Befreiung / Zielgesellschaft: INTERSHOP Communications AG ; Antragsteller: Value Focus Beteiligungs GmbH und Frau Julia Fischer

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DGAP-WpÜG: Value Focus Beteiligungs GmbH und Frau Julia Fischer / Befreiung
Befreiung / Zielgesellschaft: INTERSHOP Communications AG ; Antragsteller:
Value Focus Beteiligungs GmbH und Frau Julia Fischer

11.02.2022 / 13:10 CET/CEST
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Veröffentlichung des Bescheids der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht vom 30. September 2021 über die Befreiung
gemäß § 37 Abs. 1, 2 WpÜG von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Bezug auf die INTERSHOP Communications, Jena (ISIN
DE000A254211)

Mit Bescheid vom 30. September 2021 hat die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (folgend auch "BaFin") auf entsprechenden
Antrag der Value Focus Beteiligungs GmbH (folgend "Antragstellerin zu 1"),
Erbach, sowie Frau Julia Fischer, (folgend "Antragstellerin zu 2"), diese
jeweils von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG befreit, die
bevorstehende Kontrollerlangung zu veröffentlichen. Weiter wurden beide
Antragsteller von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG befreit,
der BaFin eine Angebotsunterlage für ein Pflichtangebot an die Aktionäre der
INTERSHOP Communications AG, Jena, zu übermitteln und eine solche
Angebotsunterlage zu veröffentlichen. Der Tenor und die wesentlichen Gründe
des Befreiungsbescheids werden nachfolgend wiedergegeben.

Der Tenor des Bescheids lautet wie folgt:

1. Die Antragsteller werden für den Fall, dass sie aufgrund des Beitritts
der Antragstellerin zu 1) zu der zwischen der Shareholder Value Management
Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main und der Shareholder Value
Beteiligungen AG mit Sitz in Frankfurt am Main am 06.05.2016 (in der
geänderten Fassung vom 15.02.2019) geschlossenen Aktionärsvereinbarung
("Aktionärsvereinbarung")
die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG über die INTERSHOP
Communications AG mit Sitz in Jena erlangen, gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG
von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung
an der INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena zu veröffentlichen sowie
von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach
§ 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein
Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.

2. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 dieses Bescheids kann
widerrufen werden (Widerrufsvorbehalt), wenn

(i) die Antragsteller selbst Einfluss auf die auf Grundlage der
Aktionärsvereinbarung (in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts geltenden
Fassung) zu treffenden Entscheidungen nehmen können, insbesondere

(a) die Aktionärsvereinbarung (in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts
geltenden Fassung) im Hinblick auf ihren für Abstimmungen über und für das
Stimmverhalten in der INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena,
wesentlichen Inhalt, insbesondere Ziffer 3 und 4 der Aktionärsvereinbarung
(in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts geltenden Fassung), nachträglich
geändert wird (dies gilt auch für eine Vereinbarung, die die vorgenannte
Aktionärsvereinbarung (In der ab dem Zeitpunkt des Beitritts geltenden
Fassung) ersetzt oder ergänzt), und/oder

(b) die Antragsteller infolge einer Abstimmung (z.B. durch einen weiteren
Poolvertrag oder in sonstiger Weise) mit der Shareholder Value Management
Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main und/oder der Shareholder
Value Beteiligungen AG mit Sitz in Frankfurt am Main über die Mehrheit der
Stimmrechte nach Maßgabe von Ziffer 3 der Aktionärsvereinbarung (In der ab
dem Zeitpunkt des Beitritts geltenden Fassung) verfügen,

c) die Antragsteller infolge einer Abstimmung (z.B. durch einen weiteren
Poolvertrag oder in sonstiger Weise) mit Herrn Frank Fischer auf die auf
Grundlage der Aktionärsvereinbarung (in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts
geltenden Fassung) zu treffenden Entscheidungen Einfluss nehmen können,
und/oder

(ii) die Antragsteller ihren Stimmrechtsanteil an der INTERSHOP
Communications AG mit Sitz in Jena anderweitig einschließlich etwaiger gemäß
§ 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte (ohne Berücksichtigung der Stimmrechte,
die ihr aufgrund der Aktionärsvereinbarung zuzurechnen sind) auf mindestens
30 % erhöhen.

