Tesla-Aktie – „Long“ oder „short“?

onvista · Uhr

Auf welcher Seite sind Anleger aktuell beim Pionier für Elektroflitzer besser aufgehoben? Diese Frage vergleicht sich in etwa mit der Gretchen-Frage: Was war zuerst da – das Huhn oder das Ei? Fundamental ist die Aktie so gut wie nicht zu greifen, was eine verlässliche Einschätzung der Kursentwicklung von dieser Seite her sehr stark ausschließt.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Das Vertrauen in die Aktie wurde zuletzt auf eine harte Probe gestellt. Fast täglich gab es zuletzt schlechte Nachrichten über die Elektroflitzer aus Palo Alto. Tödliche Unfälle, Probleme bei der Fertigung und eine mögliche weitere Kapitalerhöhung machten die Runde. Alles keine Neuigkeiten, die für einen steigenden Kurs sorgen könnten. Zu diesem Zeitpunkt schien die Antwort auf die Frage „Long“ oder „short“ einfach zu sein.

Unter allen US-Werte kam die Tesla-Aktie auf eine der höchsten Short-Quoten. Als die Quartalszahlen dann nicht passten und Elon Musk sich auf dem anschließenden Analysten-Call mit den Teilnehmern anlegte, als er von „langweiligen“, „nicht coolen“ Fragen sprach, schienen die Short-Seller alles richtig gemacht zu haben. Die Aktie gab um 5 Prozent nach und mehr denn je schien das Vertrauen in den Tesla-Chef zu schwinden.

Bange machen gilt nicht

Aber so schnell wollte Sunnyboy Musk nicht aufgeben. Anfang Mai kaufte er für fast 10 Millionen Dollar Tesla-Aktien, baute seinen Anteil auf etwa 20 Prozent aus und prophezeite den Short-Sellern unruhige Zeiten. Wörtlich sprach er von einem „Short-Seller-Blutbad“. So richtig ernst genommen wurde Musk zu diesem Zeitpunkt nicht. Aber der smarte Manager versteht seinen Job und vor allen Dingen versteht er es den Menschen bzw. Anlegern seine Visionen zu verkaufen.

Hauptversammlung bringt die Wende

Beim Aktionärstreffen im kalifornischen Mountain View zog Elon Musk alle Register seines Könnens und wurde dafür belohnt. Ein Antrag seine Macht im Konzern auf ein Amt zu beschränken erhielt keine erforderliche Mehrheit. Musk bekräftigte im Anschluss noch einmal das Produktionsziel beim neuen „Model 3“ von wöchentlich 5000 Autos bis Ende Juni erreichen zu können. Zugleich räumte der Milliardär ein: „Das waren die schrecklichsten paar Monate, die ich je erlebt habe, aber ich glaube, wir kommen hin.“

Die Aktionäre klebten förmlich an seinen Lippen und sie hörten noch mehr, dass sie begeisterte. Musk trat Befürchtungen von Analysten entgegen, der notorisch defizitäre US-Konzern könnte Kapitalbedarf haben und versprach Investoren erneut einen Gewinn für das zweite Halbjahr. Nach Gesprächen mit der Regierung in Peking sei zudem in Kürze mit einer Ankündigung zu einer Fabrik in Shanghai zu rechnen.

Musk hält was er verspricht

Zumindest wenn er den „Short-Sellern“ droht. Nach der HV war die Aktie von Tesla heiß begehrt. Um die 10 Prozent gib es nach oben und damit wurden einige Investoren auf dem falschen Fuß erwischt. Nach Schätzungen des Finanztechnologieunternehmens S3 Partners haben am vergangenen Mittwoch alle Investoren, die auf fallende Kurse gewettet haben, zusammen etwa eine Milliarde Dollar in den Sand gesetzt. Der Schmerz bei der Tesla-Aktie ist aber noch viel größer. Seit 2016 mussten Tesla-Bären Verluste in Höhe von fast 5 Milliarden US-Dollar verkraften, sagte Ihor Dusaniwsky, Chef von S3 Partners, gegenüber CNBC.

