Kutzers Zwischenruf: Neues Quartal, neue Hoffnung – vielleicht zu früh

Hermann Kutzer · Uhr

Als ewiger Optimist freut man sich, wenn andere in einer schwierigen Situation Zuversicht verbreiten. Börsianern liegt das im Blut, es gehört einfach zum Wesen von Anlegern und Händlern. Das erkennt man gerade jetzt, in einer globalen Krise von historischer Dimension. Denn was sich schon mit den Stabilisierungsansätzen der führenden Indizes in der vergangenen Woche abzeichnete, hat inzwischen seine Bestätigung durch eine Reihe von Hoffnung weckenden Nachrichten aus dem Umfeld der Finanzmärkte erhalten. Meine (ganz persönliche) Skepsis ist allerdings keineswegs verflogen. Gewöhnung an einen neuartigen, stark eingeschränkten Alltag führt zwar zu einer gewissen Entspannung. Doch möchte ich eindringlich davor warnen, die Pandemie und ihre Folgen locker wegzustecken. Deshalb zweifle ich auch weiterhin an den jüngsten Vorschauen von Volkswirten und Analysten. Sollten diese Mutmacher Recht behalten, werde ich gerne meine übertriebene Skepsis eingestehen.

Zwei Aspekte spielen momentan eine besondere Rolle: Zum einen entsprechen die jüngsten Meldungen aus China (meinen) früheren Spekulationen, dass dem Reich der Mitte früher als anderen die Wende gelingen kann. Zum anderen beginnt jetzt das zweite Quartal, was quasi kalendarisch die Anlageaktivitäten institutioneller Investoren anregt. Dazu passen Konjunktur- und Börsenprognosen optimistischer Fondsmanager, die auf einen „V“-Verlauf setzen (= schnell steil abwärts, dann schnell steil wieder aufwärts). Sorry, geschätzte Anleger, meine Zuversicht ist momentan noch in der Schublade. Mein Bauchgefühl sagt mir beispielsweise auch, dass die gestrigen Einschätzungen der Wirtschaftsweisen eher zu milde sind.

Aber freuen wir uns mit den Chinesen. Deren Industrie ist nach dem Corona-bedingten Rekordeinbruch bereits auf den Wachstumspfad zurückgekehrt – früher und kraftvoller als die meisten Ökonomen erwartet hatten: Der offizielle Einkaufsmanagerindex kletterte im März wieder über die 50-er Marke, oberhalb der Wachstum signalisiert wird. Positives auch aus Japan, wo die Industrieproduktion im Februar überraschend weiter gestiegen ist.

Andererseits heißt es in aktuellen Marktanalysen, dass die Rezession die Unternehmensgewinne stark belasten wird (wen wundert’s) – darin sind sich die Aktienstrategen der namhaften Investmentbanken einig. Ihre Gewinnprognosen gehen jedoch stark auseinander: Für die USA wird der Gewinnrückgang 2020 auf 7 bis 38 Prozent geschätzt. In Europa rechnen die Strategen sogar mit einem Minus von 25 bis 45 Prozent. Im kommenden Jahr soll es dann auf beiden Seiten des Atlantiks wieder

aufwärts gehen. Das dürfte der Aktienmarkt vorwegnehmen, wenn auf dem V kein dickes U oder gar ein L wird.

Nach meiner Einschätzung ist vorsichtige Hoffnung für die Entwicklung von Pandemie und Weltwirtschaft zwar berechtigt, aber ich sehe noch kein Anlass für eine Entwarnung. Anleger sollten deshalb auch nicht übermütig werden.

Alles Gute und tun Sie alles, um gesund zu bleiben!

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