Der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2. (i) dieses Bescheids gilt nicht, wenn
die der Aktionärsvereinbarung (in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts
geltenden Fassung) unterliegenden Stimmrechte weniger als 30 % der in der
INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena vorhandenen Stimmrechte
ausmachen und die Antragsteller ihren Stimmrechtsanteil an der INTERSHOP
Communications AG mit Sitz in Jena nicht anderweitig, einschließlich
etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte auf mindestens 30 %
erhöhen.

3. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 dieses Bescheids ergeht unter
der Auflage, dass die Antragsteller der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht jedes Ereignis, jeden Umstand und jedes
Verhalten, das den Widerruf der Befreiung gemäß der vorstehenden Ziffer 2
dieses Bescheids rechtfertigen könnte, unverzüglich mitzuteilen haben.

4. Für die positive Entscheidung über den Befreiungsantrag ist von den
Antragstellern eine Gebühr zu entrichten.

Gründe:

A.

I. Zielgesellschaft

Zielgesellschaft ist die INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Jena unter der
Handelsregisternummer HRB 209419 (nachfolgend "Zielgesellschaft"). Das
Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt nach einer im Februar 2020
erfolgten Aktienzusammenlegung im Verhältnis 3:1 derzeit EUR 14.194.164,00
und ist eingeteilt in insgesamt 14.194.164 auf den Inhaber lautende
Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von EUR 1,00 je
Aktie (nachfolgend die "INTERSHOP-Aktien'').

Die INTERSHOP-Aktien sind zum Handel am regulierten Markt der Frankfurter
Wertpapierbörse (Prime Standard) unter der ISIN DE000A254211 zugelassen.

II. Antragsteller

Die Antragstellerin zu 1) ist eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter
Haftung, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main
unter der Handelsregisternummer HRB 87119. Die Antragstellerin zu 1) hielt
zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als 3% der INTERSHOP -Aktien.

Die Antragstellerin zu 2) und Herr Frank Fischer (nachfolgend "Herr Fischer")
halten jeweils 50 % der Geschäftsanteile der Antragstellerin zu 1).
Angabegemäß stimmen die Antragstellerin zu 2 ) und Herr Fischer ihr
Verhalten in Bezug auf die Antragstellerin zu 1) untereinander ab. Die
Antragstellerin zu 2) und Herr Fischer sind zudem jeweils zu
einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Antragstellerin zu 1)
bestellt. Die Antragstellerin zu 2) hält keine INTERSHOP-Aktien zu Eigentum.

Herr Fischer ist Mitglied des derzeit zweiköpfigen Vorstands der Shareholder
Value Management Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister des
Amtsgerichts Frankfurt am Main unter der Handelsregisternummer HRB 49135
(nachfolgend "SVM AG'), und der Shareholder Value Beteiligungen AG,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main unter der
Handelsregisternummer HRB 51069 (nachfolgend "SVB AG"); Herr Fischer ist
jeweils einzelvertretungsberechtigt.

III. Aktionärsvereinbarung in Bezug auf die Zielgesellschaft

Zwischen der SVM AG und der SVB AG besteht seit dem 06.05 .2016 eine
Aktionärsvereinbarung, die zuletzt am 15.02.2019 geändert wurde (nachfolgend
die "Aktionärsvereinbarung").

Gemäß Ziffer 1 der Aktionärsvereinbarung arbeiten die SVM AG und die SVB AG
hinsichtlich der Ausübung ihrer Eigentümerrechte bei der Zielgesellschaft
zusammen.. Hierzu koordinieren sie insbesondere ihr Abstimmungsverhalten auf
den Hauptversammlungen der Zielgesellschaft und üben ggf. ihre Rechte aus
ihren Anteilen gemeinsam aus. Die Vereinbarung ist gemäß Ziffer 3 der
Aktionärsvereinbarung auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von der SVM
AG oder SVB AG mit einmonatiger Frist zum Monatsende gekündigt werden.

