Merkel, Laschet und Söder wollen neuen kurzen Lockdown

Reuters · Uhr

- von Andreas Rinke und Matthias Inverardi und Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bayern dringen auf einen erneuten, kurzen Corona-Lockdown.

Die Infektionszahlen seien zu hoch, das Gesundheitssystem gerate unter Druck, sagte eine Regierungssprecherin am Mittwoch in Berlin und verwies auf die steigende Zahl an Corona-Intensivpatienten. "Deswegen ist jede Forderung nach einem kurzen, einheitlichen Lockdown richtig", fügte sie hinzu. Zuvor hatten bereits CDU-Chef Armin Laschet und der CSU-Vorsitzende Markus Söder übereinstimmend auf einen erneuten Lockdown gepocht. Söder stellte zudem die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am Montag infrage, wenn es vorher keine "klare Mehrheit" gebe, in welche Richtung die 16 Länder marschieren wollten. Er habe ebenso wie Laschet und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein Vorziehen des Bund-Länder-Treffens gefordert, sie hätten sich dabei aber bei den SPD- und auch einigen CDU-Ländern nicht durchsetzen können.

Die Regierungssprecherin sagte, dass man in der Bundesregierung derzeit über einheitliche Bundesregeln nachdenke, wenn die Länder nicht entschieden genug gegen die Pandemie ankämpften. Söder forderte etwa eine bundeseinheitliche Auslegung der "Notbremse" bei steigenden Infektionszahlen, um Abweichungen zu vermeiden und warnte vor einem "Öffnungs-Blindflug". Die bayerische Landesregierung selbst verschob deshalb die Entscheidung über Öffnungen und Modellregionen um zwei Wochen. Zugleich erlaubt sie aber, dass bei einer Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 100 bis 200 in Geschäften ein "Click & Meet"-Angebot mit einer Testpflicht erlaubt wird. Dies sei kein Verstoß gegen die von Bund und Ländern verabredete "Notbremse", sagte Söder. Denn diese beziehe sich nicht auf den Einzelhandel, in dem es ohnehin kaum eine Infektionsgefahr gebe. Die nordrhein-westfälische Landesregierung entschied, dass auch Landkreise, in denen die Inzidenz wieder unter 100 fällt, wegen der fehlenden Aussagekraft der derzeitigen Infektionszahlen die sogenannte "Notbremse" mit Kontaktbeschränkungen nicht lockern dürfen.

Laschet forderte die SPD-Länder nach ihrer Kritik an seinem "Brücken-Lockdown" auf, selbst Vorschläge vorzulegen. "Was sind eure Ideen?", sagte er. Die Impf-Offensive schreite voran, aber bis diese richtig greife, müsse man sich "schnell und hart zusammenraufen". Dies gehe nur bundesweit. Am Dienstag hatten etliche Ministerpräsidenten und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz Laschets Idee eines "Brücken-Lockdowns" als unausgegoren kritisiert.

WIE VERLÄSSLICH SIND DIE RKI-ZAHLEN?

Hintergrund der Debatte sind die neuen Corona-Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und die Frage nach deren Aussagekraft. Das RKI meldete am Mittwoch 9677 Corona-Neuinfektionen und damit deutlich weniger als am Mittwoch der Vorwoche, als es 17.051 Fälle registrierte. Allerdings weist das Institut selbst darauf hin, dass sinkende Zahlen auch daran liegen könnten, dass an Ostern weniger Menschen einen Arzt aufsuchten und somit weniger getestet werde. Söder erklärte den Rückgang "vor allem" mit den Schulferien über Ostern. Es habe sich gezeigt, dass die Schulen ein wichtiger Ansteckungsort seien, so dass diese Infektionen derzeit wegfielen. Das RKI gab auf Nachfrage an, dass laut Studien Krankheitssymptome meist fünf bis sechs Tagen nach einer Ansteckung aufträten und sich die Betroffenen dann testen ließen.

Die Sieben-Tage-Inzidenz sank am Mittwoch auf 110,1 von 123,0 am Vortag. Sie gibt an, wie viele Menschen sich rechnerisch innerhalb einer Woche auf 100.000 Einwohner anstecken. 298 weitere Menschen sind laut RKI in Verbindung mit dem Coronavirus gestorben. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten in Krankenhäusern stieg laut Divi-Register am Mittwoch auf 4424.

Die regionalen Unterschiede bei den Corona-Fallzahlen sind weiter sehr groß - aber auch hier können die Werte dadurch verzerrt sein, dass unterschiedlich stark getestet wurde. Thüringen wies laut RKI am Mittwoch eine Sieben-Tage-Inzidenz von 188,2 auf - deutlich weniger als an den Vortagen. Am niedrigsten lag sie in Schleswig-Holstein mit 62,4.

Nach Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzte sich auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) dafür ein, dass Corona-Beschränkungen für Geimpfte teilweise zurückgenommen werden. "Wenn jetzt wissenschaftlich belegt wird, dass von Geimpften keine höhere Gefahr für andere ausgeht als von negativ getesteten Personen, entfällt eine wichtige Begründung für die Einschränkung ihrer Grundrechte", sagte sie der "Bild". Deshalb sei es ein logischer Schritt, Geimpfte in Zukunft mit negativ getesteten Personen gleichzustellen. Dies hatte auch Spahn am Wochenende mit Verweis auf eine neue RKI-Studie vorgeschlagen.

Bayerns Ministerpräsident Söder bezeichnete die Rechte von Geimpften als mögliches Thema auch für die nächste Runde der Ministerpräsidenten. Zugleich kündigte er an, dass Bayern noch am Mittwoch einen Vorvertrag mit einer Firma in Illertissen für den Bezug des russischen Impfstoffs Sputnik abschließen werde. "Sollte Sputnik zugelassen werden in Europa, dann wird der Freistaat Bayern über diese Firma zusätzliche Impfdosen - ich glaube, es sind 2,5 Millionen Impfdosen - wohl im Juli erhalten, um die Impf-Zusatzkapazitäten in Bayern zu erhöhen", sagte er.

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