen festmachen. Wenn der aktuelle Zyklus dem von vier Jahren ähnelt, dann würde sich der Bitcoinkurs von heute aus zwar dieses Jahr noch gut vervierfachen. Allerdings würde er ein Jahr später wieder unter die heutige Marke fallen.

Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit anders kommen. Nur ob besser oder schlechter, das lässt sich heute nicht sagen. Zwar bin ich optimistisch. Aber dieses Beispiel hat mir selbst verdeutlicht, warum ich mit meiner Antwort auf die Frage - ob Kryptos eine Alternative zu Aktien sind - zögerlich war.

Langfristig glaube ich zwar weiterhin, dass der Kryptomarkt auch heute noch (stark) unterbewertet ist - immerhin ist alleine das Unternehmen Apple fast 50 % mehr wert als der gesamte Kryptomarkt. Daher: Ja, Kryptos sehe ich als gute Alternative bzw. Ergänzung zu Aktien. Aber man muss sich bewusst sein, mit welch hohen Risiken man sich die hohen Chancen einkauft.

2. Alternative Aktien anstatt Alternative zu Aktien

Im Webinar habe ich argumentiert, warum ich vom Aktienmarkt allgemein in den nächsten 10 Jahren nicht mehr als eine sehr niedrige einstellige Rendite erwarte - im Falle der USA eventuell sogar eine negative. Daher halte ich die Frage nach den Alternativen dazu durchaus für relevant.

Allerdings muss die beste Lösung für Aktienanleger gar nicht unbedingt Kryptowährungen sein. Uns steht schließlich die ganze Welt offen. Insbesondere traue ich den Volkswirtschaften und damit den Aktienmärkten einiger Entwicklungsländer deutlich mehr zu als zum Beispiel den Aktienmärkten in den USA oder Deutschland.

Warum nicht beispielsweise einmal einen genaueren Blick auf Länder wie Iran, Indien oder Vietnam werfen? Zwar haben deren Volkswirtschaften in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten nicht immer nur floriert. Aber deren Bevölkerungen sind relativ hoch gebildet. Und es sind alles Länder, deren Zukunft einige von mir sehr geschätzte Investoren sehr optimistisch sehen.

Klar, man muss für so etwas mutig sein und geht auch ein höheres Risiko ein. Wenn man allerdings sowieso Erfahrung mit Aktien und deren Bewertung hat, dann dürfte man hier durchaus einige sehr interessante Chancen entdecken - und muss nicht unbedingt gleich auf Kryptowährungen ausweichen.

3. Vermögensoptimierung wichtiger als Renditeoptimierung?

Es sind nicht nur die Aktienmärkte der entwickelten Länder, bei denen ich ein gewisses Risiko sehe, dass die Erwartungen der Anleger auf lange Sicht enttäuscht werden könnten. Es sind auch die Volkswirtschaften im Allgemeinen. Die negativen Auswirkungen der Coronamaßnahmen können meiner Ansicht nach noch gar nicht richtig begriffen werden.

-In Deutschland ist zum Beispiel praktisch das Insolvenzrecht für von den Maßnahmen betroffenen Unternehmen ausgesetzt.

-Banken können entsprechende Kredite in ihren Bilanzen stehen lassen, anstatt sie abzuschreiben.

-Das nicht mehr allgemein geltende Mietrecht dürfte Spuren in einigen Unternehmensbilanzen hinterlassen.

-Die vor kurzem eingeführten strengeren Grenzkontrollen verschlechtert laut dem Verband der Spediteure die Lage einiger Lieferketten “von Stunde zu Stunde”.

Und das sind nur die offensichtlichen Risiken.

EZB Chefin Lagarde erwartete schon im Mai letzten Jahres, dass die Euroländer zur Bewältigung dieser Krise alleine im Jahr 2020 neue Staatsanleihen im Gesamtvolumen von bis zu 1,5 Billionen Euro ausgeben müssen. Angesichts der Entwicklung seither darf bezweifelt werden, dass diese Summe das Ende der Fahnenstange sein wird.

Diese Summen muss irgendwann irgendwer bezahlen. Dieser irgendwer kann am Ende nur der Steuerzahler sein. Daher macht auch unser Finanzminister keinen großen Hehl daraus, dass über Vermögenssteuern nachgedacht wird. Und führende Politiker anderer Parteien sprechen offen über Lastenausgleich.

Das war jetzt eine lange Hinführung zu meinem Punkt: Für diejenigen unter uns, die nicht erst am Anfang ihrer Investitionsbemühungen sind und bereits den einen oder anderen Euro angespart haben, muss die Maximierung des Chancen-Risiko-Verhältnisses einzelner Investitionen eventuell gar nicht der erste Gedanke sein.

Stattdessen dürfte es für einige durchaus Sinn machen, sich etwas mehr (oder erstmals) mehr Gedanken darum machen, wie sicher das eigene Vermögen vor dem Zugriff des Staates geschützt ist. Im Zweifel kann dadurch mehr bisher erzielte Rendite gesichert werden, als durch ein optimal ausgerichtetes Portfolio zukünftige Rendite erzielt werden wird.

Fazit: Nicht “Aktien oder”, sondern “Aktien und”

Nach dieser Reflektion lässt sich besser verstehen, warum ich die Frage nach Alternativen zu Aktien so zögerlich beantwortet habe.

Wer von seinen aktuellen Aktien keine ausreichend hohe Rendite erwartet, der muss sich nicht unbedingt gleich mit Kryptos beschäftigen. Mit großer Wahrscheinlichkeit bieten Aktien aus anderen Märkten schon die richtige Alternative für viele Anleger.

Kryptos sehe ich dennoch als risiko- und chancenreichere Ergänzung zu einem Aktienportfolio. Zusätzlich glaube ich, dass man sich aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage und politischen Situation nicht mehr ausschließlich mit den besten Investitionschancen befassen sollte. Besonders Anleger mit bereits größeren Portfolios — aber auch Einsteiger — könnten gut beraten sein, sich zusätzlich Gedanken um die Sicherung ihres Kapitals zu machen.

Foto: Wit Olszewski / Shutterstock.com

Offenlegung: Bernd Schmid besitzt Bitcoin. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Apple.

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