Mit den Versprechen ist das so eine Sache

Wenn es um die Profitabilität von Tesla geht und um wöchentliche Produktion des „Model 3“, dann liegt der Tesla-Chef auch schon ganz gerne mal daneben. Immer wieder wird das Ziel auch gerne nach hinten geschoben. Bislang konnte Musk aber das Vertrauen der Anleger immer wieder gewinnen. Die letzten Monate haben allerdings gezeigt, dass sowohl die Anleger als auch Elon Musk dünnhäutiger werden. Daher könnte es gut sein, dass der Tesla-Chef sich in der letzten Runde des Kampfes befindet. Sollten nicht spätestens im zweiten Halbjahr wöchentlich 5000 Elektroflitzer vom Band laufen, dann dürfte die Tesla-Aktie nicht nur angezählt, sondern ausgeknockt werden. Dann könnte es auf der anderen Seite zu einem „Blutbad“ kommen.

Nächstes Versprechen liegt auf dem Tisch

Noch während Teslas Fahrassistenz-System nach mehreren Unfällen untersucht wird, verspricht Firmenchef Elon Musk zum August erste Funktionen zum autonomen Fahren. Sie sollen mit der neuen Version der Software von Teslas Elektroautos aktiviert werden, schrieb Musk auf Twitter. Weitere Details nannte er aber nicht, so dass unklar blieb, in welchem Umfang und unter welchen Umständen der Computer die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen soll.

Was allerdings feststeht, ist ein stolzer Preis. Tesla-Kunden können sich bereits die Option auf entsprechende Funktionen sichern, die je nach Verfügbarkeit und Zulassung durch die Aufsichtsbehörden freigeschaltet werden sollen. Das kostet 3600 Euro beim Neuwagenkauf und 4200 Euro bei Aktivierung nach Auslieferung. Die verbesserte Autopilot-Funktionalität lässt sich Tesla mit 6000 Euro bezahlen.

„Long“ oder „short“?

Auch die Analysten wissen auf diese Frage keine richtige Antwort. Die Privatbank Berenberg hat die Einstufung für Tesla auf „Buy“ mit einem Kursziel von 500 US-Dollar belassen. Der Markt unterschätze den technologischen Vorteil des Elektroauto-Pioniers im Vergleich mit den traditionellen Fahrzeugherstellern, schrieb Analyst Alexander Haissl heute in einer Studie.

Das japanische Analysehaus Nomura sieht es ähnlich. Sie hat heute das Kursziel für Tesla von 420 auf 450 US-Dollar angehoben und die Einstufung für die Aktie des Elektroauto-Herstellers auf „Buy“ belassen. Analyst Romit Shah beurteilt die Bruttomargen-Entwicklung des Model 3 in einer am Montag vorliegenden Studie nun positiver.

Die Schweizer Großbank UBS hat die Einstufung für Tesla nach Zahlen auf „Sell“ mit einem Kursziel von 195 US-Dollar belassen. Die US-Bank J.P. Morgan hat das Kursziel für Tesla nach Quartalszahlen von 185 auf 180 US-Dollar gesenkt und die Einstufung auf „Underweight“ belassen.

Damit ergibt sich eine Spanne 320 Dollar zwischen den Kurszielen. Das zeigt wie zerrissen die Fachwelt ist, wenn es um das Wertpapier des Elektroauto-Bauers geht. Aktuell scheinen wieder die Bullen die Nase vorn zu haben. Wie lange dieser Trend anhält, ist allerdings schwer zu sagen. In solchen Fällen ist es vielfach besser sich nicht zwischen „Long“ oder „short“ zu entscheiden, sondern lieber auf andere Aktien zu setzen, die einen erkennbaren Trend liefern.

Wer das Risiko allerdings liebt, der kann gerne eine Position beziehen. Allerdings erinnert mich das an das gute alte Spiel „Kopf“ oder „Zahl“. Die Chancen stehen meiner Meinung nach Fifty-Fifty, die richtige Seite zu treffen.

Von Markus Weingran

Foto: Arcansel / Shutterstock.com

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