AIRBUS IM FOKUS: Die Nase vorn

dpa-AFX · Uhr

TOULOUSE (dpa-AFX) - Nach dem Geschäftseinbruch in der Corona-Krise hat Airbus wieder auf Wachstum umgeschaltet. Obwohl die Pandemie den Luftverkehr noch fest im Griff hat, bereitet Airbus-Chef Guillaume Faury den europäischen Flugzeugbauer und seine Zulieferer für die nächsten Jahre auf eine Rekordproduktion vor. Zudem will der Dax-Konzern bis 2035 zudem den ersten Passagierjet mit Wasserstoff-Antrieb an den Start bringen. Was bei Airbus los ist, was Analysten sagen und wie sich die Aktie entwickelt.

DAS IST LOS BEI AIRBUS:

Wenn der Flugzeugbauer aus Toulouse an diesem Donnerstag seine Geschäftszahlen zum abgelaufenen Jahr vorlegt, wird von Rekorden noch nicht viel zu sehen sein. Mit 611 ausgelieferten Verkehrsflugzeugen hat Airbus sein eigenes Ziel von etwa 600 Stück zwar übertroffen. Bis zum Rekordniveau von 2019 fehlen aber noch gut 250 Maschinen.

Allerdings hat Airbus seinen Konkurrenten Boeing bei den Auslieferungen 2021 erneut weit hinter sich gelassen. Damit verteidigte der Konzern seine Position als weltgrößter Flugzeughersteller, die er Boeing 2019 abgejagt hatte.

Der US-Konzern hat seither mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. Zwar darf er seinen Mittelstreckenjet 737 Max nach zwei tödlichen Abstürzen und mindestens 20 Monaten Flugverbot in weiten Teilen der Welt inzwischen wieder ausliefern. Doch die Produktionsraten liegen noch weit unter denen des Konkurrenzmodells von Airbus. Zudem kann Boeing wegen Produktionsmängeln seit Monaten keine Großraumjets vom 787 "Dreamliner" an seine Kunden übergeben.

Airbus hingegen überraschte seine Aktionäre im vergangenen Jahr gleich mehrfach positiv. So legte das Management die Latte für den operativen Gewinn vor Sondereffekten (bereinigtes Ebit) gleich zweimal höher - erst von mindestens 2 Milliarden auf etwa 4 Milliarden und schließlich noch einmal auf 4,5 Milliarden Euro.

Zuletzt einigte sich die Airbus-Führung mit der IG Metall auf die Bedingungen für einen Umbau der Flugzeugfertigung in Deutschland. Während die Gewerkschaft die Sicherung der deutschen Standorte und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum Jahr 2030 durchsetzte, kann Airbus auf eine Lösung für seine seit Langem defizitäre Teilefertigung hoffen. Diese soll samt den Beschäftigten an den mittelständischen Autozulieferer Mubea aus dem nordrhein-westfälischen Attendorn gehen. Der von Airbus bevorzugte Verkauf kann allerdings nur über die Bühne gehen, wenn auch Betriebsräte und IG Metall grünes Licht geben. Klarheit darüber soll bis Ende März gewonnen werden.

Airbus braucht wieder höhere Gewinne, um in seine langfristigen Projekte investieren zu können. Dabei geht es vor allem um das erste Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb. Derzeit gehe es dabei um viel Kopfarbeit und noch nicht um hohe Kosten, hatte Faury im September erklärt. Die teure Entwicklung des Flugzeugs selbst müsse aber 2027 oder 2028 beginnen, damit der Einsatz ab 2035 gelingen könne.

Unterdessen weitet der Hersteller die Produktion seiner Mittelstreckenjets aus der A320neo-Modellfamilie kräftig aus. Sie soll vom krisenbedingt gedrosselten Niveau von zuletzt etwa 45 Maschinen pro Monat bis Mitte 2023 auf monatlich 65 Stück wachsen. Damit würde Airbus Monat für Monat mehr Maschinen der Reihe bauen als je zuvor.

Bis zum Jahr 2025 hat das Management weitere Steigerungen ins Auge gefasst - auch bei dem kleineren Airbus A220. Das Geschäft mit den Langstrecken-Großraumjets A350 und A330neo dümpelt hingegen auf dem gekappten Krisenniveau vor sich hin, und die Produktion des doppelstöckigen Airbus A380 ist seit der Auslieferung des letzten Exemplars im Dezember Geschichte.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Branchenexperten zufolge dürfte der Konzern seine im Herbst angehobenen Ziele für 2021 noch einmal klar übertroffen haben. Die von Airbus selbst befragten Analysten rechnen im Schnitt mit einem Umsatz von gut 52 Milliarden Euro, gut vier Prozent mehr als im ersten Corona-Jahr 2020. Der bereinigte operative Gewinn dürfte mit gut 4,7 Milliarden Euro sogar fast dreimal so hoch ausfallen.

