Tschechiens Regierungschef Babis will zweite Amtszeit - Wahl beginnt

Reuters · Uhr

Prag (Reuters) - Bei der Parlamentswahl in Tschechien bemüht sich Ministerpräsident Andrej Babis um eine zweite Amtszeit.

Zur Stunde öffnen in dem EU-Land die Wahllokale für die bis Samstagmittag laufende Abstimmung. Umfragen zufolge könnte es knapp werden für Babis, der wegen seiner Corona- und Schuldenpolitik in die Kritik geraten und zuletzt in Zusammenhang mit persönlichen Geschäften in Steueroasen genannt worden war. Der Milliardär weist jegliches Fehlverhalten zurück. Seine populistische Partei ANO liegt in Umfragen zwar weiter vorn. Doch der Vorsprung zu zwei Oppositionsgruppen, die Babis gemeinsam aus dem Amt drängen wollen, ist in den vergangenen Wochen auf wenige Prozentpunkte geschrumpft.

Wahlkampf hat Babis mit dem Versprechen gemacht, weiter die Löhne, Gehälter und Pensionen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Damit dürfte der 67-Jährige bei seiner Wählerbasis gepunktet haben. An der großzügigen Ausgabenpolitik aus der Corona-Zeit hatte Babis bereits zuletzt weiter festgehalten, obwohl sich die Lage im Land inzwischen entspannt hat. Während der Pandemie hatte Babis die Opposition gegen sich aufgebracht, die ihm ein chaotisches Krisenmanagement vorwarf. Tschechien hat mit mehr als 30.000 Corona-Toten eine der höchsten Todesraten in Europa.

Ernannt wird der neue Ministerpräsident laut Verfassung vom Staatspräsidenten. Der mit Babis verbündete Amtsinhaber Milos Zeman wird nach Angaben seines Büros entgegen der Gewohnheit dieses Mal nicht öffentlich seine Stimme abgeben. Als Grund wurden gesundheitliche Probleme genannt, die nicht näher spezifiziert wurden. Der 77-Jährige wird demnach im Präsidentenpalast wählen.

Auch wenn Babis letztlich den Auftrag zur erneuten Regierungsbildung erhalten sollte, dürfte sich die Suche nach Koalitionspartnern schwierig gestalten. Das Oppositionsbündnis aus der Piraten- und der Bürgermeisterpartei sowie einer Mitte-Rechts-Partei hat jegliche Zusammenarbeit mit Babis abgelehnt. Die Allianz wirft dem Gründer des Konzernimperiums Agrofert inakzeptable Interessenskonflikte vor. Babis verweist darauf, dass er sämtliche juristische Verantwortung für Agrofert vor Amtsantritt 2017 in eine Stiftung überführt habe. Doch die Europäische Kommission hat Fördergelder für Agrofert gestoppt.

Mit einem Sieg der Opposition könnte sich das Verhältnis Tschechiens zur EU verbessern, weil zumindest der Streit um Interessenskonflikte aus der Welt wäre. Eine Niederlage für Babis, der im Wahlkampf gegen Einwanderung und gegen die EU ins Feld gezogen ist, würde das Land zudem politisch von Ungarn und Polen entfernen, die mit Brüssel in juristischen Fragen rund um das Demokratieverständnis über Kreuz liegen. Experten sehen Babis in derselben Linie: "Babis ist ein kleiner Fisch im Vergleich zu dem, was in Polen und Ungarn passiert", sagte Tomas Weiss, Europa-Wissenschaftler an der Prager Karls-Universität. Die EU-Kommission könne aber nicht gegen Ungarn und Polen vorgehen und ignorieren, was in Tschechien passiere.

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