Unter Geltung der Aktionärsvereinbarung haben die SVM AG und die SVB AG im
Jahr 2019 ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot an die Aktionäre
der Zielgesellschaft durchgeführt. Ausweislich der am 21.03.2019
veröffentlichten Angebotsunterlage war zu diesem Zeitpunkt Herr Frank
Fischer bereits Mitglied des zweiköpfigen Vorstands der SVM AG und der SVB
AG. Zudem war die Antragstellerin zu 1) zum Veröffentlichungszeitpunkt mit
rund 47,2 % an der SVM AG beteiligt; alleinige Gesellschafter der Value
Focus Beteiligungs GmbH waren zu diesem Zeitpunkt die Antragstellerin zu 2)
und Herr Fischer.

Insgesamt verfügen die SVB AG und SVM AG über mehr als 30% der Stimmrechte
der INTERSHOP-Aktien (nachfolgend die "Poolgebundenen INTERSHOP-Aktien").

IV. Die Transaktion

1. Am 14.05.2021 haben die SVM AG, SVB AG, die Sachs Assets GmbH,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt unter der
Handelsregisternummer HRB 88113 (nachfolgend die "Beitretende zu 2)") und
die Antragstellerin zu 1) einen zweiten Nachtrag zur Aktionärsvereinbarung
abgeschlossen (nachfolgend "Nachtragsvereinbarung"). Gemäß Ziffer 1 der
Nachtragsvereinbarung treten durch Abschluss der Nachtragsvereinbarung
sowohl die Antragstellerin zu 1) als auch die Beitretende zu 2) der
Aktionärsvereinbarung bei. Der Beitritt der Antragstellerin zu 1) und der
Beitretenden zu 2) wurde jeweils aufschiebend bedingt vereinbart und wird
mit der Erteilung einer Befreiung der Antragstellerin zu 1) und der
Beitretenden zu 2) von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs.
2 Satz 1 WpÜG gern. § 37 Abs. 1 WpÜG zugunsten der Antragstellerin zu 1)
und/oder der Beitretenden zu 2) wirksam.

Sofern der Antragstellerin zu 1) und/ oder der Beitretenden zu 2) nicht bis
spätestens 30.09.2021 ein Bescheid über die Befreiung von den
Verpflichtungen gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG zugehen
sollten, soll die Nachtragsvereinbarung von Anfang an unwirksam sein.

Die Antragstellerin zu 1) hielt zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als
3% der Stimmrechte und des Grundkapitals der der INTERSHOP-Aktien. Die
Beitretende zu 2) hielt zum Zeitpunkt der Antragstellung ebenfalls weniger
als 3% der Stimmrechte und des Grundkapitals der INTERSHOP-Aktien.

2. Mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung werden sich gemäß Ziffer 3
der Nachtragsvereinbarung die SVM AG und die SVB AG über die Ausübung der
Stimmrechte inhaltlich austauschen und abstimmen, wobei diejenige Person,
die über weniger Stimmrechte verfügt, im Falle eines Dissenses ihre
Stimmrechte entsprechend dem Vorschlag der Partei mit dem größeren
Stimmrechtsanteil ausüben muss. Die Person mit dem größeren
Stimmrechtsanteil ist derzeit die SVB AG.

Im Rahmen der Abstimmung werden die SVM AG und die SVB AG inhaltliche
Beiträge der Antragstellerin zu 1) und der Beitretenden zu 2)
berücksichtigen. Nach Ziffer 4 der Nachtragsvereinbarung sind die
Antragstellerin zu 1) und die Beitretende zu 2) verpflichtet, ihre
Aktionärsrechte, inklusive Stimmrechte, entsprechend dem Ergebnis der nach
Maßgabe von Ziffer 3 erfolgten Abstimmung zwischen der SVB AG und SVM AG
auszuüben, wobei die Verpflichtung unabhängig von der Anzahl der Stimmrechte
der Antragstellerin zu 1) und der Beitretenden zu 2) gilt.

