Wie halten Sie es mit der Anlageberatung?

Sebastian Müller · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Wenn Sie regelmäßig an der Börse aktiv sind, beschäftigen Sie sich bestimmt hin und wieder mit den folgenden Fragen: Ist mein Portfolio optimal aufgestellt? Passt die Vermögensaufteilung zu meinen Anlagezielen und zu meinen Risikopräferenzen? Mache ich vermeidbare Fehler? Und wie viel habe ich in der Vergangenheit mit meinen Aktiengeschäften eigentlich verdient?

Das sind interessante Fragen. Denn auch wenn ich nicht sagen kann, wie es bei Ihnen persönlich aussieht, so hat die Forschung für die Gesamtheit der Privatanleger in den vergangenen 20 Jahren eine Vielzahl von Verhaltensweisen dokumentiert, die oft zu einem unbefriedigenden Anlageergebnis führen. So sind Anleger oft nur unzureichend diversifiziert, was sich beispielsweise daran zeigt, dass die Anzahl der gehaltenen Aktien oft sehr gering ist oder daran, dass Anleger übermäßig nur in bestimmte Aktien eines Landes (Stichwort: Home Bias) oder einer Industrie investieren. Dadurch werden vermeidbare zusätzliche Risiken eingegangen.

Gut erforscht ist auch die Tendenz von Privatanlegern, zu viel zu handeln. Besonders eindrucksvoll wurde dies von Brad Barber und Terrance Odean in einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 gezeigt. Die nachfolgende Grafik visualisiert eines ihrer zentralen Ergebnisse, welches auf Daten von einem US-amerikanischen Onlinebroker für die Jahre von 1991 bis 1996 basiert. Baber und Odean unterteilten die Investoren anhand ihrer Handelshäufigkeit in fünf Gruppen und untersuchten für jede Gruppe die Brutto- und Nettorendite der Portfolios. Das Ergebnis war eindeutig: Die Bruttorendite, also die Rendite vor Handelskosten, fiel über alle Gruppen hinweg sehr ähnlich aus und lag in der Nähe der Rendite des Gesamtindex. Dagegen hatte die Gruppe mit dem höchsten Handelsvolumen eine etwa 6% geringere Nettorendite als die Gruppe mit dem niedrigsten Handelsvolumen (12% im Vergleich zu 18%). Eine Schlussfolgerung ist, dass viele Privatanleger übermäßig optimistisch darin sind, den Markt zu schlagen, dass sie deshalb (zu) viel handeln, und dass die dadurch verursachten Handelskosten ihre Nettorendite deutlich schmälern. Vielleicht unterschätzen viele aber auch einfach die Bedeutung oder die Höhe von Handelskosten.

Das sind exemplarische Beispiele für typische Anlegerfehler, von denen es noch einige mehr gibt. Damit stellt sich die Frage, ob man bei Finanzentscheidungen nicht besser auf den Rat eines professionellen Beraters hören sollte. Es sollte schließlich vielfach Möglichkeiten für professionelle Anlageberater geben, Verbesserungspotenzial in den Portfolios ihrer Kunden zu identifizieren.

Der Ruf der Anlageberatung ist in den letzten Jahren allerdings auch nicht der beste gewesen. Zu teuer, zu unflexibel oder schlicht fehlerhaft lauten die Vorwürfe. Aber warum wird die Kritik am Anlageberater in solcher Regelmäßigkeit hervorgebracht? Ohne auf alle möglichen Erklärungsansätze einzugehen, lohnt es sich in diesem Kontext über den sogenannten „False Consensus Bias“ nachzudenken, der für jede Art der Beratung eine besondere Herausforderung darstellt. Unter diesem „Bias“ versteht man die Tatsache, dass Personen die Ähnlichkeit anderer mit ihnen selbst in Haltungen, Verhalten und Persönlichkeitsmerkmalen überschätzen. In anderen Worten glaubt man also, dass man mit der Person gegenüber mehr gemeinsam hat, als dies tatsächlich der Fall ist.

Aufgrund des False Consensus Bias könnte der Anlageberater folglich zu sehr davon ausgehen, dass sein Kunde eine ähnliche Risikoeinstellung und damit einhergehend eine ähnliche Präferenz zum Aktienmarkt hat wie er selbst. In einer aktuellen Untersuchung zeigen Stephen Foerster, Juhani Linnainmaa, Brian Melzer und Alessandro Previtero (2017) Ergebnisse, die konsistent mit dem False Consensus Bias sind. Unter anderem wurde auf Basis von Daten kanadischer Anlageberatungsfirmen untersucht, welche Eigenschaften die Aktienquote der Kunden erklären können.

Nun kann man sich überlegen, dass einige Merkmale des Kunden, wie z.B. dessen Alter, Einkommen oder Anlagehorizont, dafür verantwortlich sein sollten, welchen Vermögensanteil der Kunde in den Aktienmarkt allokiert. Tatsächlich konnten all diese kundenspezifischen Einflussfaktoren aber nur rund 13% der gesamten Variation in der Aktienquote über die Kundenportfolios erklären, wie Grafik 2 veranschaulicht. Wird dagegen auch berücksichtigt, von dem sich der Kunde beraten ließ, so können rund 32% werden. Mit anderen Worten: Wie viel der Kunde in den Aktienmarkt investierte, hing mit entscheidend davon ab, zu welchem Berater er gegangen ist. Wer der Berater war, sagt also mehr über das Portfolio eines Anlegers aus als dessen individuelle Faktoren!

Eine Schlussfolgerung aus der Studie ist, dass Anlageberater bei der Portfoliozusammenstellung wohlmöglich zu wenig auf die Präferenzen ihrer Kunden abstellen und zu sehr ihre eigenen Präferenzen einfließen lassen. Das kann dazu führen, dass z.B. Personen mit geringer Risikotoleranz einen zu hohen Aktienanteil haben. Man kann sich leicht ausmalen, dass diese Fehleinschätzungen je nach Marktentwicklung zu Verstimmungen beim Kunden führen.

Vielleicht bietet der zuletzt viel diskutierte Robo Advice eine Möglichkeit, diese menschlichen Schwächen zu vermeiden. Auf der anderen Seite mag es für eine bessere Anlageberatung aber auch schon ausreichend sein, wenn der Berater nicht nur die typischen Anlagefehler seiner Kunden kennt, sondern auch die eigenen, allzu menschlichen Denkweisen, wie den False Consensus Bias. Dabei können die Erkenntnisse der Behavioral Finance helfen.

Sie sind Berater oder würden gerne mehr über aktuelle Erkenntnisse der Behavioral Finance erfahren? Dann tragen Sie sich in unseren Behavioral Finance Newsletter unter https://www.behavioral-finance.de ein.

Literaturquellen:

Barber, Brad und Terrance Odean, 2000. Trading is hazardous to your wealth: The common stock investment performance of individual investors, Journal of Finance, 55, 773-806.

Foerster, Stephen, Juhani Linnainmaa, Brian Melzer und Alessandro Previtero, 2017. Retail Financial Advice: Does One Size Fit All?, forthcoming Journal of Finance.

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