Unter dem Strich sollte Airbus mit fast 3,5 Milliarden Euro wieder klar in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt sein. Im Vorjahr hatte hier vor allem wegen Rückstellungen für den Abbau tausender Arbeitsplätze ein Verlust von 1,1 Milliarden Euro gestanden.

Im Fokus des Interesses dürften bei der Vorlage der Jahreszahlen die Ziele des Managements für 2022 stehen. Von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Analysten rechnen im Schnitt mit einem Umsatzanstieg auf 60,2 Milliarden Euro. Beim bereinigten operativen Gewinn erwarten sie eine weitere Steigerung auf 5,7 Milliarden Euro.

Unterdessen können die Aktionäre für 2021 wieder auf eine Dividende hoffen, nachdem sie wegen der Branchenkrise zwei Jahre lang leer ausgegangen waren. Analysten rechnen im Schnitt mit einer Ausschüttung von 1,14 Euro je Aktie.

Die zehn von dpa-AFX erfassten Analysten, die ihre Einschätzung seit dem Jahreswechsel erneuert haben, sind der Airbus-Aktie zugetan. Neun von ihnen raten zum Kauf des Papiers, einer zum Halten. Keiner würde sie derzeit verkaufen. Kein Wunder: Im Schnitt trauen sie dem Papier absehbar einen Kursanstieg 150 Euro zu. Damit würde es so teuer gehandelt wie nie zuvor. Selbst der pessimistischste Experte liegt mit seinem Ziel von 128 Euro noch über jedem Airbus-Kurs seit Ausbruch der Corona-Krise.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Wie die Papiere anderer Luftfahrt-Unternehmen war die Airbus-Aktie während der Pandemie zeitweise schwer unter die Räder gekommen. Hatte ihr Kurs im Januar 2020 an der Frankfurter Börse bei 139,40 Euro ein Rekordhoch erreicht, ging es bis Mitte März auf 47,70 Euro nach unten. Erst mit den Meldungen über die ersten wirksamen Impfstoffe und damit der Aussicht auf Auftrieb für den Flugverkehr ging die Aktie ab November 2020 vorerst auf Erholungskurs. Im September 2021 stieg Airbus im Zuge der Index-Erweiterung zudem in den Dax auf.

Doch im November letzten Jahres folgten weitere Turbulenzen: Nach dem Aufkommen der neuen und ansteckenderen Virus-Variante Omikron sackte der Airbus-Kurs zeitweise auf unter 97 Euro ab. Doch dann deutete vieles darauf hin, dass Omikron sich zwar schneller verbreitet als die Vorgänger-Variante Delta - aber vergleichsweise leichtere Krankheitsverläufe verursacht.

Der Airbus-Kurs erholte sich von dem Schlag und stieg bis Anfang Januar wieder auf gut 121 Euro. Das Spitzenniveau aus der Zeit vor der Krise bleibt aber immer noch ein gutes Stück entfernt. Zuletzt wurde das Papier zu rund 118 Euro gehandelt.

Dabei hat sich Airbus in den vergangenen fünf Jahren an der Börse deutlich besser geschlagen als Rivale Boeing. Dessen Aktienkurs hatte sich zwischen Ende 2016 und Anfang März 2019 fast verdreifacht. Doch nach dem Desaster um den Mittelstreckenjet Boeing 737 Max nivellierte sich das Bild. Die Corona-Krise erwischte die Boeing-Aktie schließlich noch etwas schlimmer als die von Airbus. Und von der Erholung der Luftfahrt von der Krise profitierten die Airbus-Aktionäre deutlich stärker als die von Boeing. Im Vergleich zu Ende 2016 hat die Airbus-Aktie inzwischen um 89 Prozent zugelegt, das Boeing-Papier nur um rund 40 Prozent.

Dennoch wird Boeing mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet rund 112 Milliarden Euro immer noch höher bewertet als sein europäischer Rivale, der lediglich auf rund 93 Milliarden kommt./stw/nas/mis/men

Meistgelesene Artikel