V. Antrag

Mit Schreiben, datierend auf den 14.05.2021 und der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht am 06.07.2021 per Fax zugegangen, hat die
Antragstellerin zu 1) sinngemäß beantragt, die Antragstellerin zu 1) gemäß §
37 Abs. 1 WpÜG von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 1 WpÜG zu befreien, die aus dem Wirksamwerden des geplanten Beitritts
der Antragstellerin zu 1) zur Aktionärsvereinbarung auf Grundlage der
Nachtragsvereinbarung aufgrund der ihr gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnenden
Stimmrechte entstehen würden. Mit Schreiben vom 09.09.2021, der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht am 10.09.2021 per Fax
zugegangen, hat die Antragstellerin zu 2) unter Bezugnahme auf den Antrag
der Antragstellerin zu 1) und deren Antragsbegründung ebenfalls einen Antrag
auf Befreiung von den Verpflichtungen gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 1 WpÜG gestellt.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Befreiung nach § 37 Abs. 1
Var. 5 WpÜG (fehlende tatsächliche Möglichkeit der Kontrollausübung) gerecht
fertigt sei, da die Antragstellerin zu 1) ihre Aktionärsrechte, inklusive
Stimmrechte, gemäß Ziffer 4 der Nachtragsvereinbarung gemäß der Entscheidung
der SVM AG und SVB AG, welche sich nach Maßgabe von Ziffer 3 der
Nachtragsvereinbarung untereinander abstimmen, ausüben werde.

B.

Den Anträgen war stattzugeben, weil sie zulässig und begründet sind. Die
Voraussetzungen für eine Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1
Satz 1 und Abs .2 Satz 1 WpÜG liegen vor.

I. Zulässigkeit des Antrags / Verbindung der Anträge zu einem Verfahren

Die Anträge sind zulässig.

Die Antragstellung der Antragstellerin zu 1) erfolgte am 06.07.2021 gemäß
den Vorgaben des § 45 Satz 1 WpÜG durch Übermittlung des Schreibens,
eingegangen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht per Fax
am 06.07.2021. Die Antragstellung der Antragstellerin zu 2) erfolgte unter
Bezugnahme auf den Antrag der Antragstellerin zu 1) und deren
Antragsbegründung am 10.09.202 1 ebenfalls gemäß den Vorgaben des § 45 Satz
1 WpÜG durch Übermittlung des Schreibens per Fax.

Sie erfolgten auch fristgerecht. Gemäß § 8 Satz 2 WpÜG -AngebotsVO kann ein
Antrag vor Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gestellt
werden. Dies ist vorliegend der Fall, da die Antragsteller derzeit noch
keine Kontrolle über die Zielgesellschaft haben. Die Kontrollerlangung
erfolgt erst mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung (vgl. hierzu unten
Abschnitt B. II.1.dieses Bescheids), die aufschiebend bedingt ist auf die
Stattgabe des Antrags über die Befreiung der Antragstellerin zu 1) von den
Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG.

Darüber hinaus besteht schon jetzt das erforderliche
Sachbescheidungsinteresse. Über die Anträge konnte vor der Kontrollerlangung
der Antragsteller entschieden werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich
die Kontrollerlangung als vorhersehbar (vgl. BT-Drucks. 14/7034 v.
05.10.2001, S. 81) und aus Gründen der Sicherstellung der ernsthaften
Bereitschaft zum Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich darstellt (vgl.
Krause/Pötzsch/Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 8 WpÜG
-Angebotsverordnung, Rdn. 8 f.; Versteegen, in: Kölner Komm. z. WpÜG, Anh.
z. § 37 - § 8 WpÜG-AngVO Rz. 6). Dies ist vorliegend der Fall.

Die Antragstellerin zu 1) hat mit der SVM AG, SVB AG und der Beitretenden zu
2) die Nachtragsvereinbarung geschlossen, deren Wirksamkeit lediglich unter
der aufschiebenden Bedingung steht, dass dem Antrag der Antragstellerin zu
1) auf Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 1 WpÜG stattgegeben wird. Die Kontrollerlangung (vgl. hierzu unten
Abschnitt B. II. 1. dieses Bescheids) hängt somit allein von der Stattgabe
des Antrags auf Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 2 Satz 1 WpÜG ab. Die Antragstellerin zu 1) hat damit sämtliche in
ihrem Einflussbereich liegenden Erklärungen und Handlungen für den Beitritt
zur Aktionärsvereinbarung und der daraus resultierenden Kontrollerlangung
vorgenommen.

