US-Inflation schraubt sich auf 6,8 Prozent - Höchste Rate seit 1982

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Lucia Mutikani und Reinhard Becker und Rene Wagner

Washington/Berlin (Reuters) - Die Inflation in den USA steigt auf geradezu schwindelerregende Höhen.

Waren und Dienstleistungen kosteten im November 6,8 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, wie das Arbeitsministerium am Freitag in Washington mitteilte. Das ist der höchste Wert seit Juni 1982. Von Reuters befragte Experten hatten mit diesem Schub gerechnet, nachdem die Inflationsrate im Oktober noch 6,2 Prozent betragen hatte. Aus der Pandemiekrise resultierende Lieferprobleme, Materialengpässe und geradezu explodierende Energiekosten treiben die Teuerung nach oben. Doch die Verbraucher bleiben vor Weihnachten in Kauflaune: Ihr Stimmung stieg im Dezember überraschend, wie die monatliche Umfrage der Universität Michigan ergab.[L8N2SV47X]

US-Präsident Joe Biden hatte die Bürger bereits vorsorglich auf die schlechte Nachricht einer weiter anziehenden Inflation eingestimmt und zugleich vor überzogenen Befürchtungen gewarnt. Die Daten würden noch nicht die erwarteten Preissenkungen in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.

Doch die Notenbank Fed sieht das Inflationsphänomen mittlerweile nicht mehr als vorübergehend an. Sie gerät zusehends unter Zugzwang, ihren lockeren geldpolitischen Kurs früher zu verlassen als zunächst geplant. "Wenn es noch eines Arguments bedurft hatte, um die US-Notenbank von der Notwendigkeit eines zügigeren Ausstiegs aus der ultra-lockeren Geldpolitik zu überzeugen, dann wurde dieses durch die heutigen Inflationsdaten geliefert", erklärte LBBW-Analyst Elmar Völker. Das hohe Tempo der Energiepreise steche mit plus 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr besonders hervor. NordLB-Analyst Bernd Krampen spricht mit Blick auf die Inflationsdaten von "historischen Zahlen": Generell hielten Güterengpässe, Lieferunterbrechungen, Hafenschließungen und der Mangel an Containern den Preisdruck hoch. Auch die Nahrungsmittelpreise sorgten für Auftrieb. "Zudem scheinen niedrige Leerstände sowie die gestiegenen Immobilienpreise und Einkommen die Mieten höher zu treiben. Die Inflationssorgen werden nicht geringer", so das Fazit des Experten.

WOHL BALD BAHN FREI FÜR ZINSWENDE

Für die Zinssitzung der Fed am Mittwoch wird ein Beschluss erwartet, dass die Notenbank den Geldhahn früher zudrehen könnte. Sie dürfte das Tempo beim Abbau ihrer monatlichen Käufe im Rahmen ihres Anleihenprogramms beschleunigen. Dieser bereits im November eingeleitete Prozess der geldpolitischen Normalisierung ist im Fachjargon als Tapering bekannt und gilt als Voraussetzung für eine Zinswende. "Wir rechnen mit einer Verdoppelung des Tapering-Tempos auf 30 Milliarden Dollar pro Monat. Dies würde die Käufe bis Ende März auf null zurückführen", so Commerzbank-Experte Christoph Balz. Danach wäre die Bahn frei für eine Leitzinsanhebung, mit der noch im zweiten Quartal 2022 zu rechnen sei.

Trotz der hohen Inflation deckten sich die Anleger an der Wall Street am Freitag mit Aktien ein. "Die Börsen steigen, weil die Zahlen ziemlich den Erwartungen entsprachen und nicht wie befürchtet dramatisch übertroffen wurden", sagte Thomas Hayes, geschäftsführendes Mitglied beim Vermögensverwalter Great Hill Capital in New York. Die Anleger hätten die Tatsache, dass die Fed das Tempo bei der Drosselung der Anleihekäufe beschleunigen werde, "ziemlich gut akzeptiert".

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