Wirecard: Geht das Drama 2020 weiter oder wird im neuen Jahr alles anders?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Wirecard-Anleger haben ein sehr turbulentes und im Ergebnis auch sehr schwaches Jahr 2019 hinter sich. Das erste volle Jahr im Börsen-Oberhaus Dax wird dem Unternehmen angesichts des Kurseinbruchs nach kritischen Berichten der „Financial Times“ zu den Bilanzierungsgepflogenheiten noch lange im Gedächtnis bleiben. Ob der Konzern die richtige Antwort gefunden hat und die Kritiker im neuen Jahr verstummen, wird sich wohl schon im ersten Quartal des neuen Jahres zeigen.

Vorstandschef Braun rechnet mit besseren Zeiten für Wirecard

Gleich zu Jahresbeginn hat sich Markus Braum via Twitter zu Wort gemeldet:

I am convinced that the market can re-focus on the excellent business performance and innovations of Wirecard faster than anticipated. I wish everyone a happy New Year and a good start into 2020 and a new decade!

— Markus Braun (@_MarkusBraun) January 1, 2020

„Ich bin davon überzeugt, dass der Markt die exzellente Geschäftsentwicklung und die Innovationen von Wirecard schneller einpreisen wird, als erwartet.“ Mit diesem Tweet versuchte der Vorstandsvorsitzende Markus Braun die Anleger direkt auf ein besseres Jahr 2020 einzuschwören. Fast genau 24 Stunden später weitete Braun über das blaue Vögelchen seinen positiven Ausblick für den Betahldienstleister gleich mal auf das kommende Jahrzehnt aus:

The decade from 2010 to 2019 was outstanding for Wirecard but I am convinced 2020 to 2029 will strongly outperform that.

— Markus Braun (@_MarkusBraun) January 2, 2020

„Die Decade von 2010 bis 2019 war schon außergewöhnlich für Wirecard, aber ich bin davon überzeugt, dass 2020 bis 2029 das ganze noch stark übertreffen wird.“

Was genau meint Markus Braun mit diesem Satz? Am ersten Handelstag im Jahr 2010 stand der Aktienkurs von Wirecard bei fast genau 10 Euro. Bis Ende 2019 hat sich der Kurs somit in etwa verelffacht.

Chart Wirecard vom 01.01.2010 bis 31.12.2019

Würde die Aktie dieses Kunststück von Anfang 2020 bis Ende 2029 erneut hinlegen, dann müsste der Kurs in den kommenden zehn Jahren auf 1.210 Euro steigen.

Werfen wir noch kurz einen Blick auf das operative Geschäft. 2010 erwirtschaftete Wirecard einen EBITDA von etwas mehr 73 Millionen Euro. Die endgültigen Geschäftszahlen für 2019 hat Wirecard noch nicht veröffentlicht. Laut den Schätzungen soll das EBITDA zwischen 1 und 1,2 Milliarden Euro liegen, was mehr als einer Verelffachung entspricht. Sollte Markus Braun diese Entwicklung gemeint haben, dann müsste Wirecard gegen Ende des nächsten Jahrzehnts ein EBITDA im zweistelligen Milliarden-Bereich ausweisen.

Bislang hat die negative Berichterstattung der Medien dem operativen Geschäft nicht geschadet. „Nur“ der Aktienkurs kam kräftig unter die Räder.

Sonderbericht soll Klarheit schaffen

Wirecard-Chef Markus Braun will den Turbulenzen rund um die Aktie in diesem Frühjahr mit der noch laufenden Sonderprüfung der Bücher ein Ende setzen. In Aussicht gestellt haben die Aschheimer die Ergebnisse zum Ende des ersten Quartals. Im Kern geht es darum, ob Wirecard bei Töchtern in Dubai und Irland Umsätze und Gewinne zu hoch angesetzt hat. Zusätzlich zum regulären Hausprüfer EY durchkämmen nun die Wirtschaftsprüfer von KPMG die Bücher nach Auffälligkeiten. Das Unternehmen weist nach wie vor alle Vorwürfe rund um Scheinbuchungen zurück, alle verbuchten Kundenbeziehungen und die Umsatzerfassung seien authentisch.

Tatort Aschheim

Was Ende Januar 2019 mit Vorwürfen der „Financial Times“ rund um die Bilanzprobleme einer Tochter in Singapur begann, hat sich mittlerweile zum echten Börsenkrimi ausgewachsen – mit Anleihen aus dem Spionagegenre. In Singapur musste Wirecard letztlich Fehlbuchungen im kleineren Maßstab einräumen. Dennoch sieht sich das Unternehmen als Opfer einer konzertierten Aktion von Spekulanten, die mit fallenden Kursen Geld verdienen wollen. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt auf den Verdacht der deutschen Finanzaufsicht Bafin unter anderem in diese Richtung. Frühere Attacken auf die Wirecard-Aktie waren für die sogenannten Leerverkäufer sehr lukrativ, gelang es ihnen etwa im Februar 2016 bereits, den Kurs deutlich abstürzen zu lassen.

Das Unternehmen vermutet, dass Reporter der „FT“ mit Spekulanten unter einer Decke stecken. Die britische Zeitung sieht diesen Vorwurf nach eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen als entkräftet an. Medienberichten zufolge sollen aus dubiosen Quellen Tonbandaufnahmen existieren, die nahelegen, dass einige Anleger im Vorhinein über kritische Berichte des Blattes Bescheid wussten. Wer diese informiert haben könnte, ist aber unklar. Üblicherweise informiert die Presse das Ziel einer Berichterstattung mit zeitlichem Vorlauf über solche Berichte, um eine Stellungnahme zu erhalten und dem- oder derjenigen die Möglichkeit zu geben, Ungereimtheiten auszuräumen.