Der Antragstellerin zu 2) wird zeitglich mit dem Beitritt der
Antragstellerin zu 1) zur Aktionärsvereinbarung die Kontrolle über die
Zielgesellschaft erlangen, da ihr die Stimmrechte aus den unmittelbar von
der Antragstellerin zu 1) gehaltenen INTERSHOP -Aktien gemäß § 30 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. den Grundsätzen über die
Mehrmüttergesellschaft sowie die Stimmrechte aus den Poolgebunden
INTERSHOP-Aktien aufgrund des zwischen ihr und der Antragstellerin zu 1)
bestehenden Mutter-/Tochterverhältnisses i.S.d. § 2 Abs. 6 WpÜG gem. § 30
Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen sind (vgl. hierzu unten Abschnitt B.II.1
dieses Bescheids).

Die Anträge der Antragsteller können in einem einheitlichen Verfahren
beschieden werden. Es handelt sich im vorliegenden Fall um einen
einheitlichen Lebenssachverhalt und somit um ein Verwaltungsverfahren. Bei
einer Stimmrechtszurechnung aufgrund eines Mutter/Tochterverhältnisses
i.S.d. § 2 Abs. 6 WpÜG ist grundsätzlich ein einheitlich zu würdigender
Lebenssachverhalt anzunehmen. Die Kontrollerlangung durch die
Antragstellerin zu 1) als unmittelbares Tochterunternehmen würde hier mit
der Kontrollerlangung durch die Antragstellerin zu 2) als deren Mutter
infolge der Stimmrechtszurechnung zeitlich zusammenfallen (vgl. hierzu unten
Abschnitt B. II.1. dieses Bescheids). Das verbindende Element des gesamten
Lebenssachverhalts bildet die Lenkungsmacht der Antragstellerin zu 2) als
Prinzipal, vermittelt durch unmittelbare gesellschaftsrechtliche
Einflussnahmemöglichkeiten auf die Antragstellerin zu 1).

II. Begründetheit

Die Anträge sind auch begründet. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für
eine Befreiung der Antragsteller gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG (fehlende
tatsächliche Möglichkeit der Kontrollausübung) vor. Das Interesse der
Antragsteller an einer Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. Satz
1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG überwiegt das Interesse der außenstehenden
Aktionäre der Zielgesellschaft an einem öffentlichen Pflichtangebot.

1. Kontrollerlangung durch die Antragsteller

Die Antragsteller werden infolge des Wirksamwerdens der
Nachtragsvereinbarung, d.h. mit dem damit verbundenen Beitritt der
Antragstellerin zu 1) zur Aktionärsvereinbarung, die Kontrolle an der
Zielgesellschaft gemäß §§ 29 Abs. 2, 35 WpÜG erlangen.

a) Antragstellerin zu 1)

Der Antragstellerin zu 1) wird mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung
ein Stimmrechtsanteil im Umfang von mehr als 30 % der Stimmrechte der
INTERSHOP-Aktien zustehen.

Zum einen hält die Antragstellerin zu 1) selbst unmittelbar weniger als 3%
der INTERSHOP-Aktien.

Zum anderen sind der Antragstellerin zu 1) mit Wirksamwerden der
Nachtragsvereinbarung über den Beitritt zur Aktionärsvereinbarung weitere,
mehr als 30% der Stimmrechte aus den Poolgebundenen INTERSHOP-Aktien gemäß §
30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen. Denn ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens
der Nachtragsvereinbarung unterliegt die Antragstellerin zu 1) den
entsprechenden Bindungen, insbesondere mit Blick auf die Vereinbarung über
die Koordinierung der unter der Aktionärsvereinbarung gebündelten
Stimmrechte aus von der SVM AG und der SVB AG sowie der Beitretenden zu 2)
gehaltenen INTERSHOP-Aktien der Zielgesellschaft.

Mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung über den Beitritt der
Beitretenden zu 2) zur Aktionärsvereinbarung werden der Antragstellerin zu
1) künftig weitere Stimmrechte aus den von der Beitretenden zu 2) gehaltenen
INTERSHOP Aktien gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen sein.

b) Antragstellerin zu 2)

Der Antragstellerin zu 2) wird mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung
ebenfalls ein Stimmrechtsanteil im Umfang von mehr als 30% der Stimmrechte
der INTERSHOP Aktien zustehen.

Dabei sind der Antragstellerin zu 2) die Stimmrechte aus den unmittelbar von
der Antragstellerin zu 1) gehaltenen INTERSHOP Aktien gemäß § 30 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 17 AktG i.V.m. den
Grundsätzen über die Mehrmütterherrschaft zuzurechnen. Voraussetzung für
eine Mehrmütterherrschaft ist, dass die gemeinsame Beherrschung des
Tochterunternehmens auf Dauer gesichert ist. Grundlage hierfür können nicht
nur vertragliche oder organisatorische Bindungen, sondern auch rechtliche
und tatsächliche Umstände sonstiger Art bilden (vgl. BGH, Urt. V. 04.03.1974
- Az. IIZR 89/72), mitunter personelle Verflechtungen in Form von
Personenidentität oder paritätisch beteiligte Familienstämme (vgl. BAG,
Beschl. v. 16.08.1995 - Az. 7 ABR 57/94). Dies ist vorliegend der Fall.

Die Antragstellerin zu 2) und Herr Fischer halten jeweils 50 % der
Geschäftsanteile der Antragstellerin zu 1). Die Antragstellerin zu 2) und
Herr Fischer stimmen angabegemäß ihr Verhalten in Bezug auf die
Antragstellerin zu 1) untereinander ab. Hinzu kommt, dass die
Antragstellerin zu 2) und Herr Fischer jeweils zu
einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Antragstellerin zu 1)
bestellt sind. Insoweit kann die Angabe der Antragsteller nicht widerlegt
werden, dass keine Beherrschung der Antragstellerin zu 1) durch die
Antragstellerin zu 2) gemeinsam mit Herrn Fischer auf Grundlage der
Grundsätze über die Mehrmütterherrschaft stattfindet. Eine mehrfache
Abhängigkeit eines Tochterunternehmens aufgrund der Grundsätze der
Mehrmütterherrschaft führt dazu, dass das Tochterunternehmen in
konzernrechtlich relevanten Beziehungen zu jeder der ihm gegenüber als
Einheit auftretenden Mütter steht (vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, in
Aktien- und GmbH-KonzernR, 9. Aufl. 2019, § 17 Rz. 32).

Die Stimmrechte aus den Poolgebundenen INTERSHOP-Aktien sind der
Antragstellerin zu 2) aufgrund des zwischen ihr und der Antragstellerin zu
1) bestehenden Mutter-/Tochterverhältnisses i.S.d. § 2 Abs. 6 WpÜG gern. §
30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen.

Schließlich sind der Antragstellerin zu 2) aufgrund des zwischen ihr und der
Antragstellerin zu 1) bestehenden Mutter-/Tochterverhältnisses i.S.d. § 2
Abs. 6 WpÜG zudem die Stimmrechte aus den unmittelbar von der Beitretenden
zu 2) gehaltenen INTERSHOP-Aktien die der Aktionärsvereinbarung bereits
wirksam beigetreten ist, gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen.

2. Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Var. 5
WpÜG

Die Voraussetzungen für eine Befreiung der Antragsteller gemäß § 37 Abs.1
Var. 5 WpÜG von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Sat z 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG
liegen vor. Die fehlende tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle
rechtfertigt es, (auch) unter Berücksichtigung der Interessen der anderen
Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft eine Befreiung von den
Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG auszusprechen.

