Polizei-Großeinsatz gegen mutmaßliche Schleuser in Fleischindustrie
Berlin/Frankfurt/Düsseldorf (Reuters) - Die Bundespolizei hat am Mittwoch in fünf Bundesländern Razzien in der Fleischindustrie unternommen.
Es gehe um den Verdacht der illegalen Einschleusung von Arbeitskräften, teilte die Bundespolizei Mitteldeutschland mit. Der Schwerpunkt des Einsatzes liege in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Des Weiteren seien Orte in Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen durchsucht worden. In der Vergangenheit waren einige Schlachthöfe Brennpunkte von Coronavirus-Ausbrüchen.
Es seien 820 Beamte im Einsatz, teilte die Polizei mit. In Weißenfels in Sachsen-Anhalt seien Dutzende Objekte durchsucht worden. Insgesamt gebe es über 80 Personen, die im Verdacht stünden, sich illegal in Deutschland aufzuhalten. Diese kämen überwiegend aus Osteuropa, zum Beispiel aus der Ukraine und Belarus. Die Polizei habe zehn Hauptbeschuldigte im Alter von 41 bis 56 Jahren im Visier. Bei sechs handele es sich um deutsche Staatsangehörige mit russischem Hintergrund - fünf Männer und eine Frau. Hinzu kämen drei Polen und eine Frau aus der Ukraine. Die Ermittlungen liefen bereits seit Monaten. Zwei Firmen stünden im Mittelpunkt der Ermittlungen. Bei ihnen gebe es den Verdacht, Personen illegal nach Deutschland zu bringen, die für die fleischverarbeitende Industrie arbeiten sollen.
In der Region ist auch der größte deutsche Fleischkonzern Tönnies vertreten, der wegen der hohen Zahl von Corona-Fällen in die Schlagzeilen geraten war. Von dem Konzern war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten, ob es Verbindungen zu den beiden unter Verdacht stehenden Firmen gibt. "An unserem Standort in Weißenfels gibt es bis jetzt keine Durchsuchung, auch an keinem weiteren Tönnies Standort in Deutschland. Wir haben keine Kenntnis darüber, welche Firmen in Weißenfels durchsucht wurden."
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sah sich in ihrer Kritik an den Zuständen in der Branche bestätigt. "Die heutigen Razzien der Bundespolizei wegen illegaler Leiharbeit in der Fleischindustrie belegen einmal mehr, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das derzeit im Gesetzgebungsverfahren beraten wird, ohne Abstriche beschlossen und umgesetzt werden muss", sagte Gewerkschaftschef Guido Zeitler. Die derzeit von Lobbyverbänden und Arbeitgebern geforderten Ausnahmen für Leiharbeit dürften auf keinen Fall zugelassen werden. "Dieselben Firmen, die Osteuropäer illegal einschleusen und ausbeuten, vermitteln sowohl Beschäftigte mit Werkverträgen und haben Zulassungen für Leiharbeit." Die Razzien zeigten, dass Leiharbeitsfirmen nicht per se die seriöseren Unternehmen sind. "Es ist gut und richtig, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz mit diesem kranken System Schluss macht und die Beschäftigten direkt bei den Unternehmen der Fleischindustrie eingestellt werden müssen."