Aktionäre tappen also weitgehend im Dunkeln, und das eigentlich so rund laufende Tagesgeschäft spielt aktuell eine untergeordnete Rolle. Dabei wollen die Aschheimer auch in diesem Jahr kräftig wachsen, das operative Ergebnis (Ebitda) soll auf 1 bis 1,12 Milliarden Euro anschwellen. Die Zahlen für 2019 muss Wirecard erst noch bekanntgeben, gegenüber der Mitte der Prognosespanne (765 bis 815 Millionen Euro) wäre das ein Zuwachs von gut einem Drittel.

Wirecard-Chef selbst ist der größte Optimist

Braun, der mit gut 7 Prozent auch einer der größten Aktionäre des Konzerns ist, macht ohnehin weiter Stimmung für die operative Entwicklung.  Wirecard hat sich viel vorgenommen. Der Einstieg von Softbank über eine Wandelanleihe soll den Aschheimern bei den vielen Beteiligungen des Tech-Investors Türen öffnen. Zudem sollen die Japaner beim Markteintritt in Japan und Südkorea helfen. Auch in China legt das Unternehmen mit Zukäufen und Kooperationen einen Zahn zu.

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Analysten sind weiterhin überzeugt

Grundsätzlich sind die Branchenexperten der Aktie gegenüber positiv gestimmt – was die Kurschancen angeht. Von 17 seit Oktober erfassten Analysten empfehlen 13 das Papier zum Kauf, 3 sind für das Halten der Titel, mit der Bank of America rät nur Adithya Metuku zum Abstoßen. Das durchschnittliche Kursziel liegt mit 189 Euro derzeit rund 80 Euro über dem aktuellen Kurs.

Metuku bleibt vorsichtig und nannte im Oktober ein Kursziel von 120 Euro. Ihm fehle es an Klarheit, was die Wachstumstreiber angehe. Der optimistischste Analyst hingegen ist Simon Bentlage von Hauck & Aufhäuser. Er sieht den Aktienkurs auf Sicht von 12 Monaten bei satten 270 Euro, wie er kurz vor Weihnachten schrieb. 2020 dürfte stark ausfallen. Auch Morgan-Stanley-Experte Adam Wood attestiert dem Unternehmen ein hohes strukturelles Wachstum und hob sein Kursziel Mitte Dezember von 190 auf 205 Euro an.

DZ-Bank-Experte Harald Schnitzer senkte im Dezember den von ihm errechneten fairen Wert der Papiere wegen der rechtlichen Unwägbarkeiten von 185 auf 150 Euro.

Anleger bleiben vorsichtig

Ob es tatsächlich nur Spuk um die Aktie ist, wie Wirecard vorgibt, oder sich noch schwerwiegendere Bilanzprobleme bei dem Zahlungsdienstleister auftun – die Anleger sind sich ausweislich der Kursturbulenzen nicht so sicher wie das Management. Wie auch, hatte es vor den kleineren Korrekturen in Singapur doch noch geheißen, es gebe keine Probleme, die „FT“ sei wohl einem persönlich enttäuschten Whistleblower auf den Leim gegangen, an den Berichten sei mithin nichts dran.

Das Vertrauen der Anleger in das Unternehmen jedenfalls ist massiv gestört, weil das Management die Vorwürfe nicht in den Griff bekommt. Vom bisherigen Rekordhoch von 199 Euro aus dem September 2018, kurz vor dem Aufstieg in den Dax, ist das Wirecard-Papier mit rund 110 Euro aktuell weit entfernt. Im vergangenen Jahr war Wirecard mit minus 19 Prozent der schwächste Dax-Wert. Ob das Kursplus der vergangenen drei Jahre von mehr als 160 Prozent oder die Verdreifachung über die vergangenen fünf Jahre den Ärger der Anleger lindern können, hängt wohl davon ab, wie lange sie die Aktien schon im Depot liegen haben.

Nach dem Zwischentief von 86 Euro im Frühjahr 2019 infolge der ersten Berichte rund um Bilanzunregelmäßigkeiten in Singapur gelang der Aktie zwar zunächst eine Erholung auf über 160 Euro. Immer wieder wurde das Aufwärtsstreben danach aber von neuen Medienberichten unterbrochen, im Oktober sorgte ein weiterer Bericht dann für den erneuten Sturz unter 110 Euro.

Wirecard ist ein relativ junges Unternehmen und noch Ende 2016 pendelte die Aktie um 40 Euro. Doch die Marktkapitalisierung hat sich gegenüber früheren Jahren deutlich erhöht. Zwar ist das Unternehmen an der Börse derzeit mit 13,6 Milliarden Euro wieder rund eine Milliarde weniger wert als das größte deutsche Geldhaus, die Deutsche Bank. Immer noch bringen die Aschheimer aber knapp doppelt so viel auf die Waage wie die Commerzbank. Der direkte Wirecard-Konkurrent Adyen sticht indes mit einer Marktkapitalisierung von knapp 22 Milliarden Euro die drei deutschen Konzerne ein gutes Stück weit aus.

Von Markus Weingran / dpa-AFX

Foto: Anton Garin / Shutterstock.com

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