Nach den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls
ist es ausgeschlossen, dass die Antragstellerin zu 1) tatsächlich die
Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben kann. Die Antragstellerin zu 1)
kann im Rahmen der Aktionärsvereinbarung weder Einfluss auf die
Zielgesellschaft noch im kontrollrelevanten Umfang auf die Ausübung von
Stimmrechten aus INTERSHOP-Aktien nehmen. Die im Rahmen der
Aktionärsvereinbarung zu treffenden Entscheidungen bestimmt nach den in der
Nachtragsvereinbarung vorgesehenen vertraglichen Gestaltungen und unter
Berücksichtigung der Anzahl der von der SVM AG und der SVB AG gehaltenen
INTERSHOP-Aktien derzeit allein die SVB AG, nicht aber die Antragstellerin
zu 1). Denn nach Ziffer 3 der Nachtragsvereinbarung werden sich die SVM AG
und die SVB AG über die Ausübung der Stimmrechte inhaltlich austauschen und
abstimmen, wobei diejenige Person, die über weniger Stimmrechte verfügt, im
Falle eines Dissenses über die Stimmrechtsausübung ihre Stimmrechte
entsprechend dem Vorschlag der Partei mit dem größeren Stimmrechtsanteil
ausüben muss. Die Person mit dem größeren Stimmrechtsanteil ist derzeit die
SVB AG.

Demgegenüber ist die Antragstellerin zu 1) nach Ziffer 4 der
Nachtragsvereinbarung verpflichtet, ihre Aktionärsrechte, inklusive
Stimmrechte, entsprechend dem Ergebnis der nach Maßgabe von Ziffer 3
erfolgten Abstimmung zwischen der SVB AG und SVM AG auszuüben, wobei die
Verpflichtung unabhängig von der Anzahl der Stimmrechte der Antragstellerin
zu 1) gilt.

Entsprechend kommt auch der Antragstellerin zu 2), vermittelt über ihre
Beteiligung an der Antragstellerin zu 1), keine Möglichkeit zu, Einfluss auf
die Zielgesellschaft oder im kontrollrelevanten Umfang auf die Ausübung von
Stimmrechten aus INTERSHOP-Aktien zu nehmen.

3. Ermessen

Befreiungen nach § 37 WpÜG stehen im Ermessen der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht. In der Ermessensabwägung sind die Interessen
der Antragsteller an der Befreiung dem Interesse der übrigen Aktionäre der
Zielgesellschaft an der Durchführung eines Pflichtangebots
gegenüberzustellen (vgl. Schmiady, in: Steinmeyer, WpÜG, § 37 Rz. 56)

Unschädlich ist im vorliegenden Fall, dass die Antragstelleriin ihrem Antrag
nicht dargelegt haben, weshalb ihr Interesse an einer Befreiung von den
Pflichten gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG den Interessen der
anderen Aktionäre der Zielgesellschaft an einem Pflichtangebot überwiegt.
Eine solche Darlegung bietet sich im Interesse der Antragsteller an einer
Befreiung an, rechtlich erforderlich ist sie hingegen nicht (vgl. Seiler, in
Assmann/Pötzsch/Schnei der, WpÜG, § 8 WpÜG-AngVO Rz. 7).

Bei Abwägung der Interessen der anderen Aktionäre der Zielgesellschaft an
einem Pflichtangebot mit dem Interesse der Antragsteller an einer Befreiung
von den Verpflichtungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG
überwiegen die Interessen der Antragsteller deutlich.

Der formale Kontrollerwerb der Antragsteller bietet den außenstehenden
Aktionären keinen Anlass, eine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung
zu treffen. Vielmehr bleibt die materielle Kontrollsituation letztlich
unverändert, da sich die Antragstellerin zu 1) bei Entscheidungen im Rahmen
der Aktionärsvereinbarung nie durchsetzen kann, entsprechendes gilt für die
Antragstellerin zu 2).

Somit müssen die außenstehenden Aktionäre auch keine transaktionsbedingte
Änderung in der Unternehmensführung der Zielgesellschaft erwarten, so dass
ihr etwaiges Interesse an einem Pflichtangebot als gering zu bewerten ist
und jedenfalls hinter dem Interesse der Antragsteller, nicht mit den Kosten
eines Pflichtangebots belastet zu werden, zurückstehen muss.


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1276865 11.02.2022 CET/CEST

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